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Sensationsfund kurz vor Schluss: Archäologen finden Teile einer alten Mühle in Langebrückenstraße

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Von: Daniela Petersen

Dr. Thilo Warnecke und sein Team haben bei den Ausgrabungen in der Langebrückenstraße einen Sensationsfund gemacht.
Dr. Thilo Warnecke und sein Team haben bei den Ausgrabungen in der Langebrückenstraße einen Sensationsfund gemacht. © Daniela Petersen

Ein Hauch Bonifatius: Kurz bevor die Grabungen an der Langebrückenstraße in Fulda beendet wurden, hat das Team um Grabungsleiter Dr. Thilo Warneke einen Sensationsfund gemacht: Es wurden Teile einer Mühle entdeckt, deren Mühlrad nicht vertikal, sondern horizontal dreht. Solche Konstruktionen aus dem 8. und 9. Jahrhundert waren bis dato nur aus dem angelsächsischen Raum bekannt.

Fulda - Bisher wusste man bloß von insgesamt acht Horizontalmühlen aus dem 8. und 9. Jahrhundert: Sieben Fundorte liegen in Irland, einer in England. Jetzt ist eine weitere Fundstelle dazu gekommen: in der Langebrückenstraße in Fulda. Eine Vermutung liegt dabei nahe: Vielleicht waren es Menschen, die mit Bonifatius von England nach Fulda kamen, die das Wissen um den Bau einer solchen Turbinenmühle mitbrachten und diese besondere Mühle in Fulda bauten.

Archäologen rund um Grabungsleiter Dr. Thilo Warnecke haben einen Sensationsfund in Fulda gemacht

Dass die Mühle genau dort stand, wo die Überreste jetzt gefunden wurden, das glaubt Grabungsleiter Thilo Warneke nicht. „Wir nehmen an, dass die Mühle bei einer Flutkatastrophe zerstört und Teile dorthin geschwemmt wurden.“ Wann diese Flut die Fulda über die Ufer treten ließ, ist nicht überliefert. Hierzu soll es Forschungen geben.

Das Sensationsstück: ein löffelartiges Schaufelblatt einer Horizontalmühle.
Das Sensationsstück: ein löffelartiges Schaufelblatt einer Horizontalmühle. © Daniela Petersen

Möglicherweise war es aber um das Jahr 874: „In dieser Zeit gab es in Eschborn im Rhein-Main-Gebiet Hochwasser, bei dem auch Gräber zerstört wurden. Quellen sprechen davon, dass die ,Toten aus ihren Gräbern gespült wurden‘. Es könnte sein, dass es auch in Fulda damals zu einer Flut kam“, erklärt Dr. Andreas Thiedemann vom Landesamt für Denkmalschutz in Marburg.

Die Keramikstücke sind Überreste eines Gefäßes.
Die Keramikstücke sind Überreste eines Gefäßes. © Daniela Petersen

Einer der bedeutendsten Funde in Deutschland 2020

Der Fund in Fulda sei ein „Hochkaräter“, sagt er. Die Erkenntnisse, die durch die Ausgrabungen in Fulda erlangt werden konnten, würden deutschlandweit zu den zehn bedeutendsten in diesem Jahr zählen. Neben dem löffelartigen Schulterblatt der Turbinenmühle wurden Teile einer Mühle gefunden, deren Rad vertikal dreht. Auch Kämme aus Knochen oder Geweih, karolingische Keramik, Glasscherben und Teile von Gefäßen wurden ausgegraben.

Das meiste kam jedoch erst zum Schluss ans Tageslicht und wäre fast übersehen worden. „Drei oder vier Tage vor Grabungsende haben wir ein ganzes Feld mit Fundstücken entdeckt, darunter das Teil der besonderen Mühle. Für mich ist das der bedeutendste Fund“, sagt Grabungsleiter Warneke.

Auf Vonderaus Spuren in der Langebrückenstraße

Dass an der Stelle überhaupt gegraben wurde, hängt mit Professor Joseph Vonderau zusammen. Der Heimatforscher hat Ende des 19. Jahrhunderts dort einige Entdeckungen gemacht. „Er ging davon aus, dass er auf Pfahlbauten gestoßen ist. Inzwischen wissen wir aber, dass die Holzfragmente nicht zu Pfahlbauten gehörten“, sagt Stadt- und Kreisarchäologin Milena Wingenfeld.

Vor 1000 Jahren wurde dieses Teil womöglich als Teller benutzt.
Vor 1000 Jahren wurde dieses Teil womöglich als Teller benutzt. © Daniela Petersen

Finanziert werden die Grabungen von der Investorenfamilie Burg und Geisendörfer, die auf dem Areal eine Wohnanlage errichtet. „Genau wissen wir noch nicht, was es kostet, aber ich rechne mit einem hohen sechsstelligen Betrag“, sagt Christopher Burg. Dass er solch einen bedeutenden Fund mit ermöglicht hat, freut ihn. Auch Dr. Frank Verse, Leiter des Vonderau Museums, ist begeistert, weil es selten sei, dass so alte organische Funde ausgegraben werden. In seinem Museum sollen die Teile ausgestellt werden. Doch bis dahin dauert es noch: Zunächst müssen die Stücke haltbar gemacht werden – und das kann dauern.

Lesen Sie hier: Holz, Leder, Knochen: Archäologen graben in der Langebrückenstraße in Fulda. Ein alter Münzschatz in der Michaelskirche: Johannes Peter untersucht Fuldaer Brakteaten. Grabungen an der Langebrückenstraße zeigen das mittelalterliche Fulda.

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