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Liefertermine platzen: Fehlendes Papier bringt Verlage in die Bredouille

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Von: Bernd Loskant

Arbeitskampf in finnischer Papierindustrie
Die Papierindustrie hat mit Rohstoff-Knappheit zu kämpfen. © Seppo Sirkka/dpa

Neben Baumaterialien und Elektronik-Bauteilen wird ein weiterer wichtiger Rohstoff knapp: Papier. Der Markt ist leergefegt, Lieferzusagen werden nicht eingehalten – mit Folgen unter anderem für die Druckindustrie in Fulda.

Fulda - Wieder einmal verursacht die Corona-Pandemie, die schon viele Opfer in der Wirtschaft gefordert hat, eine ganze Branche heraus, bringt einen ökonomischen Kreislauf massiv aus dem Gleichgewicht. Noch sind die Folgen beim Verbraucher nur punktuell spürbar angekommen, doch viele Firmen, die Druckaufträge vergeben, leiden darunter, dass Papier zu einer raren Ware geworden ist. Die Nachfrage steigt, doch die Lieferanten liefern nicht oder nur verzögert, Preise steigen – und manche Papiersorten sind derzeit überhaupt nicht verfügbar.

Vor allem Zeitungsverlage, die umweltfreundlich auf Recycling-Papier drucken, geraten von heute auf morgen in schwieriges Fahrwasser. Weil Lieferverträge, oft zu Jahresbeginn ausgehandelt, nun nicht eingehalten werden, ist vielerorts kein Papier zum Drucken mehr vorhanden – oder es werden von den Produzenten heftige Aufschläge verlangt. Die Folge: Viele Verlage müssen Umfänge reduzieren, und der Worst Case, nicht mehr drucken zu können, wird zum realistischen Szenario, das man diskutiert.

Fulda: Liefertermine platzen - Fehlendes Papier bringt Verlage in Bredouille

Auch Zeitschriften- und Buchverlage, die anders als Zeitungen auf grafischen Papieren gedruckt werden, bekommen die Krise zu spüren. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), Stephan Scherzer, spricht von einer „äußerst angespannten“ Lage und warnt: „Neben der nicht vorhersehbaren Preissteigerung besteht die Gefahr, dass es 2022 nicht genügend Papier geben wird.“ Eine Entspannung sei nicht abzusehen.

Neben dem durch die Digitalisierung eingeleiteten Strukturwandel in der Druckbranche sind es vor allem zwei Gründe, die die Knappheit verursachen: Zum einen ist Altpapier zur raren Ware geworden, da viele Zeitungen und Anzeigenblätter auf dem Höhepunkt der Pandemie angesichts ausbleibender Werbeerlöse ihre Umfänge reduzierten oder ganz vom Markt verschwanden. (Lesen Sie hier: Weihnachtsgeschenke in Gefahr? Halbleiter-Krise sorgt für Lieferengpässe)

Zum anderen steigt durch den Boom bei Online-Bestellungen die Nachfrage nach Pappe für Verpackungen, so dass sich viele Papierfabriken umgestellt haben und den Fokus auf diesen Markt richten. Wo weiteres Wachstum zu erwarten ist, führen die Zahlen drastisch vor Augen: Mehr als vier Milliarden Pakete wurden im Corona-Jahr 2020 in Deutschland verschickt – 10,9 Prozent mehr als im Jahr 2019. Und oft erscheint die Verpackung unverhältnismäßig, wenn zum Beispiel ein Kugelschreiber in einem Karton von der Größe einer Getränkekiste versendet wird.

In eigener Sache

Liebe Leserinnen, liebe Leser, die aktuelle Papierkrise bleibt auch nicht ohne Auswirkungen auf unseren Verlag. Nicht nur, dass Zeitungspapier momentan ein rares Gut ist. Auch dass unsere langjährigen Lieferanten uns teilweise mit geringeren als den verabredeten Mengen beliefern – oder dies teilweise verspätet und manchmal sogar gar nicht tun –, ist ein noch nie dagewesener Umstand, der durch den Verlag Parzeller leider nicht zu beeinflussen ist.

Auch wir müssen mit unserem Papier haushalten, um Ihnen auch in den kommenden Wochen jeden Tag eine gute Zeitung in den Briefkasten stecken zu können. Deshalb rechnen wir unter starker Unsicherheit täglich vorausschauend: Wie viel Papier haben wir noch im Lager? Wie viel wird voraussichtlich in den nächsten Wochen kommen? Wie viel Papier haben wir gestern verbraucht? Können wir unsere geplanten Umfänge weiterhin drucken?

Stand heute müssen wir – im Gegensatz zu anderen Häusern – keine radikalen Kürzungen vornehmen. Dennoch kann es punktuell vorkommen, dass wir vereinzelt auf Inhalte verzichten müssen. Wir versuchen, das zu vermeiden, wann immer es geht, um Sie auch weiterhin ausführlich über alle relevanten Themen, insbesondere aus der Region, tagesaktuell zu informieren. (von Thomas Schafranek, stellvertretender Chefredakteur)

Zu den Lieferproblemen beim Papier kommen höhere Kosten für Energie und Transport. Laut einem Branchenindex sind die Preise für Altpapier in Deutschland seit Jahresbeginn nicht zuletzt dadurch um 78 Prozent geklettert. Auch beim Zellstoff gab es einen starken Anstieg. Je nach Papierart spielen diese beiden Rohstoffe eine unterschiedlich große Rolle: Zellstoff entsteht aus der chemischen Bearbeitung von Holz oder Holzresten. Diese frischen Fasern werden zu neuem Papier gemacht oder bei einigen Papierarten mit Altpapier gemischt. Zeitungspapier wiederum ist komplett aus Altpapier.

Video: Papiermangel: Druckereien, Zeitungs- und Buchverlage schlagen Alarm

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels stimmt Bücherfreunde schon einmal darauf ein, dass Lesen teurer werden könnte. „Sollte die Papierknappheit bestehen bleiben und sollten die Kosten entsprechend langfristig hoch bleiben, könnte sich das in letzter Konsequenz auf die Lieferbarkeit und die Buchpreise auswirken“, heißt es. Der Börsenverein verweist darauf, dass die Vorlaufzeit – also die Zeit für den Druckauftrag inklusive Papierbestellung – bei Büchern um das Vier- bis Sechsfache gestiegen sei. „Insbesondere die kurzfristige Nachauflagenproduktion ist kaum möglich.“

Gekürzte Lieferungen

Siegfried Wahl, Geschäftsführer der Druckerei ColdsetInnovation Fulda: „Bei der Druckerei ColdsetInnovation Fulda, die in Eichenzell-Kerzell unter anderem Fuldaer Zeitung, Hünfelder Zeitung, Kinzigtal Nachrichten, Schlitzer Bote und Marktkorb druckt, sind große Teile des zu Jahresbeginn bestellten Papiers nicht eingetroffen. Im ersten Quartal kamen die Lieferungen noch fristgerecht. Im zweiten Quartal wurde dann vom Lieferanten mitgeteilt, dass nur 80 Prozent der bestellten Menge geliefert werden können. Grund sei die Knappheit beim Altpapier, dessen Aufkommen im Coronajahr 2020 um 44 Prozent zurückgegangen sei. Nun sei für den Rest des Jahres nochmal eine Lieferkürzung von 30 Prozent angekündigt worden – bei gleichzeitiger Preissteigerung um 40 Prozent.

Das knappe Angebot betrifft alle Druckereien in Deutschland – mit drastischen Folgen für Unternehmen und Kunden. Neue Kunden kann man derzeit nicht annehmen, schon mit den bestehenden Aufträgen gibt es aufgrund der Lage Probleme.“

Auch der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) beobachtet die Entwicklung „mit Sorge“. Sprecherin Anja Pasquay weist darauf hin, dass die Einkaufs- und Produktionskosten von Druckereien und Verlagen steigen. „Wir rechnen damit, dass eine erhebliche Kostensteigerung bei den Rohstoffen, die zu erwarten ist, sich längerfristig auch im Preis des Produkts niederschlagen wird.“

Dirk Kemmerer, Chef der Bertelsmann Printing Group (BPG), Europas größter Druckereigruppe, sagt: „Da es in dem ausverkauften Rohstoffmarkt derzeit kein zusätzliches Angebot gibt, lassen sich bei diversen Aufträgen Umfangs- und Auflagenreduzierungen leider nicht mehr vermeiden.“ Zudem erwartet er höhere Preise „bei allen papierbasierten Produkten.“

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