Neben dem durch die Digitalisierung eingeleiteten Strukturwandel in der Druckbranche sind es vor allem zwei Gründe, die die Knappheit verursachen: Zum einen ist Altpapier zur raren Ware geworden, da viele Zeitungen und Anzeigenblätter auf dem Höhepunkt der Pandemie angesichts ausbleibender Werbeerlöse ihre Umfänge reduzierten oder ganz vom Markt verschwanden. (Lesen Sie hier: Weihnachtsgeschenke in Gefahr? Halbleiter-Krise sorgt für Lieferengpässe)
Zum anderen steigt durch den Boom bei Online-Bestellungen die Nachfrage nach Pappe für Verpackungen, so dass sich viele Papierfabriken umgestellt haben und den Fokus auf diesen Markt richten. Wo weiteres Wachstum zu erwarten ist, führen die Zahlen drastisch vor Augen: Mehr als vier Milliarden Pakete wurden im Corona-Jahr 2020 in Deutschland verschickt – 10,9 Prozent mehr als im Jahr 2019. Und oft erscheint die Verpackung unverhältnismäßig, wenn zum Beispiel ein Kugelschreiber in einem Karton von der Größe einer Getränkekiste versendet wird.
Liebe Leserinnen, liebe Leser, die aktuelle Papierkrise bleibt auch nicht ohne Auswirkungen auf unseren Verlag. Nicht nur, dass Zeitungspapier momentan ein rares Gut ist. Auch dass unsere langjährigen Lieferanten uns teilweise mit geringeren als den verabredeten Mengen beliefern – oder dies teilweise verspätet und manchmal sogar gar nicht tun –, ist ein noch nie dagewesener Umstand, der durch den Verlag Parzeller leider nicht zu beeinflussen ist.
Auch wir müssen mit unserem Papier haushalten, um Ihnen auch in den kommenden Wochen jeden Tag eine gute Zeitung in den Briefkasten stecken zu können. Deshalb rechnen wir unter starker Unsicherheit täglich vorausschauend: Wie viel Papier haben wir noch im Lager? Wie viel wird voraussichtlich in den nächsten Wochen kommen? Wie viel Papier haben wir gestern verbraucht? Können wir unsere geplanten Umfänge weiterhin drucken?
Stand heute müssen wir – im Gegensatz zu anderen Häusern – keine radikalen Kürzungen vornehmen. Dennoch kann es punktuell vorkommen, dass wir vereinzelt auf Inhalte verzichten müssen. Wir versuchen, das zu vermeiden, wann immer es geht, um Sie auch weiterhin ausführlich über alle relevanten Themen, insbesondere aus der Region, tagesaktuell zu informieren. (von Thomas Schafranek, stellvertretender Chefredakteur)
Zu den Lieferproblemen beim Papier kommen höhere Kosten für Energie und Transport. Laut einem Branchenindex sind die Preise für Altpapier in Deutschland seit Jahresbeginn nicht zuletzt dadurch um 78 Prozent geklettert. Auch beim Zellstoff gab es einen starken Anstieg. Je nach Papierart spielen diese beiden Rohstoffe eine unterschiedlich große Rolle: Zellstoff entsteht aus der chemischen Bearbeitung von Holz oder Holzresten. Diese frischen Fasern werden zu neuem Papier gemacht oder bei einigen Papierarten mit Altpapier gemischt. Zeitungspapier wiederum ist komplett aus Altpapier.
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels stimmt Bücherfreunde schon einmal darauf ein, dass Lesen teurer werden könnte. „Sollte die Papierknappheit bestehen bleiben und sollten die Kosten entsprechend langfristig hoch bleiben, könnte sich das in letzter Konsequenz auf die Lieferbarkeit und die Buchpreise auswirken“, heißt es. Der Börsenverein verweist darauf, dass die Vorlaufzeit – also die Zeit für den Druckauftrag inklusive Papierbestellung – bei Büchern um das Vier- bis Sechsfache gestiegen sei. „Insbesondere die kurzfristige Nachauflagenproduktion ist kaum möglich.“
Siegfried Wahl, Geschäftsführer der Druckerei ColdsetInnovation Fulda: „Bei der Druckerei ColdsetInnovation Fulda, die in Eichenzell-Kerzell unter anderem Fuldaer Zeitung, Hünfelder Zeitung, Kinzigtal Nachrichten, Schlitzer Bote und Marktkorb druckt, sind große Teile des zu Jahresbeginn bestellten Papiers nicht eingetroffen. Im ersten Quartal kamen die Lieferungen noch fristgerecht. Im zweiten Quartal wurde dann vom Lieferanten mitgeteilt, dass nur 80 Prozent der bestellten Menge geliefert werden können. Grund sei die Knappheit beim Altpapier, dessen Aufkommen im Coronajahr 2020 um 44 Prozent zurückgegangen sei. Nun sei für den Rest des Jahres nochmal eine Lieferkürzung von 30 Prozent angekündigt worden – bei gleichzeitiger Preissteigerung um 40 Prozent.
Das knappe Angebot betrifft alle Druckereien in Deutschland – mit drastischen Folgen für Unternehmen und Kunden. Neue Kunden kann man derzeit nicht annehmen, schon mit den bestehenden Aufträgen gibt es aufgrund der Lage Probleme.“
Auch der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) beobachtet die Entwicklung „mit Sorge“. Sprecherin Anja Pasquay weist darauf hin, dass die Einkaufs- und Produktionskosten von Druckereien und Verlagen steigen. „Wir rechnen damit, dass eine erhebliche Kostensteigerung bei den Rohstoffen, die zu erwarten ist, sich längerfristig auch im Preis des Produkts niederschlagen wird.“
Dirk Kemmerer, Chef der Bertelsmann Printing Group (BPG), Europas größter Druckereigruppe, sagt: „Da es in dem ausverkauften Rohstoffmarkt derzeit kein zusätzliches Angebot gibt, lassen sich bei diversen Aufträgen Umfangs- und Auflagenreduzierungen leider nicht mehr vermeiden.“ Zudem erwartet er höhere Preise „bei allen papierbasierten Produkten.“