1. Fuldaer Zeitung
  2. Fulda

Junge Frau aus Fulda kommt Love-Scammer auf die Schliche: Betrüger-Bande aus Ghana spielt „Julien“

Erstellt:

Von: Suria Reiche

Love-Scamming ist ein gefährlicher Trend im Netz. Betroffene verlieben sich und werden dann hemmungslos ausgenutzt.
Eine junge Frau aus Fulda ist einem Love-Scammer auf die Schliche gekommen. (Symbolfoto) © Sebastian Gollnow/dpa

Liebe macht blind. Diesen Spruch hat man schon gehört. So stolpern hin und wieder auch in der Region Menschen – zumeist Frauen – auf der Suche nach der großen Liebe in Online-Dating-Fallen und werden abgezockt. Auch Louisa aus Fulda wäre das um ein Haar passiert.

Fulda - Sein Instagram-Name war Julien, auf seinen Fotos sah er sehr gepflegt aus, so als hätte er viel Geld und die Hobbys, die er zur Schau stellte, ließen ebenfalls auf ein angenehmes Leben schließen. Inzwischen ist sein Profil gelöscht. Vielleicht, weil Louisa aus Fulda ihm Anfang des Jahres auf die Schliche gekommen ist? Ihren Nachnamen möchte die junge Frau ungern in der Zeitung lesen.

An einem Abend im Januar klingelte ihr Handy. Eine Nachricht im sozialen Netzwerk Instagram erschien auf dem Display. Hier laden Nutzer Fotos hoch und andere können auf „Gefällt mir“ drücken. Julien legte aber noch eine Schippe drauf, statt bloß auf das Herz-Symbol zu drücken, schickte er eine Nachricht an Louisa. Darin lobte er ihre Fotos, sprach sie auf ihre Reise im vergangenen Jahr nach Florida an, von der sie auch Bilder hochgeladen hatte.

„Ich war erst mal stutzig, aber die Nachricht war sehr höflich und in einem schönen Englisch geschrieben“, erinnert sie sich. Also bedankte sich die 34-Jährige ebenfalls höflich und hakte die Nachricht ab. „Ich dachte, damit hat sich das erledigt.“ (Lesen Sie hier: Love-Scammer - Junge Frau verliert fünfstellige Summe an Betrüger im Internet)

Fulda: Junge Frau kommt Love-Scammer auf die Schliche: Betrüger-Bande aus Ghana spielt „Julien“

Aber Julien schrieb weiter. Erkundigte sich am nächsten und auch am übernächsten Tag nach ihr, meldete sich nahezu täglich wieder. „Ich hab’ gedacht, was will der denn?“, sagt Louisa. Aber irgendwie war das Gespräch auf Instagram mit ihm auch nett, er verfolgte aufmerksam die Dinge, die sie ihm erzählte, und ging darauf ein. „Das alles hat mir ein schönes Gefühl gegeben. Er war wertschätzend und interessiert.“

Das höfliche Gespräch kippte aber schnell um in Aussagen wie: „Ich habe heute an dich denken müssen“ oder „Wenn wir uns sehen, haben wir Sex“. Und Louisa, die schon oft etwas über das sogenannte Love-Scamming gehört hatte, bei dem am anderen Ende jemand sitzt, der versucht, seinen Gesprächspartner zu bezirzen und abzuzocken, wurde immer stutziger.

„Irgendwann gab es sogar Postings auf seinem Profil, die auf unsere Gespräche abzielten.“ Zum Beispiel nannte er sie in den Nachrichten immer „mein blonder Engel“ und schrieb dann unter ein Foto, das ihn in einer Bar zeigt: „Habe Anfang des Jahres einen Engel kennenlernt und bin deswegen so glücklich.“ Auch Videos, die er ihr schickte, beinhalteten ihren Namen, den Typen musste es also wirklich geben.

Louisa erzählte ihren Freundinnen davon und deren Urteil war deutlich: Mit dem stimmt was nicht. Auch wenn sein Profil bei oberflächlicher Betrachtung vermuten ließ, Julien sei ein erfolgreicher Jungunternehmer: Seine Bilder wurden von vielen Männern mit Firmen-Accounts gelikt, er posierte auf seinen Fotos an Plätzen, an die man als Normalbürger nicht kommt.

Louisa aus Fulda will Betrüger überführen - Julien kommt eigentlich aus Ghana

Und das, was er schrieb, schmeichelte Louisa. Oft erwischte sie sich dabei, wie sie in sich hineingrinste. Aber sie wusste eben, dass es dieses „Love-Scamming“ gibt. Im Polizeipräsidium Osthessen sind im vergangenen Jahr insgesamt 31 „Love-Scamming“-Fälle angezeigt worden – die Dunkelziffer dürfte höher sein, weil nicht jeder Fall bei der Polizei landet. „Bei den angezeigten Fällen ist ein Vermögensschaden von rund 250.000 Euro entstanden“, sagt Kriminalhauptkommissar und Pressesprecher Dominik Möller.

„Wenn er mit mir schreibt, schreibt er mit keiner anderen, die womöglich drauf reinfällt“, hat Louisa gedacht. Nach acht Wochen kam dann die Nachricht, mit der die Fuldaerin eigentlich schon viel früher gerechnet hatte: „Julien schrieb mir, dass in sein Auto eingebrochen wurde. Er habe alle seine Konten sperren lassen müssen, und es war irgendwie eine Woche lang Drama“, erzählt die 34-Jährige.

Schließlich habe sich auch seine Art und Weise zu schreiben geändert und er bat sie, ein Konto für ihn zu eröffnen. „Und jetzt ist’s passiert“, dachte Louisa. „Lass uns heute Abend mal facetimen“, schrieb sie ihm und stellte zwei Fragen: „Ich wollte von ihm wissen, ob er mich jemals angelogen hat und wer er wirklich ist.“ Julien habe erst eine Menge Ausflüchte gesucht. „Aber dann hat er die Wahrheit gesagt und mir vieles von dem System erzählt, mit dem er arbeitet.“

Video: Betrug durch Love-Scamming - So wurde diese Münchnerin abgezockt

Julien komme eigentlich aus Ghana. Dort lebe er zusammen mit zehn anderen Männern in einem Haus – und ihr Job ist der Internetbetrug. Der Typ auf den Fotos bei Instagram sei nicht er, sondern sein Boss, der in Großbritannien lebe und von da aus eine Menge Profile zum Betrügen in den Sozialen Netzwerken unterhalte. Bespielt würden sie von den Männern, die in Ghana für ihn arbeiten und deren Aufgabe sei eigentlich nicht das Love-Scamming, das Julien versucht hatte anzuwenden, sondern Betrug mit Kryptowährung.

„Der Chef gibt den Jungs also den Auftrag, über das Internet Menschen dazu zu bewegen, in sie zu investieren. Und das machen viele aufgrund der scheinbar wohlhabenden Typen, die sie da anschreiben.“ Betrug mit Kryptowährung ist schon lange nicht mehr neu. Die Akteure bitten ihre Opfer darum, sogenannte Bitcoins an sie zu überweisen, die sie daraufhin später mit dem doppelten Wert zurückgezahlt bekommen würden. Louisa geht davon aus, dass der Mann, mit dem sie geschrieben hat, wohl dachte, dass er auch Zeit in eine Frau investieren könne, wenn er sowieso schon damit beschäftigt sei, Betrugsmaschen zu inszenieren.

Mit dem, was Louisa aus Fulda auf ihrem Instagram-Account Anfang des Jahres erlebt hat, will sie andere Frauen wachrütteln. „Eigentlich habe ich nie verstanden, wie jemand auf so etwas reinfallen kann.“ Aber jetzt habe sie Verständnis dafür, dass jemand, der sich danach sehnt, dass da jemand ist, der sich einfach nur nach einem erkundigt, auf einen solchen Betrug hereinfällt.

Auch interessant