Steuererklärung statt Gedichtanalyse: Marianum-Schüler beschäftigen sich mit Alltagsthemen

Keine Ahnung von Steuern, Miete oder Krediten? Der Zukunftstag brachte bei den Marianum-Schülern Licht ins Dunkle. Die Zwölftklässler wollen Steuern und Co. im Lehrplan, dem Kultusministerium ist das aber zu kurz gedacht.
Fulda - „Ich bin fast 18, hab‘ keine Ahnung von Miete, Steuern und Versicherungen. Aber ich kann eine Gedichtsanalyse schreiben. In vier Sprachen.“ Die Kölner Schülerin Naïna Kümmel hat bereits 2015 in den sozialen Netzwerken den Nerv vieler Schülerinnen und Schüler getroffen. Nach dem Abschluss werden die meisten ins kalte Wasser geschmissen und müssen sich sofort mit dem Erwachsenenleben auseinander setzen.
Fulda: Marianum-Schüler beschäftigen sich einen Tag lang mit Alltagsthemen
Aus diesem Grund hat die Initiative für wirtschaftliche Jugendbildung den Zukunftstag ins Leben gerufen. Am Dienstag durften sich die zwölften Klassen des Marianums in Workshops zu Steuern, Finanzen und der ersten eigenen Wohnung weiterbilden. (Lesen Sie hier: 17-Jährige aus Künzell diskutiert mit Steinmeier - Konrad-Adenauer-Schule zu Gast bei Podiumsdiskussion)
Alles rund um die erste eigene Wohnung haben Geschäftsführer Pascal Weß und Immobilienberaterin Sofie Hentschel von VR Immobilien Fulda erklärt: Wie finde ich eine Wohnung und wie finanziere ich diese? Die Kaltmiete in Fulda schwanke zwischen sieben und 15 Euro pro Quadratmeter, in Studentenstädten steige der Preis pro Quadratmeter auf mehr als 20 Euro, so Weß.
Er gibt den Tipp: „Ihr solltet maximal 40 Prozent eures Gehalts für die Wohnung ausgeben.“ Aber wie finden die Abiturienten überhaupt eine Wohnung, und mit welchen Fragen des Vermieters müssen sie rechnen? Pascal Weß steht hinter dem Konzept des Zukunftstags: „Das ist ein Standard, der zwingend an Schulen eingeführt werden sollte.“ Dank interaktiver Einheiten war von Frontalunterricht keine Spur.
Schüler finden Zukunftstag sinnvoll: „Das braucht man fürs Leben“
Mit im Programm waren Finanzberaterin Sonja Dehler für die Deutsche Bank in Frankfurt sowie Wirtschaftsprüfer Michael Herber und Steuerberater Christian Manger der Herber-Niewelt-Witzel-Partnerschaft-Steuerberatungsgesellschaft. „Wir machen das, damit die Schüler sehen, wie verschiedene Rädchen ineinander greifen“, so Herber.
Die 18-jährige Schülerin Neele Wilhelm findet den Zukunftstag sinnvoll, hat aber auch einen Verbesserungsvorschlag: „Ich fände es gut, wenn es solche Themen konstant als Schulfach geben würde, anstatt alles an einem Tag zu lernen.“ Sofie Huder würde kein neues Fach einführen, sondern die Themen in Politik und Wirtschaft integrieren. Jessica Klug ist sich aber sicher: „Das braucht man fürs Leben.“
Für Lehrer Guido Günther ist der Zukunftstag ein persönliches Anliegen: „In meiner eigenen Schulzeit habe ich so etwas nicht gelernt.“ Der Ehrenamtler Moritz Junge hat den Zukunftstag am Marianum koordiniert: „Das ist der Crashkurs fürs Leben.“ Besonders wichtig sei ihm, dass der Zukunftstag sich von jeglicher Werbung distanziere. Am Ende des Tages konnte jeder der Schülerinnen und Schüler auf Fragebögen seine Rückmeldungen geben.
Schüler in Fulda erhalten Tipps für Wohnungssuche und Co.
Philipp Bender, stellvertretender Pressesprecher des hessischen Kultusministeriums, kennt die Diskussion um die Änderung des Lehrplans, sagt allerdings auch: „Schule kann nicht das leisten, was Gesellschaft leistet“, und ergänzt: „Der Gedanke ist nicht verkehrt aber zu kurz gedacht.“
Der Aufwand der Lehrplanänderung sei enorm: Neben regelmäßigen Fortbildungen brauche es zudem erst einmal Lehrkräfte und Platz im Lehrplan. Außerdem sollten die Schüler nicht bis abends in der Schule sitzen. Trotzdem sei das Thema im Kultusministerium immer wieder im Gespräch: „Wenn überhaupt, starten wir mit einem Pilotversuch: langsam, regelmäßiges Feedback und über mehrere Jahre.“ (von Anne Burkard)