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Immer mehr Medikamente werden knapp: Fuldaer Apotheker schlagen Alarm

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Von: Sabrina Mehler

Vom Fiebersaft für Kinder bis zur Tablette für Blutdruck-Patienten: In osthessischen Apotheken sind viele Medikamente knapp. Das führt zu Stress bei den Mitarbeitern, die sich täglich nach Alternativ-Arzneien umschauen müssen.

Fulda - Viele Arzneien sind derzeit Mangelware – das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte listet aktuell mehr als 300 Produkte auf, für die pharmazeutische Unternehmen Lieferengpässe gemeldet haben. Schon seit Sommer dieses Jahres ist es für Eltern kranker Kinder schwierig, Fiebersäfte mit den schmerzlindernden Wirkstoffen Paracetamol oder Ibuprofen zu bekommen. Der Inhaber der Engel-Apotheken in Fulda etwa war deshalb bereits in die Eigenherstellung gegangen.

Die Situation hat sich seitdem aber nicht nur nicht gebessert, sondern der Mangel hat sich auch auf alltägliche Mittel für Erwachsene ausgeweitet: Blutdrucksenker, Insulin, Antibiotika, Asthmamittel und viele weitere. Die Apotheker sind in Sorge und haben kaum Hoffnung, dass die Versorgung in absehbarer Zeit wieder anläuft.

Fulda: Medikamenten-Mangel - Apotheker schlagen Alarm

Das bestätigt die Apothekerin Dr. Marion Wagner aus Fulda, die unter anderem Inhaberin der Aschenberg-Apotheke und der Apotheke im Zitronenfalter ist. „Schon seit Längerem sind Fiebersäfte schwer zu bekommen, und mittlerweile gilt das auch für Fieberzäpfchen.“ Diese konnten bisher immerhin als Alternative zur Behandlung von fiebernden Kindern ausgegeben werden.

Und auf der Liste der knappen Medikamente steht noch mehr: Schleimlöser für Kinder, ebenso Blutdruckmittel und Magenschutzmittel für Erwachsene, zählt Marion Wagner auf. „Aber das wechselt von Tag zu Tag. Wir sind jeden Morgen aufs Neue gespannt, welche Produkte nicht zur Verfügung stehen“, sagt die Apothekerin, die besorgt ist. „Die Situation wird sich auf absehbare Zeit nicht entspannen.“

Die Nachfrage der Apotheken sei bei Weitem höher als die Hersteller zu liefern imstande seien. Und das führe zu einem enormen Arbeitsaufwand der Mitarbeiter: „Wir sind sehr damit beschäftigt zu schauen, wer uns welche Mittel noch liefern könnte.“ Oder welche Alternativen es gibt: „Meistens gibt es mehrere Möglichkeiten, aber wie im Fall der Fiebersäfte eben nicht immer.“

Apotheker kritisieren Krankenkassen für Preispolitik

Für den Mangel gibt es viele Ursachen, für jedes Medikament stellen sich diese anders dar. Einen Hauptverursacher der Medikamenten-Krise sieht der Hessische Apothekerverband in den Krankenkassen, die mit ihrer rigiden Preispolitik Hersteller dazu zwängen, in Billiglohnländern zu produzieren. Dort aber sind die Lieferketten instabiler und anfälliger. Und manche Produzenten ziehen sich aus der Herstellung bestimmter Medikamente ganz zurück, erklärt der Verbandsvorsitzende Holger Seyfarth.

Auch Eugen Roth, Apotheker in der Hirsch-Apotheke in Hünfeld, mutmaßt: „Die Krankenkassen haben mit ihrer Preispolitik sicher ihren Teil zum Problem beigetragen.“ Einen Fiebersaft herzustellen sei „keine Hexerei“: „Wäre das lukrativ, würden sich mehrere Unternehmen darum bemühen.“ Doch mittlerweile gibt es mit Ratiopharm nur noch ein einziges Produkt, und der Hersteller 1a Pharma kommt mit Produktion und Lieferung nicht mehr hinterher.

Insgesamt sei der Markt „sehr, sehr angespannt“, erklärt Roth. Glücklicherweise sei man in der Lage, Alternativen anzubieten: „Das kommt aber auch darauf an, wie flexibel die Kunden sind.“ Wer darauf besteht, ein Medikament eines bestimmten Herstellers zu erhalten und wer nicht auf ein anderes Mittel trotz gleicher Wirkstoffe und Dosierung umsteigen möchte, für den wird es schwierig. Beispielsweise kann der Hünfelder Pharmazeut darüber berichten, dass Penicillin-Tabletten nur schwer zu bekommen sind: „Aber dann können wir auf andere Antibiotika ausweichen.“

Eine Apothekerin steht in einer Apotheke vor einer ausgezogenen Medikamenten-Schublade.
Der Medikamenten-Mangel bringt Apotheker deutschlandweit in die Bredouille. (Symbolfoto) © Friso Gentsch/dpa

Auch wenn Roth daher Entwarnung gibt, sagt er: „Für ein hochindustrielles Land wie Deutschland ist das eine Katastrophe.“ Impfstoffe in Milliardenzahl könnten hergestellt werden, aber am Fiebersaft scheitere es. „Wer soll denn das glauben?“, fragt Roth.

Auch er berichtet von einer erheblichen Mehrarbeit, denn fast immer sei eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erforderlich, wenn ein anderes, ähnliches Produkt angeboten werde: „Und das klappt auch nicht immer sofort.“ An all diesen Bemühungen verdiene die Apotheke nichts. „Man macht das nur, um seine Patienten ordnungsgemäß versorgen zu können.“

Lieferengpässe bei Medikamenten: Klinikum Fulda aktuell nicht betroffen

Eine erfreuliche Nachricht kommt immerhin aus der Fuldaer Pacelliallee: „Im Klinikum sind wir aktuell nicht von Lieferengpässen bei Medikamenten betroffen“, sagt Prof. Dr. Roland Radziwill, Direktor der Krankenhaus-Apotheke. „Nicht zuletzt aufgrund langfristig vorausschauender Planungen können wir die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten vollumfänglich sicherstellen.“

Auch Radziwill erklärt, dass auf wirkungsgleiche Arzneimittel anderer Firmen ausgewichen werden könne, sollten bestimmte Präparate von bestimmten Firmen nicht zur Verfügung stehen. „Auch Präparate, die bei der Therapie von Schlaganfall und Herzinfarkt eingesetzt werden, können durch eine strikte und vorausschauende Kontingentierung immer in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden“, beruhigt Radziwill.

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