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Ohne Alkohol keine Tat? - Gutachter hält Angeklagten im Messerstecher-Prozess für vermindert schuldfähig

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Von: Suria Reiche

Justitia in Ulm
Ein 53-Jähriger muss sich vor Gericht verantworten, weil er seine Ex-Freundin mit zwei Messerstichen schwer verletzt haben soll. (Symbolbild) © Stefan Puchner/dpa

Er soll seine ehemalige Lebensgefährtin beleidigt, bedroht und mit einem Messer angegriffen und verletzt haben. Dafür muss sich ein 53-Jähriger gerade vor dem Fuldaer Landgericht verantworten. Am Mittwoch wurden die Gutachten gehört.

Fulda - Unter anderem wurde das psychiatrische Gutachten erwartet, das besagt, ob der Angeklagte schuldfähig ist oder nicht. Dem 53-Jährigen wird unter anderem vorgeworfen, seine Ex-Freundin im September vergangenen Jahres vor ihrer Arbeitsstelle in Fulda abgefangen zu haben, um ihr dann mit einem Messer mit 11,5 Zentimeter langer Klinge in Hals und Brust zu stechen. Erst als sie gesagt habe, er solle an ihre Kinder denken, habe er von ihr abgelassen und einen Rettungswagen gerufen.

Es sei ein Wunder, dass die Verletzungen, die er ihr zugefügt hat, keine stark blutenden Gefäße verletzt haben und sie nicht verblutet ist, war in einem der Gutachten zu hören. Dennoch habe eine potenzielle Lebensgefahr bestanden, sagte ein Arzt des Klinikums Fulda vor dem Landgericht. Er habe das Opfer zwar nicht selbst behandelt, jedoch die Dokumentation seiner Kollegin studiert und war daher sicher, dass die CT-Aufnahmen Lufteinschlüsse erkennen ließen, die die beiden Stichverletzungen belegen.

Fulda: Messerangriff auf Ex-Freundin - Angeklagten vermindert schuldfähig?

Auf die Frage von Richter Josef Richter, ob die Verletzungen lebensbedrohlich gewesen seien, antwortete der Arzt genau wie der Sachverständige, der als nächstes gehört wurde, dass das Messer gerade so an der Hauptschlagader vorbeigegangen sei. Hätte es sie getroffen, hätte in jedem Fall eine Lebensgefahr bestanden. So sei es lediglich eine potentielle gewesen.

Der Angeklagte soll zum Zeitpunkt der Tat alkoholisiert gewesen sein. Wie so oft in den Tagen davor. Gründe dafür könnten laut dem Sachverständigen Dr. Dieter Jöckel etwa die On-Off-Beziehung mit seinem späteren Opfer und die Bedrohungen gegen ihn, die von „ihrem neuen syrischen Freund“ ausgegangen sein sollen, sein.

Während der bisherigen Verhandlung hatte es immer so ausgesehen, als sei der 53-Jährige seinetwegen eifersüchtig gewesen, habe das Aus der Beziehung mit seinem Opfer nicht akzeptieren wollen.

Hätte Angeklagter ohne Alkohol nicht zugestochen?

Die Aussagen von Jöckel warfen ein neues Bild auf die Tat: Seinen Worten nach habe der Angeklagte bei seiner ehemaligen Lebensgefährtin lediglich sexuelle Befriedigung gesucht. „Eigentlich wollte er nichts von ihr und hat lediglich aus Mitleid mit ihr geschlafen“, sagte der 51-Jährige. Zudem ist der Angeklagte verheiratet. In der Beziehung mit seiner Ehefrau habe es jedoch Streitigkeiten gegeben, das Paar habe aber wieder zusammenziehen wollen, wenn die Tat im September nicht passiert wäre, wegen der er nun vor Gericht steht.

Diese habe sich wohl unter anderem deswegen zugetragen, weil das Opfer des Angeklagten ihn auf das Annäherungsverbot aufmerksam gemacht hat, das gegen ihn bestand, und ihn damit verärgert habe. „Er ist generell nicht gewaltbereit“, so Jöckel, der in Nordhessen als Facharzt für Psychiatrie in einer Klinik für die Behandlung psychisch kranker Straftäter arbeitet.

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Er hält den 53-jährigen Angeklagten in vermindertem Maße für schuldfähig, weil er zum Tatzeitpunkt unter Alkoholeinfluss gestanden habe. „Wäre er nicht berauscht gewesen, dann hätte er die Tat nicht begangen“, ist sich Jöckel sicher.

Verteidiger Rudolf Karras stellte jedoch in Frage, ob der Angeklagte nicht vielleicht unter einer Paranoia oder einem Verfolgungswahn gelitten habe, weil er Angst gehabt habe, vom neuen Freund seiner ehemaligen Lebensgefährtin bedroht zu werden. Beides sah Jöckel nicht. Allenfalls eine Übersprunghandlung könne er sich vorstellen. Demnach habe der Angeklagte nicht seine Ex-Freundin, sondern ihren neuen Freund verletzen wollen.

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