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Messerattacke im Schlossgarten: Zeugen geben Einblicke in Persönlichkeit des Angeklagten (19)

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Von: Suria Reiche, Sabrina Mehler

War die Messerattacke im Schlossgarten Fulda versuchter Totschlag? Das Gericht befragte Zeugen. Polizisten sagten, dass der Angeklagte Sanitäter werden wollte.
War die Messerattacke im Schlossgarten Fulda versuchter Totschlag? Das Gericht befragte Zeugen. Polizisten sagten, dass der Angeklagte Sanitäter werden wollte. © Emilia Krack

War die Messerattacke im September 2021 im Schlossgarten in Fulda versuchter Totschlag? Das Gericht versuchte am Mittwoch bei der Befragung von Zeugen Licht ins Dunkel zu bringen. Das gelang aber nur eingeschränkt.

Fulda - Der heute 19 Jahre alte Angeklagte hatte schon während eines vorherigen Verhandlungstags gestanden, mit einem Messer von hinten auf seinen früheren Freund eingestochen zu haben. Er habe ihn verletzen, aber auf keinen Fall töten wollen, hatte der junge Mann in seinem Geständnis vor der Jugendkammer des Landgerichts Fulda betont.

Am dritten Verhandlungstag am Mittwoch (9. Februar 2022) wurden nun fünf junge Menschen als Zeugen befragt, die bei der Tat im Schlossgarten in Fulda anwesend waren und entweder mit dem Angeklagten oder dem 18 Jahre alten Opfer befreundet sind. Zweimal war am 27. September 2021 einem 18-Jährigen mit einem Messer in die Schulter und den Rücken gestochen worden.

Das Gericht unter Vorsitz von Richter Joachim Becker sowie Oberstaatsanwältin Dr. Christine Seban, Nebenklage-Vertreter Knut Hillebrand und Verteidiger Jörg-Thomas Reinhard versuchten insbesondere folgende Details herauszubekommen: War der Angeklagte zur Tatzeit betrunken? Welcher der Freunde hat genau beobachtet, wie er zugestochen hat? Hat er beim Weglaufen zurückgeblickt auf das, was er getan hat?

Fulda: Messerattacke im Schlossgarten - ist Angeklagter passiv-aggressiv?

Doch einmal mehr wurde deutlich, wie schwierig die Wahrheitsfindung vor Gericht sein kann: Denn zum einen sind die Erinnerungen einiger Zeugen mehr als vier Monate nach der Tat lückenhaft. Zum anderen hatten einige der Anwesenden erst später realisiert, dass der Angeklagte seinen ehemaligen Freund nicht etwa – wie viele zunächst meinten – zur Begrüßung auf die Schulter geklopft, sondern ihn mit einem Klappmesser erheblich verletzt hatte. 

Ein Zeuge berichtete, wie der Angeklagte zu der Gruppe im Schlossgarten gestoßen sei und unmittelbar zugestochen habe: erst knapp unter der Schulter des Opfers, dann von hinten in den Torso. Der Verletzte sei „hysterisch“ geworden: „Er sagte, dass er Angst um sein Leben hat.“ Der 24-Jährige, der Rettungssanitäter ist und Erste Hilfe geleistet sowie den Notarzt verständigt hatte, berichtete von einer mittelstarken Blutung. 

Fulda: Messerattacke im Schlossgarten - Angeklagter schaute nach der Tat „verwirrt“

Ein 20-Jähriger erklärte vor Gericht, dass der Angeklagte offensichtlich betrunken gewesen sein müsse: Er sei schwankend gelaufen, habe gelallt und sei möglicherweise depressiv gewesen. „Er war neben der Spur.“ Nach den Stichen habe er „irgendwie verwirrt“ geguckt, so als sei ihm die Tat erst dann bewusst geworden.

Ähnlich wie der schwer Verletzte: „Der ist aufgeschreckt und von der Bank aufgestanden. Er hat zunächst gar nicht verstanden, was passiert ist.“ Eine 20-Jährige, die neben dem Angeklagten auf der Bank gesessen hatte, berichtete vor Gericht von einem „schlechten Sichtfeld“. Gesehen habe sie daher nicht viel.

Später habe sie im Gesicht des Angeklagten aber „Reue“ erkennen können, erklärte sie. Die letzte Aussage einer 16-Jährigen, die 2021 zeitweise mit dem Beschuldigten liiert war und ebenfalls im Schlossgarten war, konnte zwar ebenfalls nur wenig zum Tatgeschehen sagen.

Fulda: Messerattacke im Schlossgarten - Täter-Opfer-Ausgleich in Höhe von 6000 Euro

Sie gab aber einen Einblick in die Persönlichkeit des 19-Jährigen. Er habe fast jeden Tag getrunken und sei „teilweise passiv-aggressiv“ gewesen. Einmal habe er sie geschlagen. Dass er auf jemanden einsticht, habe sie aber nicht erwartet, antwortete sie auf die entsprechende Frage von Richter Becker. 

Zwei Zeugen, die ebenfalls geladen worden waren, konnten wegen einer Corona-Erkrankung nicht kommen. Am zweiten Verhandlungstag war bekannt geworden, dass bereits einen sogenannten Täter-Opfer-Ausgleich in Höhe von 6000 Euro gegeben. Diese Summe wurde von der Familie des Angeklagten an den Nebenklage-Vertreter überwiesen. Dieser leitete das Geld an das Opfer weiter.

Polizeibeamte hatten am zweiten Verhandlungstag (8. Februar 2021) ausgesagt, dass der Angeklagte an einer Bushaltstelle in der Leipziger Straße gesessen habe, als er aufgegriffen wurde - ohne Schuhe und mit Wunden an den Handgelenken. Er sei widerstandslos mit den Polizisten mitgegangen

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Auf der Fahrt zum Krankenhaus im Krankenwagen habe der damals 18-Jährige verraten, dass er Rettungssanitäter werden wollte, er habe auch schon ein Praktikum im Rettungsdienst gemacht, jedoch werde aus seinem Berufswunsch wohl nichts, weil er schon vorher strafrechtlich aufgefallen war. Darüber hinaus sei er sehr freundlich gewesen, sagte die Polizistin aus.

Den hohen Alkoholspiegel, den der Angeklagte zum Tatzeitpunkt gehabt hat, habe man ihm am Tattag nicht angemerkt, sagten die Beamten unisono. Der junge Mann habe der Situation folgen können, schnell erzählt, was passiert war und von selbst eine Polizistin, die auf der Fahrt ins Krankenhaus neben ihm saß, gefragt, welches Strafmaß auf ihn zukommen könnte. 

Die Befragung von weiteren Zeugen soll am Dienstag, 15. Februar, fortgesetzt werden. 

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