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Niedrigwasser bringt Ökosystem durcheinander - „Junge Forellen schaffen es nicht“

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Von: Daniela Petersen

Fluss Fulda Langebrückenstraße
Dieses Foto entstand am Dienstag (16. August) unter der Brücke in der Langebrückenstraße. Die Fulda ist kaum noch als fließendes Gewässer zu erkennen. © Jonas Wenzel

Nicht nur für die Schifffahrt ist Niedrigwasser ein Problem. Die sinkenden Pegelstände bringen auch in kleineren Gewässern wie der Fulda, der Kinzig oder der Haune das Ökosystem durcheinander. 

Region - Die Zahlen zeigen es deutlich: Normalerweise fließen im August 7450 Liter pro Sekunde an einer Messstelle der Fulda bei Bad Hersfeld vorbei. Momentan sind es gerade einmal 2650 Liter pro Sekunde. Das führt das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) in seinen Tabellen aus.

Fulda: Niedrigwasser stört Ökosystem der Flüsse - Forellen stark betroffen

Insgesamt wertet die Umweltbehörde 110 Pegel in ganz Hessen aus. „Bei diesen 110 Pegeln messen wir derzeit an 85 Niedrigwasser“, erklärt Cornelia Löns-Hanna. Sie arbeitet als Bauoberrätin für Wasserwirtschaft beim HLNUG. Bei der Bewertung, ob ein Gewässer Niedrigwasser führt, sei vor allem der Durchflusswert interessant. „Diese Angabe hat mehr Aussagekraft als die Wasserstände, die zum Teil stark schwanken und beispielsweise auch dadurch zustande kommen können, weil sich ein Aufstau durch Pflanzen gebildet hat.“

So führt die Haune an der Messstelle Melzdorf aktuell (16. August) etwa 0,083 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Wert im August liegt nach Angaben der Umweltbehörde bei 1,26 Kubikmetern Wasser pro Sekunde; der niedrigste Wert von 0,05 Kubikmetern pro Sekunde wurde im August 1990 gemessen.

Auch die Wassermenge in der Kinzig liegt an der Messstelle Hanau (Main-Kinzig-Kreis) mit einem aktuellen Wert von 1,8 weit unter dem durchschnittlichen Wert von 3,73 Kubikmetern Wasser pro Sekunde im August.

Dass es in den Sommermonaten zu niedrigen Durchflusswerten bei den Gewässern kommt, sei nicht ungewöhnlich: „Trockenperioden gab es auch schon vor 100 Jahren. Allerdings sieht es so aus, dass die Trockenjahre in letzter Zeit häufiger auftreten. 2018 war ein trockenes Jahr, 2020 ebenfalls und jetzt wieder“, erklärt die Expertin. Das aktuelle Jahr sei in puncto Trockenheit mit 2018 vergleichbar. „Allerdings hat die Niedrigwasserperiode in diesem Jahr bereits im Mai begonnen, 2018 fing es erst im Juni an und zog sich fast bis Dezember.“

Wir können die Fulda schon seit drei Wochen nicht mehr unter der Brücke der Langebrückenstraße befahren.

Eckard Schadwald, Wanderwart beim Kanu-Club-Fulda

Weniger Wasser in den Flussbetten hat auch Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt: „Der Lebensraum wird kleiner, Fische wandern dann flussabwärts, wo meist mehr Wasser vorhanden ist“, erklärt Löns-Hanna. Sinken die Pegelstände, dann folgt ein ganzer Rattenschwanz: Die Strömungsgeschwindigkeit wird geringer, und es kann zu Ablagerungen kommen.

Hinzu kommt, dass sich das Wasser durch die Sonneneinstrahlung stärker erwärmt und sich die Temperatur erhöht. Das führt dazu, dass der Sauerstoffgehalt im Wasser abnimmt, weil warmes Wasser weniger Sauerstoff binden kann als kaltes. Wasserinsekten, Krebstiere, Muscheln und Fische haben dann weniger Sauerstoff zum Atmen und verbrauchen durch schnelleres Atmen mehr Energie – was wiederum zu Stress führt.

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Vor allem für Forellen, die sauerstoffreiches Wasser brauchen und sich am besten bei 14 Grad kaltem Wasser entwickeln, kann das zum Problem werden. (Lesen Sie auch: Im Edersee wird das Wasser knapp - zum vierten Mal in fünf Jahren)

„Im Sommer 2018, der sehr trocken war, haben es viele junge Forellen nicht geschafft. Das wird auch in diesem Jahr wieder passieren“, erklärt Biologe Christoph Dümpelmann. Er ist Experte für Fischbiologie und Gewässerökologie in Marburg. Junge Forellen seien empfindlicher als die älteren Tiere und bräuchten noch mehr Sauerstoff. „Wenn sie sich bei niedrigem Wasser in einzelne Ecken zurückziehen, kann es außerdem vorkommen, dass sie von den größeren Forellen gefressen werden.“

Fallen Uferbereiche trocken, haben es auch andere Fressfeinde leichter: „Hier ist der Waschbär ein Beispiel, der bei Niedrigwasser zu einer großen Gefahr für einheimische Muscheln werden kann, welche er in abgesenkten Wasserständen findet und frisst.“

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Dass nach 2018 und 2020 nun wieder ein Jahr mit extremer Trockenheit folgt, habe in den Gewässern zwar noch zu keiner großen Veränderung geführt, Tendenzen seien aber erkennbar, wie Dümpelmann sagt.

Er geht davon aus, dass sich die Zusammensetzung der Lebewesen verändern wird: „Sauerstoff-empfindliche Arten – in der Fulda sind das zum Beispiel Bachforellen und Äschen – werden weniger, wohingegen sich Welse und andere wärmeliebende Arten stärker ausbreiten. Einige Fischarten wie die Kleinfischarten Bitterling und Steinbeißer, die das warme Wasser gut finden, werden davon profitieren“, erklärt Christoph Dümpelmann.

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