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Mangel an Pflegekräften: So angespannt ist die Lage in den Kliniken

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Auf den Intensivstationen in Hessen gibt es auch ohne Corona viel zu tun. Die Pflege von Covid-Patienten fordert daher das dort ohnehin stark belastete Personal noch zusätzlich.
Auf den Intensivstationen in Hessen gibt es auch ohne Corona viel zu tun. Die Pflege von Covid-Patienten fordert daher das dort ohnehin stark belastete Personal noch zusätzlich. © Waltraud Grubitzsch/dpa

Fast zwei Jahre Corona-Pandemie haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Klinikstationen in Fulda und im Main-Kinzig-Kreis ausgelaugt. Das Coronavirus traf auf eine ohnehin schon fragile Personaldecke.

Fulda/Main-Kinzig-Kreis - Die Personallage in hessischen Krankenhäusern spitzt sich zu. Die Dauerbelastung durch die Corona-Pandemie und die steigenden Infektionszahlen führen dazu, dass Kliniken zunehmend um Pflegepersonal kämpfen müssen. Auch im Main-Kinzig-Kreis ist die Situation derzeit angespannt: „Der bundesweite Pflegekraftmangel ist auch in unseren Häusern spürbar“, sagt Dieter Bartsch, Geschäftsführer der Main-Kinzig-Kliniken.

Dies gelte besonders in einer Situation, in der sich die Arbeitsintensität durch die Pandemie nochmals deutlich erhöht habe. „Wir sind uns dieser Herausforderung bewusst und begegnen dieser mit umfassenden strukturellen und inhaltlichen Maßnahmen“, ergänzt Bartsch.

Fulda: Belastung durch Corona - Kliniken kämpfen um Pflegepersonal

An der klinikeigenen Akademie für Gesundheit sollen „möglichst viele junge Menschen, die die sich für den Pflegeberuf interessieren, erfolgreich durch die anspruchsvolle und praxisorientierte Ausbildung“ begleitet werden. Darüber hinaus seien die Main-Kinzig-Kliniken bemüht, die Attraktivität des Pflegeberufes auch längerfristig aufrechtzuerhalten. Denn: „Die Entwicklung der Pflegenden endet nicht nach der Examinierung“, betont der Geschäftsführer.

Neben der Förderung von Fort- und Weiterbildungen, setze man auf kurze Kommunikationswege, die Möglichkeit zur Verantwortungsübernahme und die Einbindung in Entscheidungsprozesse, um zur Arbeitszufriedenheit beizutragen. „Zudem ermöglichen wir eine individuelle Dienstplanung, welche nicht nur die Anforderungen der Abteilung, sondern auch die Bedürfnisse der Mitarbeitenden berücksichtigt“, berichtet Bartsch.

Der Geschäftsführer spricht noch ein weiteres Problem an: „Wird von Fachkräftemangel gesprochen, wird meist allein die Anzahl der Beschäftigten betrachtet. Um die Realität vollumfänglich abzubilden, ist aber ein weiterer Aspekt entscheidend: der Inhalt der täglich zu leistenden Tätigkeit.“

So führe die ständig zunehmende Anzahl bürokratischer Vorgaben unter anderem dazu, dass Pflegefachkräften weniger Zeit am Patientenbett zur Verfügung stehe. Diese sei „ein eindeutig limitierender Faktor im Hinblick auf die personellen Kapazitäten“. Hier müsse laut Bartsch von politischer Seite gegengesteuert werden.

Und wie ist die Situation in Fulda? Die Pressesprecherin des Klinikums Fulda, Barbara Froese, verweist auf die Belastungen im Zuge der Corona-Pandemie. „Im Klinikum Fulda haben wir seit Beginn der Pandemie zahlreiche Covid-Patienten behandelt“, so Froese. „Die Pflegenden sowie auch die Ärztinnen und Ärzte, die seit bald zwei Jahren in den Covid-Bereichen eingesetzt sind, haben mit viel Engagement Hervorragendes geleistet. Die Arbeit ist anstrengend - körperlich und psychisch.“

Fachkräftemangel in der Pflege: „Markt ist leergefegt“

Dennoch sei im Klinikum Fulda bisher wenig Fluktuation zu verzeichnen, auch auf den Intensivstationen. Die derzeitige Omikron-Welle stelle das Personal allerdings vor neue Herausforderungen: „Aufgrund der hohen Inzidenzen erwarten wir in den nächsten Wochen wieder mehr Covid-Patienten. Auch wenn die Erkrankung mit der Omikron-Variante im Durchschnitt wahrscheinlich weniger schwer verlaufen wird, als mit der Delta-Variante: in Deutschland sind immer noch 3 Millionen Menschen über 60 Jahre nicht geimpft,“ so Froese.

Es sei davon auszugehen, dass vielen Ungeimpften die Omikron-Variante des Coronavirus zusetzen und sie wahrscheinlich ins Krankenhaus führen werde. Für die Versorgung werde dann entscheidend sein, dass nicht zu viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund von Quarantäne oder Isolierung ausfallen.

Aus diesem Grund begrüße das Klinikum Fulda Änderungen der Quarantäne- beziehungsweise Isolierungs-Reglungen, die eine Verkürzung der Abwesenheitszeiten unter bestimmten Bedingungen ermöglichen. „Die Entwicklung der nächsten Jahre haben wir im Blick. Wir vergrößern unsere Ausbildungskapazitäten seit Jahren kontinuierlich und achten darauf, die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden stetig weiter zu verbessern“, betont Froese.

Andere Kliniken in Hessen berichten indes von umfangreichen Mühen, Fachkräfte anzuwerben oder intern aus- und weiterzubilden. „Der Markt ist im wahrsten Sinne des Wortes leer gefegt“, erklärt Frank Steibli, Sprecher des Uniklinikum Gießen und Marburg, das im vergangenen Jahr Kritik der Mitarbeiter wegen einer 5000-Euro-Willkommensprämie für neue Intensivpflegekräfte auf sich gezogen hatte.

Video: Corona: Deutsche Kliniken am Limit

Die Fluktuation sei im Vergleich zum Schnitt der Vorjahre gleich, doch es gebe weniger Neueinstellungen. Die Gewinnung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei „insbesondere für die Intensivpflege und den OP“ deutlich schwerer geworden. Das Klinikum setze bei der Anwerbung auch auf Social Media, Messen und Schulbesuche und habe die Ausbildung von Pflegekräften verstärkt. (Mit unserem Corona-Ticker für Hessen bleiben Sie auf dem Laufenden)

Die Arbeitsbedingungen müssten besser werden, sagt der für Gießen und Marburg zuständige Verdi-Gewerkschaftssekretär Fabian Dzewas-Rehm: Bezahlung, Arbeitszeiten und Verlässlichkeit von Dienstplänen. Es müsse eine ausreichende Zahl von Mitarbeitern eingesetzt werden, um eine gute Pflege sicherzustellen. Gewerkschaftssekretärin Hilke Sauthof-Schäfer verweist auf einen Entlastungs-Tarifvertrag, der an der Berliner Charité erreicht worden sei. Entsprechende Überlegungen gebe es auch für Hessen.

Studien prognostizierten, dass in den nächsten Jahren weit mehr Pflegende altersbedingt ausschieden als junge Menschen neu in die Berufe kämen. „Nach zwei Jahren Pandemie spüren wir die Dauerbelastung der Pflege“, sagt der Direktor der Hessischen Krankenhausgesellschaft, Steffen Gramminger. „Es ist schon jetzt alles auf Kante genäht.“ Mitarbeiter hätten gekündigt, ihre Arbeitszeit reduziert oder sich versetzen lassen – vor allem auf Intensivstationen.

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