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Früh wissen, wann wo die Pegel steigen: Pilotprojekt für Schutz vor Hochwasser im Kreis Fulda

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Von: Hartmut Zimmermann

Fachleute aus Verwaltung und Politik auf der Fliede-Brücke bei Kerzell.
Fachleute aus Verwaltung und Politik auf der Fliede-Brücke bei Kerzell. Dort befindet sich einer der 18 Eichenzeller Messpunkte des Frühalarmsystems. Ende 2023 deckt ein Netz von 200 Sensoren den Landkreis ab. © Hartmut Zimmermann

61 online vernetzte Sensoren in der Region wachen seit Mittwoch in den Gewässern und im Kanalsystem darüber, wie sich die Wasserstände entwickeln. Sie sind das Herzstück des „Starkregenfrühalarmsystems“. Bis Ende 2023 soll es auf den gesamten Landkreis ausgedehnt werden.

Kerzell - Zum Start des Pilotprojekts sind am Mittwoch die Messpunkte in den Gemeinden Burghaun, Ebersburg, Eichenzell und Neuhof eingeschaltet worden. Einer der 18 in der Großgemeinde Eichenzell eingesetzten Sensoren ist an der Fliede-Brücke bei Kerzell angebracht worden – aus gutem Grund: Denn dort, unweit von der Einmündung des Döllbachs in die Fliede ist, wenn der Wasserstand eine gewisse Höhe überschreitet, schon so manches Mal der ganze Talgrund überflutet worden. „Kerzell am See...“ hießen dann mitunter die Bildunterschriften in unserer Zeitung.

Fulda: Pilotprojekt für Schutz vor Hochwasser soll hessenweit wirken

Per Radar misst der rund zwei Meter über dem normalen Fliede-Pegel montierte Sensor den Wasserstand und meldet die Daten in eine Computer-Cloud – und zwar umso häufiger, je unsteter die Messwerte sind. Das tun die übrigen bislang 60 Sensoren ebenso. Sie sind teils an Gewässern, aber auch an heiklen Punkten des Kanalsystems verbaut. Wenn das Projekt Ende 2023 im gesamten Landkreis Fulda aktiv ist, wird es rund 200 Messpunkte geben, die zudem auch aktuell die Niederschlagsdaten sammeln und auswerten.

Die zahllosen, in Echtzeit gemessenen Einzelinformationen werden in dem System zusammengefügt, um so zuverlässige Vorhersagen für die Entwicklung der Pegelstände zu bekommen. Kombiniert werden die Daten mit Informationen des Deutschen Wetterdienstes. So einsteht ein Instrument, das Entwicklungen von Hochwassersituationen vorhersagen kann, bevor die Bäche über die Ufer treten. Hinzu kommt, dass die Technik dank Künstlicher Intelligenz jeden neuen Messwert nutzt, um die Qualität der Vorhersagen zu steigern.

Warnung per App

Wer mit dem Stichwort „Starkregen“ sucht, findet in den App-Stores den entsprechenden Download. Die App bietet – bislang nur für die vier Pilotkommunen – die Möglichkeit, die registrierten Nutzerinnen und Nutzer im Gefahrenfall zu warnen. Zudem kann man sich über Pegelstände und Niederschläge informieren.

Unter starkregen-fulda.de werden zudem Informationen über Hochwasserereignisse gesammelt, um die Messpunkte an den richtigen Stellen zu platzieren.

Die Idee, die in Fulda schon lange vor der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal entwickelt wurde, stieß auch beim Land Hessen auf Interesse. Wiesbaden fördert das Projekt, das auf vielen Ebenen Neuland betritt, mit insgesamt rund 830.000 Euro. Zehn Prozent des Betrags steuert der Landkreis Fulda bei. Nicht nur die hohe Fördersumme unterstreicht die Bedeutung, die man Wiesbaden dem Vorhaben beimisst: Zum Start am Mittwoch war nicht nur Landrat Bernd Woide, sondern auch Digitalministerin Dr. Kristina Sinemus (beide CDU) nach Kerzell gekommen.

Video: Sind Überflutungen auf den Klimawandel zurückzuführen?

Sie sei froh, an diesem ganz praktischen und konkreten Beispiel deutlich machen zu können, wie „Digitalisierung“ den Menschen zugute komme, sagte sie. Das Frühalarmsystem könne keine Katastrophen und Überflutungen verhindern, aber es verschaffe den Betroffenen wie den Rettungskräften einen entscheidenden Vorsprung und Zeit zum Handeln. Das könne Menschenleben retten.

Basierend auf den im Kreis Fulda gewonnenen Erfahrungen soll das System dann auch für die anderen Landkreise Hessens übertragbar sein. (Lesen Sie hier: Start für Starkregen-Frühalarmsystem im Kreis Fulda - Installation in Eichenzell fast beendet)

Ramona-Margarita Rupert, die Leiterin der Unteren Wasserbehörde beim Landkreis, koordiniert das Projekt und stellte die Möglichkeiten, die die Daten und die dazu entwickelte App für Bürger, Verwaltung und Rettungskräfte bieten, vor. Die Wasserbehörde hatte ein interdisziplinäres Team mit Vertretern anderer Behörden sowie der Unternehmen Spekter und Edag zusammengestellt.

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