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Plädoyers im Raserprozess: Staatsanwaltschaft fordert mehr als vier Jahre Haft

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Von: Marcus Lotz

Corona-Bußgeldsachen, Massenverfahren, große Strafprozesse und Personalsorgen - die Justiz in Fulda beklagt aktuell eine Überlastung (Symbolfoto).
Im Raserprozess wirft die Staatsanwaltschaft dem 22-jährigen Angeklagten versuchten Totschlag vor und fordert dafür vier Jahre und neun Monate Haft. (Symbolfoto). © Swen Pförtner/dpa

Im Raserprozess wirft die Staatsanwaltschaft dem 22-jährigen Angeklagten versuchten Totschlag vor und fordert dafür vier Jahre und neun Monate Haft. Die Verteidigung geht hingegen lediglich von fahrlässiger Tötung aus. Sie fordert ein Strafmaß von zwei Jahren und neun Monaten.

Fulda - Was den reinen Tatablauf angeht, waren sich beide Seiten weitgehend einig: Der damals 21-jährige Angeklagte war auf der Flucht vor der Polizei mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit durch die Fuldaer Innenstadt gerast. Dabei erfasste er im Gallasiniring mit seinem BMW eine 71-jährige Frau. Das Opfer erlitt multiple Verletzungen und starb wenige Tage nach dem Unfall an den Folgen eines schweren Schädel-Hirn-Traumas.

Fulda: Plädoyers im Raserprozess - Staatsanwaltschaft fordert über vier Jahre Haft

Zu Beginn des Prozesses in Fulda war die Staatsanwaltschaft davon ausgegangen, dass der Tod der Frau letztlich dadurch eintrat, dass der 21-Jährige sie nach der ersten Kollision bei dem Versuch, seine Flucht fortzusetzen, immer wieder zwischen seinem BMW und einer Mauer eingequetscht hatte.

Der Kfz-Sachverständige hatte das jedoch ausgeschlossen: Zwar sei das Opfer nach dem Zusammenstoß auf die Motorhaube gehoben, schließlich vom Fahrzeug abgerutscht, einige Meter mitgeschleift und im Anschluss teilweise überfahren worden. Jedoch habe der Angeklagte sie nicht zwischen Fahrzeug und Mauer eingequetscht. Zudem hatte eine Rechtsmedizinerin ausgesagt, dass die letztlich tödliche Kopfverletzung auch beim Aufschlag auf dem Gehweg hätte entstehen können.

Oberstaatsanwältin Dr. Christine Seban rückte daher von dem Vorwurf des Totschlags ab, warf dem Angeklagten aber stattdessen versuchten Totschlag vor. „Er musste damit rechnen, dass die Frau entweder links, rechts oder vor seinem Auto lag und gab trotzdem mindestens einmal Gas“, begründete sie den Vorwurf.

Die Staatsanwaltschaft fordert daher vier Jahre und neun Monate Haft. Dabei berücksichtigt ist auch die Gefährdung einer weiteren Frau, die als Zeugin vor Gericht ausgesagt hatte und die sich und ihre einjährige Tochter nur mit einem beherzten Sprung vor dem herannahenden BMW habe retten können. Seban betonte: „Hätte ihn die Polizei ohne Fahrerlaubnis und unter Cannabis-Einfluss am Steuer erwischt, wäre ihm nicht viel passiert. So jedoch ist ein Mensch gestorben, der mit beiden Beinen im Leben stand. Ein weiterer leidet bis heute psychisch unter dem Vorfall. Das alles hat der Angeklagte verursacht, bloß weil er vor der Polizei fliehen wollte.“

Die Polizei ermittelt zu einem Verkehrsunfall am Gallasiniring in Fulda.
Der damals 21-jährige Angeklagte war auf der Flucht vor der Polizei mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit durch die Fuldaer Innenstadt gerast. Dabei erfasste er im Gallasiniring mit seinem BMW eine 71-jährige Frau. (Archivfoto) © Fuldamedia

Verteidiger Christian Celsen hingegen bestritt, dass sein Mandant den von der Staatsanwaltschaft unterstellten sogenannten bedingt vorsätzlichen Tötungsvorsatz hatte. „Das ganze Geschehen spielte sich an dieser Stelle innerhalb von acht Sekunden ab. In diesen acht Sekunden soll der Angeklagte einen Tötungsvorsatz gegen eine ihm völlig unbekannte Frau mit Rollator gefasst haben, bloß um einer Geldstrafe zu entgehen? Das halte ich für völlig ausgeschlossen.“

Der 22-Jährige, dem der psychiatrische Gutachter zuvor eine „Intelligenz im niedrigen Bereich“ attestiert hatte, sei „kein kühl abwägendes Superhirn“. Stattdessen sei sein Mandant mit der Situation völlig überfordert und zudem unter dem Einfluss von Cannabis gewesen. Auch gebe es keine Indizien, dass er nach der Kollision bewusst noch einmal Gas gegeben habe. „Ein Fahrfehler ist in dieser Situation absolut denkbar.“ Celsen forderte daher, den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten zu verurteilen.

Das letzte Wort nutzte der 22-Jährige, um sich erneut zu entschuldigen. „Es tut mir von Herzen leid. Ich weiß, ich gehe hier nicht straffrei raus, und das ist auch in Ordnung.“

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