„Es gibt Deliktsbereiche, die mir Sorgen machen“ - Fuldas neuer Polizeipräsident im Interview
Michael Tegethoff (57) aus Eichenzell hat das höchste Amt der osthessischen Polizei inne: Seit Ende November ist er Polizeipräsident. Im Gespräch mit der Fuldaer Zeitung erklärt Tegethoff, vor welchen Herausforderungen die Ermittler stehen.
Fulda - Hessens Innenminister Peter Beuth hat Michael Tegethoff Ende November in das Amt als Chef der osthessischen Polizei eingeführt. Von 2020 bis 2021 war er dort bereits Leiter der Abteilung Einsatz. Von 2008 bis 2011 war Tegethoff Chef der Polizeistation Fulda. Zuletzt arbeitete er im Polizeipräsidium Nordhessen. Als wichtige Aufgabe der Polizei nennt der neue Polizeipräsident im Interview mit der Fuldaer Zeitung den Kampf gegen Sexualdelikte und sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Tegethoff berichtet auch von einer Zunahme von Attacken auf Einsatzkräfte.
Fulda: Der neue Polizeipräsident Michael Tegethoff im Interview
Ihr Vorgänger hat jeden Morgen 50 Liegestütze gemacht: Wie sieht Ihr Fitnessprogramm aus?
Ich fahre morgens oft mit dem Fahrrad zur Arbeit. Ohne E-Motor, ganz klassisch. Das habe ich damals, als ich in Fulda tätig war, schon gemacht. Zum Polizeipräsidium sind es zehn Kilometer. Es ist super, um morgens wachzuwerden, und abends den Kopf frei zu kriegen. Und es ist eine Stunde Sport am Tag. Ich fahre bei Wind und Wetter, das ist eine Frage der Kleidung – und des Willens. Daneben versuche ich noch, mich beim Joggen und Schwimmen fit zu halten.
Welche Schwerpunkte werden Sie als Polizeipräsident setzen?
Es gibt Deliktsbereiche, die mir Sorgen machen: zum Beispiel das Thema Kinderpornografie. Die Zahl der Fälle steigt stark an. Hier müssen wir als Polizei die Anstrengungen intensivieren.
Die Region Osthessen wurde in den vergangenen zwei Jahren durch Gewalttaten geprägt: Es gab Fälle von Mord und Totschlag. Besonders der Mord an der Ärztin mitten in der Innenstadt hat das Sicherheitsempfinden mancher Bürger beeinträchtigt. Wie sicher ist Osthessen?
Osthessen ist eine sichere Region, das belegen die Zahlen. Es geht aber auch immer um die gefühlte Sicherheit. So wurden beispielsweise die Fuldaer als KOMPASS-Kommune befragt: Das repräsentative Ergebnis ist, dass das Sicherheitsempfinden in der Stadt Fulda hoch ist. Kriminalität wurde deutlich seltener als dringliches Problem wahrgenommen als der Straßenverkehr. Ein Thema im Bereich Kriminalitätsfurcht, das durch die Teilnehmer angesprochen wurde, sind einzelne dunkle Ecken. Aber: Ja, wenn ein spektakuläres Ereignis geschieht, bei dem ein Mensch zu Tode kommt, kann das Auswirkungen auf das Sicherheitsempfinden haben.
Sie sprachen von dunklen Ecken: In der Region, jüngst in Großenlüder, wird nachts aus Energiespargründen die Beleuchtung abgeschaltet. Wie bewerten Sie das aus Sicht der Polizei?
Beleuchtung ist ein wichtiges Thema. Wenn es um Ecken geht, an denen zum Beispiel häufig auffällige Personengruppen auftauchen, dann spreche ich mich dort für eine Beleuchtung aus.
Ruft eine nächtliche Lampenabschaltung Einbrecher auf den Plan?
Da haben wir zum Beispiel für Großenlüder noch keine belastbaren Zahlen. Generell hat der Einfluss von Beleuchtung aber einen positiven Effekt auf das Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum.
Bundesweit kommt es immer häufiger zu Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber der Polizei – ist das hier in der Region ein Thema?
Ja. Die Fallzahlen im Bereich der Gewaltkriminalität gegen Polizisten haben 2021 in Osthessen einen Höchstwert erreicht. Das macht mir Sorge. Daher schulen wir unseren Nachwuchs unter anderem schon in der Ausbildung psychologisch und soziologisch, ebenso den Umgang mit Konfliktsituationen in unserem Einsatztraining, damit Kollegen mit entsprechenden Situationen vor allem kommunikativ umgehen können. Wir versuchen technisch, zum Beispiel mit Body-Cams, einen Abschreckungs-Effekt zu erwirken. Wenn eine Kamera an ist, wirkt das deeskalierend und hält jemanden eher davon ab, übergriffig zu werden.
Wie sehen solche Angriffe aus?
Ein Großteil typischer Widerstandshandlungen entsteht aus alltäglichen Kontrollsituationen. Das drückt sich in der Behinderung des Polizeieinsatzes, Pöbeleien, Beleidigungen, die zum Beispiel aus einer Gruppe heraus geäußert werden, oder gar Übergriffen aus. Dabei ist oftmals der unkontrollierte Umgang mit Alkohol oder Drogen der Auslöser für dieses Fehlverhalten.
Gibt es in der Region Bezirke, wo Beamte sagen: Da möchte ich nachts nicht raus?
Nein, die gibt es nicht. Aber wenn es zum Beispiel zu einem Einsatz mit einer alkoholisierten Gruppe kommt, bei dem man einen Übergriff befürchtet, dann fährt nicht eine Streife dorthin, sondern es fahren zwei oder mehrere.

Polizeipräsident Michael Tegethoff warnt: Trickbetrug ist vielfältig und kann jeden treffen
Wie politisch korrekt muss man als Polizeipräsident sein, wenn man bestimmte Tätergruppen benennen muss?
(Denkt lange nach.) Da muss man tatsächlich genau überlegen, was und wie man es sagt. Ich werde mich jedenfalls bei meinen Äußerungen an die uns bekannten Fakten halten und keine Ethnie pauschal stigmatisieren. Fest steht: Bei der Gewalt gegen Polizisten sind deutsche Staatsbürger ebenso wie Menschen mit Migrationshintergrund als Beschuldigte registriert.
Muss man als Polizei bei diesem Thema auch politisch agieren?
Die Polizei ist neutraler Garant für die Grundrechte aller Menschen und an Recht und Gesetz gebunden. Ich muss bei meinen Äußerungen aber auch immer die politische Dimension berücksichtigen – dafür bin ich politischer Beamter. In meinem Amt bin ich kein Vollzugsbeamter mehr und habe keine polizeilichen Befugnisse.
Es gibt Gruppierungen in der Gesellschaft, die Menschen mit Migrationshintergrund unter Generalverdacht stellen. Inwiefern ist dies auch innerhalb der Polizei ein Thema? Gibt es rassistisches Gedankengut innerhalb der Belegschaft?
Das ist tatsächlich ein Thema. In der hessischen Polizei wurden rechtsextreme Gesinnungen identifiziert, insofern sind wir in dem Bereich gebrandmarkt. Auch wir waren in Osthessen leider im Einzelfall davon betroffen. Diese Kolleginnen und Kollegen gehören nicht in den Polizeidienst.
Was wollen Sie gegen zunehmende Betrugsmaschen tun?
Trickbetrug ist vielfältig und kann jeden treffen. Wir wollen daher unser Programm „Senioren sind auf Zack“ weiterentwickeln, um nachhaltig Präventionsarbeit zu leisten. Aber wir wollen natürlich auch versuchen, die Täter dingfest zu machen. Das ist uns auch schon gelungen, zum Teil mit Hilfe der Geschädigten. Sie halten den Kontakt zu den Betrügern, so dass wir sie auf frischer Tat festnehmen können, wenn sie bei ihrem mutmaßlichen Opfer Bargeld abholen wollen. Vollendete Trickbetrugsanrufe, wie Enkeltrick- oder Schockanrufe, waren in den letzten Jahren zwar selten, aber die Anrufwellen werden immer mehr – da liegen wir im Schnitt bei 500 polizeilich registrierten Anrufen in der Region pro Jahr. Das Dunkelfeld dürfte noch weitaus höher sein.
Aktuell stellt das Polizeipräsidium im Adventskalender auf seinem Instagram-Account Beamte und ihre Lieblingsrezepte vor – was wollen Sie damit erreichen?
Die Polizei kommt nicht nur, wenn etwas schiefläuft und irgendwo Unrecht und Leid passiert. Wir wollen Freund und Helfer sein. Die Polizei ist nahbar. Das wollen wir vermitteln. Wir sind Bürger in Uniform. Bürger mit Freuden und Sorgen, wie sie jeder hat.
Das komplette Interview mit Polizeipräsident Michael Tegethoff lesen Sie in der Printausgabe der Fuldaer Zeitung vom 14. Dezember und im E-Paper. Online erscheint eine gekürzte Fassung.