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Auf dem Weg zum E-Lkw: Projekt der Hochschule Fulda erforscht Alltagstauglichkeit

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Von: Hartmut Zimmermann

Zufrieden vor dem elektrisch betriebenen Zwölftonner (von links): Wirtschaftswissenschaftler Boris Zimmermann, Studentin Charlotte Jahn und Zufall-Fuhrparkleiter Sascha Schlote.
Zufrieden vor dem elektrisch betriebenen Zwölftonner (von links): Wirtschaftswissenschaftler Boris Zimmermann, Studentin Charlotte Jahn und Zufall-Fuhrparkleiter Sascha Schlote. © Hartmut Zimmermann

Auch wer häufig mit einem Elektroauto unterwegs ist, denkt beim Stichwort Lkw erst einmal an Diesel – und liegt damit mittelfristig hoffentlich falsch: „E-Lkw können die CO₂-Bilanz selbst beim derzeitigen Strommix sichtbar verbessern“, betont Professor Dr. Boris Zimmermann.

Fulda - Der Mann kann als Experte gelten: Seit sechs Jahren forscht der Betriebswirt der Hochschule Fulda mit dem Schwerpunkt Logistik, um Wege zu finden, die Welt des Schwerlastverkehrs aus der Diesel-Abhängigkeit herauszuführen. „Dekarbonisierung“ nennen die Fachleute das.

Fulda: Projekt der Hochschule erforscht Alltagstauglichkeit von E-Lkw

Um die Erkenntnisse der Wissenschaft mit dem Alltag der Speditionen zu verzahnen, arbeitet das Team um Zimmermann mit dem Baustoffhändler Stark Deutschland GmbH in Frankfurt zusammen: Das Unternehmen setzt einen Zwölftonner mit Elektroantrieb ein, um im Raum Frankfurt seine Produkte zu Baustellen und Händlern zu bringen.

Die Hochschule Fulda begleitet das Projekt eng und intensiv. Weil der E-Antrieb im Schwerlastverkehr jedoch im Gegensatz zum Pkw-Bereich noch nicht ganz serienreif ist, fördert das Land Hessen das bis 2023 laufende Vorhaben mit rund 440.000 Euro aus dem Fördertopf für Elektromobilität.

Für das Projekt setzt die Stark GmbH einen umgebauten MAN-Zwölftonner ein, der batterieelektrisch angetrieben wird. Das Fahrzeug mit 264-kW-Elektromotor wird in Kleinstserie hergestellt – bundesweit sind rund 50 Exemplare unterwegs. Zimmermann und sein Team werten sämtliche Daten rund um die Nutzung des Fahrzeugs aus: Fahrzeit, Strecke, das zu überwindende Relief, Temperatur, Beladung, Batteriebelastung, Ladeverhalten und dergleichen mehr.

Doch wie lassen sich die Erkenntnisse von einem Fahrzeug aus Rhein-Main in die Fläche übertragen, in der die Mehrzahl der Lastwagen unterwegs ist? Boris Zimmermann hat ein Netz mit den Speditionsunternehmen geknüpft und berichtet begeistert von deren Bereitschaft, sich auf das Projekt einzulassen, um gangbare Wege weg vom Diesel zu finden: Neben Stark erlauben Transportunternehmen wie Heurich und Zufall in Fulda sowie Hans Geis in Bad Neustadt dem Team der Hochschule, auf die Telematik-Daten ihrer Flotten zuzugreifen.

„Für uns Speditionen muss ein Lkw möglichst rund um die Uhr laufen können“

Damit wird transparent, welches Fahrzeug wo, mit welcher Beladung, wie lange auf welcher Strecke unterwegs war. Genau diese Daten sind es, die Boris Zimmermann benötigt, um anhand der Nutzungsprofile herauszufinden, welche der Touren auch ein E-Lkw ebenso hätte übernehmen können. (Lesen Sie hier: 50 E-Bikes an sechs Stationen: Fulda gewinnt Partner für Verleih von Stadt- und Lastenrädern)

Weil in der Welt der Speditionen das Wort „Er-Fahrung“ ein besonderes Gewicht hat, war jetzt der elektrische Zwölftonner für einige Tage in Fulda im Einsatz. Sascha Schlote, Fuhrparkleiter der Fuldaer Zufall-Niederlassung, saß am Steuer, als der Lkw eine Rhön-Runde mit allen dazugehörigen Höhen und Tiefen zu absolvieren hatte. Die Tour führte unter anderem über das Grabenhöfchen zum Schwarzen Moor und wieder zurück.

Thema Wasserstoff

„Wenn wir über batteriegestützte Lkw sprechen, kommen in der Regel Hinweise auf den Einsatz von Wasserstoff und Lkw mit Brennstoffzellen-Technik“, berichtet Boris Zimmermann – und bringt einen starken Einwand vor: Das Hauptproblem sei die geringere Energieeffizienz beim Herstellen von „grünem“ Wasserstoff.

Wenn man Sonnenenergie in Strom umforme, könne man rund 73 Prozent der Energie nutzen. Werde Sonnenkraft erst in Strom und dann in Wasserstoff gewandelt, blieben nur 22 Prozent übrig. Zudem gebe es aktuell noch kein serienreifes Modell eines Brennstoffzellen-Lkw, während MAN im kommenden Jahr die Serienfertigung aufnehmen wolle.

Schlotes Bilanz: „Das war durchaus in Ordnung.“ Charlotte Jahn, die bei Zufall ein duales Studium absolviert, war nicht zuletzt positiv überrascht, wie konsequent die Technik beim Wiedergewinnen der Bremsenergie bei den Bergab-Fahrten funktionierte: Rund zehn Prozent habe man so in den Akku zurückholen können.

Auf dem Weg zum Austausch von Diesel-Lkw gegen einen Stromer gibt es zwei große Hürden. Die eine ist der Preis: Während ein konventioneller Lkw rund 100.000 Euro kostet, schlägt die E-Version aktuell mit rund 350.000 Euro zu Buche. Hier ist aber die massive staatliche Förderung – 80 Prozent der Kosten für Anschaffung und Lade-Infrastruktur – ein überzeugendes Gegenargument.

Video: Neue Studie: Elektro-LKW ab 2025 günstiger als Diesel

Anders sieht es beim Thema Tanken aus: Um den Lkw-Akku wieder fit für die nächste Tour zu machen, sind sechs bis acht Stunden erforderlich. – es sei denn, man verfügt über eine turboschnelle Ladesäule. „Für uns Speditionen muss ein Lkw möglichst rund um die Uhr laufen können“, hält Michael Hamperl, Niederlassungsleiter bei Zufall Fulda, entgegen. Die Reichweite des E-MAN – bis zu 200 Kilometer – überzeuge ihn, doch das Ladetempo bis gut sechs Stunden an normalen Säulen sei klar ein Manko.

Boris Zimmermann hingegen setzt darauf, dass die nächsten Jahre Verbesserungen bei der Lade- und der Speichertechnik bringen. Und er betont, dass schon heute der Einsatz des E-Lkw bei 25 bis 30 Prozent der Fahrten im Nahverkehr möglich sei. Darin liegt, so betont er, ein enormes Potenzial zum Einsparen von CO₂.

Der Einsatz des E-Lkw verringere den CO₂-Ausstoß pro Jahr und Fahrzeug um 40 Tonnen. Dieser Wert sei nach dem heutigen Strommix berechnet, und auch die Emissionen, die durch die Herstellung der Batterie entstehen, sind eingerechnet. Mit steigendem Ökostrom-Anteil – die Zahl der Solarflächen auf Lagerhallen und Firmengebäuden wächst rapide – wird die CO₂-Bilanz noch besser.

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