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Mit Messer auf Opfer eingestochen: Zeugen wollen nicht aussagen - aus Angst

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Von: Alina Komorek

Gericht
In Fulda stehen zwei Männer vor Gericht. Einer von ihnen soll im September 2020 auf einen Mann eingestochen haben. © Thomas Frey/dpa/Symbolbild

Während eines Streits im September 2020 in Fulda soll einer von zwei Angeklagten mit einem Messer auf einen Mann eingestochen haben. Die Zeugen der Tat wollen keine Aussage vor Gericht tätigen.

Fulda - „Die beiden Angeklagten haben gemeinsam handelnd versucht, einen Menschen zu töten“, verlas Oberstaatsanwältin Dr. Christine Seban aus der Anklageschrift. Die beiden Männer, die zur Tatzeit im September 2020 43 und 41 Jahre alt waren, sollen mit einem weiteren Mittäter und dem Opfer am Abend in der Hinteren Schleifersgasse in Fulda in einen Streit geraten sein, woraufhin der zur Tatzeit 41-Jährige ein Messer gezogen und gefragt haben soll, warum das Opfer „das gemacht“ habe.

Was damit gemeint war, ging aus der Anklageschrift nicht hervor. Anschließend habe er mehrere Male auf das Opfer eingestochen. (Lesen Sie hier: Messerstecherei im Schlossgarten - Angeklagter soll Alkohol- und Drogenprobleme gehabt haben)

Daraufhin soll der Geschädigte zu Boden gegangen sein. Die beiden Angeklagten und ein weiterer Mittäter sollen auf das Opfer eingetreten haben – auch gegen den Kopf. „Dabei haben die Angeklagten den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen“, verlas Seban.

Fulda: Prozess um mutmaßlichen Messerstecher - Zeugen schweigen aus Angst

Beide Angeklagten und der Mittäter sollen von dem Geschädigten abgelassen haben, weil Zeugen auf das Geschehen aufmerksam geworden seien. Diese hätten die Polizei und einen Rettungswagen verständigt. Aufgrund seiner schweren Verletzungen sei das Opfer im Krankenhaus notoperiert worden.

Beide Angeklagten hätten zum Tatzeitpunkt unter Alkoholeinfluss gestanden – der ältere Angeklagte soll über zwei Promille im Blut gehabt haben. Weil sie gemeinschaftlich von dem Geschädigten abließen, könnte die Anklage im weiteren Verfahren von versuchtem Totschlag auf Körperverletzung abgestuft werden, stellte Seban in Aussicht.

Mehrere Zeugen – vermutlich jene, die das Geschehen beobachtet haben sollen – möchten aus Angst vor den Angeklagten allerdings nicht aussagen. Der Grund dafür sei keine gegen sie gerichtete Drohung vonseiten der Angeklagten, sondern der Umstand, dass den Angeklagten ihr Wohnort bekannt sein dürfte, erläuterte die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage.

Einiges auf dem Kerbholz - Staatsanwaltschaft verliest Vorstrafen

Nach der Anklageschrift wurden die Vorstrafen der beiden Angeklagten verlesen. Der Vorsitzende Richter am Landgericht, Josef Richter, nannte Auszüge aus dem Bundeszentralregister. Sowohl der 1976 als auch der 1979 geborene Angeklagte haben eine kriminelle Vergangenheit, die von Diebstahl über illegalen Besitz von Waffen bis hin zu Körperverletzung und fahrlässiger Tötung reicht.

Auf den jüngeren der beiden, dem vorgeworfen wird, dem Geschädigten mit einem Messer schwere Verletzungen am Oberkörper zugefügt zu haben, gehen zehn Eintragungen im Register zurück. Von 2003 bis 2018 war er unter anderem für fahrlässige Tötung und Körperverletzung im Straßenverkehr verantwortlich, hat mehrere Diebstähle begangen, außerdem gehen auf ihn weitere Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und das Fahren eines Autos nach vorherigem Alkoholkonsum zurück.

Einen ehemaligen Nachbarn soll er aufgrund einer Auseinandersetzung gefragt haben, ob dieser Schläge wolle – hier kam es zur Körperverletzung und Sachbeschädigung.

Mitglied der „Nutella-Bande“ - Angeklagter kein Unbekannter

Der ältere Angeklagte hat bereits eine mehr als sechsjährige Strafe verbüßt, weil er unerlaubt im Besitz von Waffen gewesen ist – darunter drei Handgranaten, ein Block TNT mit Zünder und ein halbautomatisches Selbstladegewehr samt Patronen, und weil er mehrfach die Plane von Lkws aufschlitzte, um die geladene Ware zu stehlen.

Für Aufsehen sorgte bis zu ihrem Auffliegen 2013 die Nutella-Bande, bei der der Angeklagte Mitglied war. Neben Küchen- und Gartengeräten entwendete sie damals 2000 Gläser Nutella. Außerdem wurden bei ihm Betäubungsmittel wie Kokain, Amphetamine und Marihuana gefunden.

Richter Josef Richter erläuterte eine Besonderheit in dem laufenden Prozess: Der Geschädigte habe bisher die Zusammenarbeit mit Polizei und Staatsanwaltschaft verweigert und die behandelnden Ärzte nicht von der Schweigepflicht entbunden. Grundsätzlich muss kein Zeuge – auch nicht das Opfer – Angaben zu einem Sachverhalt machen, wenn er sich hierdurch selbst belasten würde. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.

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