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Immer mehr Rehkitze werden gerettet - Drohnen helfen bei der Suche

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Von: Sophie Brosch

Die Drohnen können dank Wärmebildkamera fast jedes Kitz aufspüren. So auch das Tier, das Jäger Christian Bickert vorsichtig mit Handschuhen aus der Wiese trägt, damit es seinen menschlichen Geruch nicht annimmt.
Die Drohnen können dank Wärmebildkamera fast jedes Kitz aufspüren. So auch das Tier, das Jäger Christian Bickert vorsichtig mit Handschuhen aus der Wiese trägt, damit es seinen menschlichen Geruch nicht annimmt. © Gerhard Schlitzer

Die Landwirte in der Region haben längst damit begonnen, ihre Wiesen zu mähen. Vor der Mahd sind sie verpflichtet, die Flächen nach Rehkitzen abzusuchen. Drohnen mit Wärmebildkamera, die viele Vereine nutzen, erleichtern die Suche. Leider gibt es aber auch immer noch Landwirte in der Region, die ihre Pflicht missachten und Kitze mähen.

Fulda - Im Herbst vergangenen Jahres hatte die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ein Förderprogramm ausgeschrieben, das Vereinen bei der Anschaffung von Drohnen zur Rehkitzrettung Zuschüsse gewährte. In ganz Hessen haben sich daher neue Vereine gebildet, um die Förderung zu beantragen und Kitze retten zu können, wie der Vizepräsident des Landesjagdverbands Hessen, Dr. Rudolf Leinweber aus Neuhof, berichtet. „Die Vereine sind viel unterwegs und kümmern sich rührend um die Tiere.“

Und das mit Erfolg: „In einem Revier wurden an einem Morgen 18 Kitze gefunden – das ist unglaublich.“ So hat auch die Initiative Kitzrettung-Hilfe aus dem Vogelsberg im vergangenen Jahr zwei neue Drohnen angeschafft. Hans-Ullrich Weidner, Vorsitzender der Jägervereinigung Lauterbach, hatte die Initiative vor fünf Jahren gegründet. Seitdem ist die öffentliche Unterstützung des Projekts mit jedem Jahr gewachsen; heute sind etwa 50 Personen in der Initiative tätig.

Fulda: Immer mehr Rehkitze werden gerettet - Drohnen helfen bei der Suche

„Es ist unglaublich, wie viele Freiwillige sich bei uns melden. Sie scheuen sich nicht davor, morgens früh aufzustehen, um Kitze zu retten“, berichtet er. Der Jäger hat selbst bereits im Alter von 14 Jahren angefangen, Kitze vor dem Mähtod zu bewahren. Damals habe er Stangen mit Papiersäcken, die im Wind flatterten, zur „Vergrämung“ der Ricken am Rand von Feld und Wiesen aufgestellt. „Das war neu für die Ricken – sie wurden dadurch misstrauisch und haben die Kitze nicht in der Wiese abgelegt“, erklärt er.

Seitdem habe sich einiges verändert. „Die Flächen sind größer geworden und die landwirtschaftlichen Maschinen effizienter. Innerhalb von zwei Stunden können die Landwirte heute 20 Hektar Wiese abmähen“, sagt Weidner. Dank der Reichweite der neuen Drohnen sind die Piloten beim Absuchen aber auch schneller geworden – sie benötigen für dieselbe Fläche etwa eine halbe Stunde. (Lesen Sie hier: Jäger in der Rhön wollen Rehkitze retten - mit Hilfe von Drohnen)

„Die Suche mit Wärmebildkamera funktioniert bestens, die Bilder sind hervorragend.“ Wenn ein Kitz gefunden wird, tragen die Helfer es in einer Box aus dem Feld und legen es nach der Mahd wieder zurück. „Spätestens zwei Stunden, nachdem das Gelände abgesucht wurde, sollte gemäht werden – sonst besteht die Gefahr, dass neue Kitze in die Wiese gelegt werden“, betont der Vorsitzende. Er schätzt, dass seine freiwilligen Helfer bis Ende Juni mehrere hundert Kitze retten werden.

„Im hohen Gras sieht man die Tiere nicht einmal auf einen Meter Entfernung“

Die Sicht der Landwirte schildert Sebastian Schramm, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Fulda-Hünfeld: „Wir halten die Landwirte dazu an, ihre Jagdpächter vor der Mahd im Mai oder Juni zu informieren, damit sie die Wiesen vorher absuchen können.“ In der ersten Maiwoche beginnen die Landwirte mit der Grassilage, dann habe das Gras den höchsten Gehalt an Nährstoffen. Daher könnten sie nicht abwarten, bis die Säugezeit der Rehe vorüber sei.

„Das wäre unwirtschaftlich. Das Gras stellt die Eiweißversorgung der Kühe und damit ihre Milchleistung sicher“, erklärt Schramm. „Liefert das eigene Gras nicht genug Nährstoffe, muss man diese in Form von Raps und Sojaschrot teuer dazukaufen.“ Die Preise von Proteinfuttermitteln seien zuletzt durch den Krieg in der Ukraine um 80 bis 100 Prozent angestiegen.

Dass die Kooperation zwischen Landwirten und Jagdverbänden wichtig ist, betont auch Holger Jost vom Jagdverein Rhön-Vogelsberg. Er hat in seiner 20-jährigen Tätigkeit beim Ablaufen einer Wiese noch nie selbst ein Kitz gefunden. „Im hohen Gras sieht man die Tiere nicht einmal auf einen Meter Entfernung.“ Und auch ein Hund könne die Tiere kaum wittern, da sie keinen Geruch absonderten. In diesem Jahr habe er nun zum ersten Mal eine Drohne verwendet und sei vom Resultat begeistert: „Da geht einem quasi kein Kitz durch.“ Im Mai habe er in seinem eigenen Revier vier Kitze gerettet.

Video: Rettung im Anflug: So funktioniert die Rehkitz-Rettung mit Drohnen

Um Drohnen für die Kitzrettung anschaffen zu können, haben auch Rosemarie und Lothar Schlitzer aus Bimbach mit fünf weiteren Personen einen Verein gegründet. Die beiden Multikopter der „Kitzrettung Neuhof“ fliegen hauptsächlich über Großenlüder, Kalbach, Neuhof und Flieden. „Mittlerweile sind wir 22 Mitglieder, die meisten davon Landwirte und Jäger“, sagt Lothar Schlitzer, der selbst Jagdpächter in Neuhof ist.

Der Verein könne aber jede weitere helfende Hand gebrauchen. „Wir haben in diesem Jahr bereits 45 bis 50 Kitze gerettet.“ Dabei sind die Freiwilligen morgens von 4.30 Uhr bis 10 Uhr im Einsatz. „Die Reaktion der Landwirte ist allgemein positiv – nur wenige kommen ihren Pflichten nicht nach und mähen das Feld, ohne vorab nach Kitzen zu suchen“, sagt Schlitzer. Er habe aber auch von einem Vorfall im Landkreis gehört, bei dem ein Landwirt sieben Kitze gemäht hätte.

Auch Rudolf Leinweber berichtet von einem Vorfall: „Tierschützer haben einen Landwirt aus der Region dabei beobachtet, wie er vier Kitze gemäht hat. Er musste 6500 Euro Strafe zahlen“, berichtet der Neuhöfer. Um derartiges zu vermeiden, sei der Verband bemüht, die Suche gemeinsam mit Landwirten und Jagdpächtern zu organisieren.

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