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Tanner Stadträte müssen nicht gehen - Gemeindeordnung erschwert Abberufung 

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Von: Hartmut Zimmermann

Luftaufnahme der Stadt Tann in der Rhön.
Das Rhönstädtchen Tann war wegen des Flugblatts überregional in die Schlagzeilen geraten. © Stadt Tann

Den Rücktritt eines ehrenamtlichen Magistratsmitglieds zu fordern, ist kein Problem – und im Tanner Flugblatt-Streit geschehen. Den Schritt zu erzwingen jedoch, ist nur unter sehr begrenzten Bedingungen möglich, erläutert das Hessische Innenministerium.

Tann/Wiesbaden - In der Auseinandersetzung um das Behinderte diskriminierende Flugblatt von Tann war unter anderem der Rücktritt der beiden Magistratsmitglieder Klaus Dänner und Brunhilde Fischer gefordert worden, die den Text unterzeichnet hatten. Das Gremium hatte die beiden in seiner Mai-Sitzung in Abwesenheit zum Rücktritt aufgefordert.

Das Vertrauensverhältnis sei zerstört. Dänner und Fischer, beide von der FDP-Fraktion in den Magistrat entsandt, reagierten nicht darauf. Das müssen sie als Ehrenbeamte auch nicht, erklärt die Pressestelle des Innenministeriums auf Anfrage unserer Zeitung:

„Ehrenamtliche Beigeordnete können nicht abberufen werden“ erklärt das Innenministerium

„Ehrenamtliche Beigeordnete – das sind formal auch die Stadträte – werden im Gegensatz zu hauptamtlichen Beigeordneten nicht nach den Regeln der Persönlichkeitswahl (Mehrheitswahl) gewählt, sondern nach den Regeln der Verhältniswahl (Listenwahl) und damit als Vertreter der Fraktionen im Kommunalparlament. Sie können demzufolge nicht abberufen werden.“

Das regele der Paragraf 76 der Hessischen Gemeindeordnung, erläutert Pressesprecher Benjamin Crisolli. Die Amtszeit ende mit der der Stadtverordnetenversammlung nach fünf Jahren. Allerdings, so der Sprecher, ende ein ehrenamtliches Beigeordnetenamt, wenn ein Amtsinhaber aus dem Ort wegziehe.

Auch bei erkennbar andauernder Dienstunfähigkeit sei das Ausscheiden möglich und nötig. Dafür müsse die Gemeindevertretung oder Stadtverordnetenversammlung eine entsprechende Feststellung beschließen. Automatisch verliert eine Person den Ehrenbeamten-Status, wenn sie durch Urteil eines Gerichts wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr verurteilt wird.

Rhön: Flugblatt-Autoren aus Tann bleiben Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung

Die FDP-Fraktion der Stadtverordnetenversammlung hatte ihre bisherige Vorsitzende Andrea Willing – sie ist die dritte Flugblatt-Autorin – aus der Fraktion ausgeschlossen. Willing legte jedoch ihr Mandat nicht nieder. Sie bleibt daher – fraktionslos – Mitglied der Stadtverordnetenversammlung.

Auslöser der Debatte war ein Flugblatt, in dem das Tanner Trio einen Zusammenhang zwischen der Präsenz der Klienten der Tanner Diakonie im Ortskern und der rückläufigen Entwicklung im Fremdenverkehr hergestellt hatte. In dem Text war von einer „Sonderwelt“ die Rede.

Langjährige Gäste kehrten dem Luftkurort den Rücken, „weil gerade im Marktplatzbereich eine Konzentration von Touristen und Betreuten des Diakoniezentrums vorliegt und Berührungspunkte unausweichlich sind“, heißt es in dem Flugblatt. Diese Situation könnten und wollten manche Besucher nicht aushalten, schrieb das Trio.

Video: Aufruhr um Flugblatt in Tann - Markt-Besucher zeigen Solidarität

Das Papier löste in Tann, Fulda und der Region, aber auch überregional eine Welle der Empörung aus. Die drei Kommunalpolitiker wurden vielfach zum Rücktritt aufgefordert. Sie schwiegen lange zu den Vorwürfen. Kürzlich schrieben sie im Gemeindeblättchen, dem „Tanner Stadtanzeiger“: „So weit unsere Worte missverständlich waren, bitten wir um Entschuldigung.“

Man habe keineswegs etwas gegen die Präsenz von Behinderten in Tann. Die drei Kommunalpolitiker machten sich in dem Text dafür stark, die Behinderten stärker in den dörflichen Stadtteilen anzusiedeln und Tanns Innenstadt durch neue Geschäfte zu beleben.

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