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Skelett-Funde an der Michaelskirche geben Rätsel auf - Archäologin nennt Theorien

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Von: Andreas Ungermann

Kreis- und Stadtarchäologin Milena Wingenfeld steht am Fundort der Skelette am Michaelsberg in Fulda.
Kreis- und Stadtarchäologin Milena Wingenfeld hofft, aus den Knochen-Funden Rückschlüsse auf die Geschichte des Michaelsberges ziehen zu können. © Andreas Ungermann

Von einem spannenden Fund für Fulda spricht Archäologin Milena Wingenfeld mit Blick auf die kürzlich freigelegten Skelette auf dem Michaelsberg. Aufschluss könnten diese allerdings über ganz andere Überreste geben.

Fulda - „An solche Funde gehe ich mit vielen Fragen heran, manche lassen sich beantworten, manchen kann ich mich nähern, aber ganz oft werfen Ergebnisse auch ganz neue Fragen auf.“ So beschreibt Milena Wingenfeld ihre Arbeit als Stadt- und Kreisarchäologin in Fulda. Entsprechend gespannt schaut sie nun auf die Ergebnisse zu den beiden im vergangenen Monat gefunden Skeletten.

Fulda: Skelett-Funde geben Rätsel auf - Archäologin nennt Theorien

Aufschluss können die Knochenreste nicht allein über möglicherweise auf dem Michaelsberg bestattete Mönche geben – immerhin war die 1200 Jahre alte Michaelskirche einst die Totenkapelle des Klosters. Die 37-Jährige erhofft sich aus einer Altersbestimmung vor allem Erkenntnisse über die ebenfalls gefundenen Überreste einer Mauer, zu der es unterschiedliche Theorien gibt.

Einerseits könnte sie eine Friedhofsmauer gewesen sein, andererseits kommt auch ein alte Hangbefestigung in Betracht. Dass sie beide Funktionen – als Friedhofsmauer und Abgrenzung zum Domplatz – erfüllte, ist ebenfalls denkbar. So oder so gibt sie der Archäologin Rätsel auf, denn unklar ist nicht nur, welchen Zweck die Mauer erfüllte, sondern auch, wann sie dies tat.

Dazu wälzt Wingenfeld aktuell alte Karten vom Dombezirk. „Das ist ganz merkwürdig. Es gibt alte Pläne, auf denen ist sie eingezeichnet, in etwas späteren Plänen fehlt sie, und dann taucht sie in Aufzeichnungen 100 Jahre später wieder auf. Wenn wir das Alter der Knochen kennen, lässt das vielleicht Schlüsse zu, wann die Mauer gebaut wurde“, beschreibt die Archäologin das Kuriosum.

Mit Ergebnissen aus der Altersbestimmung ist unterdessen erst zum Jahresende hin zu rechnen. „Es gibt nicht allzu viele Labore, die solche Untersuchungen vornehmen. Und die wenigen, die das tun, sind stark ausgelastet“, sagt Wingenfeld. Fünf Monate – das ist aktuell ein realistischer Zeitraum für eine C14-Analyse – besser bekannt als Radiokarbonmethode. Voraussetzung für valide Ergebnisse ist jedoch, dass die Knochen älter als 300 Jahre sind. Darunter nämlich stößt die Analyse an ihre Grenzen. (Lesen Sie auch: Skelett-Teile in Wald gefunden: Knochen stammen von Vermisstem)

Archäologin spricht von bedeutendem Fund für Stadt Fulda

Ein Fragezeichen steht noch hinter den Knochen selbst. Zu denen gibt es bislang nur Arbeitshypothesen: Die vielen Einzelknochen könnten womöglich aus der Auflösung eines Beinhauses stammen.

Von größerem Interesse sind für Wingenfeld jedoch die beiden vollständig erhaltenen Individuen. Auffällig daran: Während das eine Skelett, das auf der Seite zum Dom hin gefunden wurde, ordentlich bestattet war, war das Skelett auf der anderen Mauerseite verschoben. Der Kopf lag deutlich tiefer als das Becken, die Beine waren angewinkelt. Ob dieser Körper durch Erdverschiebungen oder bei den Mauerarbeiten möglicherweise in diese Lage kam, ist ungeklärt.

Unerwartet erscheint indes, die gesamte Auffindesituation. Wäre der sorgfältiger beigesetzte Körper innerhalb des vermeintlichen Friedhofsareals, der verdrehte hingegen außerhalb aufgefunden worden, hätte das eine Schlussfolgerung nahegelegt. „Tatsächlich ist es eine These, dass der Leichnam, der auf der Seite zum Dom hin gefunden wurde, vielleicht zu einem Mönch gehörte, der Suizid begangen hat. Der hätte dann nämlich nicht auf geweihtem Boden bestattet werden dürfen“, erklärt die Archäologin mit Blick auf die theologischen Hintergründe und Gepflogenheiten im Mittelalter.

Wenn es darum geht, mehr über die Menschen zu erfahren, dann wären Anthropologen oder Mediziner gefordert. Die könnten etwa Erkenntnisse zu Geschlecht und auch möglichen Krankheiten liefern. Gelungen ist so etwas unter anderem bei Funden am Franzosenwäldchen. „Damals konnten wir anhand von Knochen nachweisen, dass er Mensch an Syphilis erkrankt war“, erinnert sich Wingenfeld, die den Fund der beiden vollständigen Skelette am Michaelsberg als durchaus bedeutend für die Stadt einstuft.

Möglich sei so etwas immer wieder, denn die Behauptung, dass Archäologen in erschlossenen Gebieten nichts Neues mehr finden, die stimme schlichtweg nicht. Bester Beweis seien die Arbeiten in der Langebrückenstraße vor drei Jahren gewesen. „Da haben wir genau dort gegraben, wo Joseph Vonderau über 100 Jahre zuvor gegraben hat.“

„Und wie er haben wir auch Schaufeln von Mühlrädern gefunden“, erinnert sich Wingenfeld. Inzwischen jedoch lassen sich solche Stücke im Hinblick auf die Siedlungsgeschichte Fuldas mit neuen Methoden anders interpretieren als Vonderau dies tat. Er war davon ausgegangen, dass sich einst Pfahlbauten in den Auen befanden.

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