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Deutsch-russisches Verhältnis: Fuldas Städtepartnerschaft mit Sergiew Posad vorerst auf Eis

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Von: Sabrina Mehler

Sergiew Posad Fulda Partnerstädte
Vor 30 Jahren, im Winter 1991, wurde die Städtepartnerschaft offiziell gegründet. Bürgermeister Nikolaj Djomin (links) überreichte seinem Fuldaer Amtskollegen, OB Dr. Hamberger (rechts), im Stadtschloss ein Produkt russischer Holzschnitzkunst . © Stadtarchiv Fulda/Hubert Weber

Seit mehr als drei Jahrzehnten besteht eine Partnerschaft zwischen der Stadt Fulda und der russischen Stadt Sergiew Posad. Infolge des russischen Einmarschs in die Ukraine liegt die Freundschaft jedoch vorerst auf Eis. Eine in diesem Sommer geplante Jubiläumsfeier wurde abgesagt.

Fulda - Der Ukraine-Krieg belastet das deutsch-russische Verhältnis. Viele Städte sehen sich nun einem Dilemma gegenüber: Sollen die über Jahrzehnte aufgebauten Partnerschaften mit russischen Orten trotz des völkerrechtswidrigen Angriffkriegs auf Eis gelegt werden – oder sollte der Kontakt unbedingt aufrechterhalten werden?

Fulda: Städtepartnerschaft mit Sergiew Posad vorerst auf Eis

Fulda ist dem Beispiel vieler Städte wie Hamburg, Hanau (Main-Kinzig-Kreis) und Bad Homburg gefolgt und hat die Kontakte zu Sergiew Posad eingestellt. Seit dem Frühjahr herrscht auf allen offiziellen Kanälen Funkstille. Die Feier zum 30-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft, die im vergangenen Jahr wegen der Corona-Pandemie verschoben wurde und eigentlich in diesem Sommer stattfinden sollte, wurde abgesagt.

Fuldas Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld (CDU) will die Kontakte aber auch vor dem Hintergrund des „Putinschen Angriffskriegs“ nicht völlig abreißen lassen. Er betont: „Die auf Ebene der Kommunen geknüpften Freundschaften und Kooperationen dürfen nicht verloren gehen, denn sie bilden die Basis für das Vertrauen in die internationalen Beziehungen. Städtepartnerschaften können Friedensbrücken sein.“

Allerdings sei die Städtepartnerschaft mit Sergiew Posad nicht so sehr von offiziellen Institutionen geprägt. Sie werde vielmehr von engagierten Menschen in beiden Städten getragen, erklärt der OB. Eine dieser Personen ist Ursula Lachmann aus Petersberg. Sie ist Vorsitzende des Freundeskreises Sergiew Posad-Fulda, der erst im vergangenen Jahr für die Bemühungen um die internationale Freundschaft vom Europanetzwerk Hessen ausgezeichnet worden war.

Lachmann sagt: „Wir pflegen unsere Freundschaften weiter und haben auch telefonischen und E-Mail-Kontakt.“ Im März, einige Wochen nach Beginn des Kriegs in der Ukraine, hatte sie eine Mail an russische Freunde verfasst und mit Blick auf die jahrzehntelange Partnerschaft erklärt: „Es ist nicht begreifbar, dass diese Freundschaften in Gefahr geraten könnten.“ Freundschaft und Völkerverständigung blieben weiterhin wichtig, auch für die nachfolgenden Generationen: „Wenn wir diesen Weg verlassen, finden wir ihn nicht wieder.“

30 Jahre Städtepartnerschaft: Jubiläumsfest mit Sergiew Posad abgesagt

Lachmann erinnert an die zahlreichen Begegnungen in der Vergangenheit: Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft im Jahr 2016 hatten 45 Gäste aus Sergiew Posad die Barockstadt besucht. Auch zum Fuldaer Stadtjubiläum waren russische Freunde gekommen. „Und wir hatten wunderbare Feste in Sergiew Posad.“

Zu denen, die die Stadt nordöstlich von Moskau kennenlernen durften, gehört die CDU-Fraktionsvorsitzende Patricia Fehrmann, die nun hin- und hergerissen ist: „Ich plädiere dafür, momentan keine offiziellen Beziehungen zu pflegen. Aber die Freundschaft sollte nicht aktiv beendet werden.“ Die Partnerschaft mit Sergiew Possad lebe von privaten Begegnungen und intensiven Kontakten auf der menschlichen Ebene. „Über Jahre hinweg wurde die Partnerschaft von vielen Personen gepflegt. Es wäre schade, wenn man das jetzt komplett zerstört.“

Sergiew Posad

Sergiew Posad liegt 70 Kilometer nordöstlich von Moskau und hat 111 000 Einwohner. Das Dreifaltigkeits-Kloster des hl. Sergijus ist das bekannteste aller Klöster Russlands. Es zählt seit 1993 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Zu Sowjetzeiten entwickelte sich die Stadt zum Industrieort, wobei auch traditionellesHandwerk gepflegt wurde. Die Stadt gilt als russischer Geburtsort der Matroschkas, der berühmten Schachtelpuppen.

Die Städtepartnerschaft zwischen Fulda und Sergiew Posad wurde 1991 gegründet – kurz bevor die Sowjetunion endgültig zerbrach.

Ähnlich argumentiert Jonathan Wulff, Vorsitzender der SPD-Fraktion: „Es ist wichtig, dass persönliche Kontakte im Sinne einer Bürgerfreundschaft weiterhin unterhalten werden.“ Im Moment sei es aber kaum vermittelbar, wenn offizielle Veranstaltungen wie ein Jubiläumsfest durchgeführt würden. „Wir haben in Fulda viele ukrainische Flüchtlinge. Wir müssen jeden Eindruck vermeiden, dass wir den brutalen Angriffskrieg verharmlosen und zur Tagesordnung übergehen.“

„Zum jetzigen Zeitpunkt ist es richtig, alle offiziellen Kontakte ruhen zu lassen“, findet auch die Vorsitzende der Fraktion der Grünen, Silvia Brünnel. Dies sei zwar bedauerlich, aber angesichts des andauernden Angriffskriegs ein unausweichliches Signal Richtung Russland. „Die über Jahrzehnte gewachsenen wertvollen Beziehungen der Städte sollten jedoch nicht dauerhaft beendet werden, denn mit Blick auf ein friedliches Zusammenleben in Europa sind Dialogbereitschaft und persönliche Freundschaften ein unverzichtbares Gut.“

Die privaten Freundschaften könnten der Städtepartnerschaft ein Fundament verleihen, dass auch in Krisenzeiten tragen kann, erklärt ebenfalls OB Wingenfeld: „Die Stadt Fulda setzt darauf, dass die Gründungsidee der Städtepartnerschaften als Basis der Völkerverständigung sich auch nach einem Ende des Krieges als tragfähig erweist.“

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