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Gedenktafeln für NS-Opfer: Warum es in Fulda keine Stolpersteine gibt

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In Wüstensachsen sind am Mittwoch 14 weitere Stolpersteine verlegt worden. Sie erinnern an in der Nazi-Zeit ermordete Juden.
In zahlreichen Orten rund um Fulda - so wie hier auf dem Foto in Wüstensachsen - wurden bereits Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an in der Nazi-Zeit ermordete Juden. © Hartmut Zimmermann

In mehreren Orten im Kreis Fulda und im Main-Kinzig-Kreis sind Stolpersteine verlegt worden. Diese sollen an jüdische Mitbürger erinnern, die während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden. Die Stadt Fulda verzichtet auf diese Form des Gedenkens.

Fulda - In Schlüchtern sind vor vier Jahren die ersten Stolpersteine verlegt worden, mittlerweile sind es 34 Gedenksteine in der Innenstadt. Von mehr als 300 jüdischen Mitbürgern, die einst dort lebten, wurden sieben Familien symbolisch an ihre letzten Wohnorte gebracht und zusammengeführt. Stolpersteine erinnern nicht nur an Juden mosaischen Glaubens, sondern an alle Opfer der Nazis.

Warum es in Fulda keine Stolpersteine für NS-Opfer gibt

Fulda ist von Orten umgeben, in denen Stolpersteine verlegt wurden. Zuletzt war dies in Schmalnau der Fall. Selbst lehnt die Stadt aber diese dezentrale Form des Gedenkens ab. Es gab in den vergangenen Jahrzehnten Initiativen, seitens der Stadt wurden aber „keine eindeutigen Voten“ für die Projekte abgegeben. Auf Anfrage wies das Presseamt auf das zentrale Gedenken durch ein „Erinnerungsband“ auf den Umrissen der ehemaligen Synagoge und die Auflistung der 244 von den Nazis ermordeten jüdischen Gemeindemitglieder hin: Hier werde ein zentraler Gedenk- und Bildungsort entstehen.

Ebenfalls soll der ehemalige jüdische Friedhof zu „einem weiteren Ort des Erinnerns“ umgestaltet werden. Vor zwei Jahren wurde Anja Listmann zur Beauftragten für das jüdische Leben in Fulda berufen. Als Lehrerin führt sie zahlreiche Projekte mit Jugendlichen in der Winfriedschule durch, in denen die Schicksale der vertriebenen und ermordeten Mitbürger erforscht werden.

Roman Melamed (links) und Clas Röhl stehen in der Fuldaer Synagoge. Sie sprechen in der Synagoge über die Verlegung von Stolpersteinen.
Roman Melamed (links) und Clas Röhl stehen in der Fuldaer Synagoge. Sie sprechen über die Verlegung von Stolpersteinen. © Hanswerner Kruse

In der Barockstadt gibt es eine jüdische Gemeinde mit mehr als 300 Mitgliedern. Hier wird das jüdische Leben mit Erinnerungen und Gedenken gepflegt. Das Verhältnis einiger jüdischer Gemeinden zu den Stolpersteinen ist widersprüchlich: Der orthodoxe Vorsitzende der Fuldaer Gemeinde, Roman Melamed, spricht sich deutlich dagegen aus. Seiner Meinung nach passen sie nicht zum jüdischen Leben und dessen Ritualen. Außerdem seien Tafeln entwürdigend, auf die man mit Füßen treten könne.

Sowohl die Stadt Fulda als auch Listmann favorisieren die zentralen Erinnerungen – die Stadt jedoch nur für jüdische Menschen. Trotz Anfragen im Presseamt lieferte dieses zu Stolpersteinen für nichtjüdische Nazi-Opfer bzw. Juden ohne Religion keine Antwort.

Wichtig sei, so das Fazit des Gesprächs im jüdischen Gemeindezentrum, dass beide Seiten aufeinander zukommen und sich gegenseitig respektieren.

Was sind Stolpersteine?

Über Stolpersteine am Boden sollen die Menschen nur gedanklich stolpern. Denn die Steine regen zum Nachdenken an und erinnern an die überwiegend jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Um die Inschriften zu lesen, muss man sich vor den Gedenktafeln verbeugen und zollt den Opfern so seinen Respekt.

Der Künstler Gunter Demnig wollte die Platten an Gebäuden anbringen, doch die Genehmigung der Besitzer wurde selten gewährt. Daher werden die Steine auf Straßen und Plätzen verlegt, dafür zuständig sind Stadtverwaltungen, keine jüdischen Gemeinden oder andere Institutionen.

Demnig verlegt die ersten Platten immer selbst. Seit dreißig Jahren sind in mehr als 30 Ländern 100.000 Stolpersteine verlegt worden. Es handelt sich um ein dezentrales Erinnerungs- und Gedenkmonument an die Naziopfer. Die Steine sind keine Grabplatten.

In Schlüchtern befassen sich Kinder und Jugendliche in der Max-Wolf-Schule mit der Geschichte einzelner Familien, engagieren sich bei Verlegungen und unternehmen Klassenfahrten in Konzentrationslager. Lehrerin Inga Heß bietet Stadtführungen auf den Spuren jüdischen Lebens an. Dazu ist – wie in Fulda – eine App mit vertiefenden Informationen zum Rundgang geplant. (von Hanswerner Kruse)

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