In der Barockstadt gibt es eine jüdische Gemeinde mit mehr als 300 Mitgliedern. Hier wird das jüdische Leben mit Erinnerungen und Gedenken gepflegt. Das Verhältnis einiger jüdischer Gemeinden zu den Stolpersteinen ist widersprüchlich: Der orthodoxe Vorsitzende der Fuldaer Gemeinde, Roman Melamed, spricht sich deutlich dagegen aus. Seiner Meinung nach passen sie nicht zum jüdischen Leben und dessen Ritualen. Außerdem seien Tafeln entwürdigend, auf die man mit Füßen treten könne.
Sowohl die Stadt Fulda als auch Listmann favorisieren die zentralen Erinnerungen – die Stadt jedoch nur für jüdische Menschen. Trotz Anfragen im Presseamt lieferte dieses zu Stolpersteinen für nichtjüdische Nazi-Opfer bzw. Juden ohne Religion keine Antwort.
Wichtig sei, so das Fazit des Gesprächs im jüdischen Gemeindezentrum, dass beide Seiten aufeinander zukommen und sich gegenseitig respektieren.
Über Stolpersteine am Boden sollen die Menschen nur gedanklich stolpern. Denn die Steine regen zum Nachdenken an und erinnern an die überwiegend jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Um die Inschriften zu lesen, muss man sich vor den Gedenktafeln verbeugen und zollt den Opfern so seinen Respekt.
Der Künstler Gunter Demnig wollte die Platten an Gebäuden anbringen, doch die Genehmigung der Besitzer wurde selten gewährt. Daher werden die Steine auf Straßen und Plätzen verlegt, dafür zuständig sind Stadtverwaltungen, keine jüdischen Gemeinden oder andere Institutionen.
Demnig verlegt die ersten Platten immer selbst. Seit dreißig Jahren sind in mehr als 30 Ländern 100.000 Stolpersteine verlegt worden. Es handelt sich um ein dezentrales Erinnerungs- und Gedenkmonument an die Naziopfer. Die Steine sind keine Grabplatten.
In Schlüchtern befassen sich Kinder und Jugendliche in der Max-Wolf-Schule mit der Geschichte einzelner Familien, engagieren sich bei Verlegungen und unternehmen Klassenfahrten in Konzentrationslager. Lehrerin Inga Heß bietet Stadtführungen auf den Spuren jüdischen Lebens an. Dazu ist – wie in Fulda – eine App mit vertiefenden Informationen zum Rundgang geplant. (von Hanswerner Kruse)