Mehr Kunden und weniger Lebensmittelspenden: Tafeln kommen an ihre Grenzen
Die Schlangen vor den hessischen Tafeln werden immer länger. Gleichzeitig gehen die Lebensmittelspenden zurück. Auch die Tafel in Fulda kämpft mit großem Andrang. Ein Soforthilfepaket der Landesregierung soll Abhilfe schaffen.
Wiesbaden/Fulda - Hessische Tafeln stehen vor einem schwierigen Winter. Es gibt immer mehr Neukunden - aber immer weniger Lebensmittel. „Seit Jahresbeginn sind 35.000 Neukunden zur Tafel gekommen, davon sind 25.000 Geflüchtete aus der Ukraine“, sagt Willi Schmid, Vorsitzender des Landesverbands Hessischer Tafeln. Insgesamt versorgen die Tafeln derzeit 135.000 Menschen in ganz Hessen.
Fulda: Ansturm auf Tafel - mehr Neukunden und weniger Lebensmittel
Auch in Fulda sei die Zahl der Neukunden gestiegen, wie Stefan Schunck bestätigt. Der Vorsitzende der Fuldaer Tafel berichtet, dass sich viele aus der Ukraine geflohene Menschen hilfesuchend an die Tafel wenden. Gleichzeitig seien die Lebensmittelspenden der Supermärkte knapper geworden. „Die Supermärkte kalkulieren wegen der Inflation vorsichtiger - und das auch zurecht“, sagt Schunck. Zudem würden mehr Lebensmittel als Sonderangebote verkauft, die zuvor an die Tafel gespendet worden seien. (Lesen Sie auch: Führungswechsel in bewegten Zeiten: Stefan Schunck neuer Vorsitzender der Tafel Fulda)
Kann der Tafelbetrieb in Fulda dennoch aufrechterhalten werden? „Unsere aktuellen Kunden können wir versorgen; die fehlenden Spenden gleichen wir durch das sehr vorsichtige Zukaufen von Lebensmitteln in den Märkten aus“, schildert Stefan Schunck. Dazu verwende der Verein aber nur Gelder, die auch explizit für den Einkauf gespendet wurden. Die Fuldaer Tafel habe seit einiger Zeit eine Warteliste, auf der aktuell zwischen 120 und 150 Haushalte registriert seien. Auch Energiekrise und Inflation trugen zu der gestiegenen Nachfrage bei, meint Stefan Schunck.
Die Landesregierung stellt den Tafeln nun eine Soforthilfe von 2,2 Millionen Euro zur Verfügung. Das Land hatte bereits 2020 rund 1,25 Millionen Euro Soforthilfe zur Deckung der laufenden Kosten ausgezahlt. Die Soforthilfe entspanne die Lage der Fuldaer Tafel deutlich. „Wir haben schnell und unbürokratisch 40.000 Euro bekommen; dadurch sind wir nicht in einer gefährlichen Situation“, betont der Vorsitzende. Zudem lobt er die große Spendenbereitschaft in der Region.
Die Tafel in Fulda ist nicht die einzige, die derzeit eine Warteliste führt. Mehr als die Hälfte der hessischen Tafeln hat Willi Schmid zufolge aufgrund der hohen Kundenanzahl einen Aufnahmestopp verhängt und arbeitet mit Wartelisten, um einen Überblick zu behalten. „Die Solidarität unter den Kunden ist groß. Das funktioniert ganz gut“, sagt der Vorsitzende des Landesverbands.
Tafel in Fulda erhält 40.000 Euro Soforthilfe von Land Hessen
Hessenweit seien Lebensmittelspenden um etwa 30 Prozent zurückgegangen. „Neben vielen Flüchtlingen kommen aber auch viele Menschen zu uns, die sich zurzeit ihren Lebensunterhalt nicht mehr leisten können“, erklärt Schmid. Nach seinen Worten haben einige Tafeln auch die Zeitspanne zwischen den Ausgabeterminen verlängert oder die Rationen verkleinert. „Manche Tafeln haben ihre Ausgabemenge auf ein Drittel reduziert. Jeder einzelne Kunde bekommt weniger.“
Durch die Zunahme an Sonderangeboten in Supermärkten fehle verstärkt Frischware wie Gemüse und Obst. „Wir sind ja froh, dass die Lebensmittel nicht in der Mülltonne landen. Das ist ein legitimes wirtschaftliches Modell. Wir müssen mit der Situation leben“, sagt Schmid. Der Landesverband engagiere sich für eine direkte Abholung bei den Herstellern in Form von Lebensmittelgroßspenden. „Wir haben die Anzahl der Großspenden verdoppelt. Das ist ein Erfolg. Aber das macht leider nur 15 Prozent des Gesamtaufkommens aus“, sagt er. Das tägliche Einsammeln bei lokalen Geschäften sei deswegen immer noch entscheidend.

In Frankfurt sind vor allem die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer das Hauptthema. „Wir sind personell so stark angespannt, dass wir momentan einen Aufnahmestopp machen mussten“, erklärt der Vorsitzende Rainer Häusler. Man gebe zwar weniger Lebensmittel aus, allerdings sei die Lage noch nicht dramatisch.
Um die Situation der Helferinnen und Helfer zu verbessern, versuche man auch unter den Geflüchteten ehrenamtliche Tätigkeiten zu verteilen. „Wenn allein fünf helfen könnten, dass würde uns natürlich entlasten“, sagt Häusler. Auch sei dann die Verständigung mit nur Ukrainisch sprechenden Kunden leichter. (Lesen Sie auch: Essen spenden, Essen nehmen: In Gersfeld gibt es jetzt eine „Lebensmittel-Insel“)
Laut Schmid vom Landesverband war die Soforthilfe dringend nötig. „Es musste noch keine Tafel schließen, aber wenn die Finanzhilfe nicht gekommen wäre, dann wären viele Tafeln von dem finanziellen Kollaps bedroht“, sagt er. Bis Ende November sollten die Hilfsbeträge ausgezahlt werden. Kleinere Tafeln erhielten rund 22.000, mittlere knapp 40.000 und große Tafeln 65.000 Euro. (mit dpa-Material)