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Alles Tierquälerei? Fahrer von Tiertransportern sprechen über ihre Arbeit

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Von: Walter Kreuzer

Viele Schlachttiere werden mit Tiertransportern durch die halbe Republik zu einem Schlachthof gefahren.
Viele Schlachttiere werden mit Tiertransportern durch die halbe Republik zu einem Schlachthof gefahren. © stock.adobe.com

Zwei Dutzend Rinder, um die 170 Schweine, 400 Lämmer oder Tausende Hühner – Tiertransporte sind in Deutschland an der Tagesordnung. Bei Tierschutzorganisationen stehen sie generell in der Kritik. Tiertransporte sind dennoch nicht unbedingt mit Tierquälerei gleichzusetzen.

Fulda - Die Veterinärämter und die Polizei achten darauf, dass die Vorgaben eingehalten werden. „Manchmal werde ich dreimal in einer Woche kontrolliert und dann wieder ein halbes Jahr gar nicht“, sagt Dirk Limpert. Der Viehhändler aus Tann-Knottenhof ist seit 20 Jahren mit Tieren – bei ihm sind es in der Regel Lämmer – auf seinem Lkw unterwegs. Ziel ist oft ein Schlachthof im Ruhrgebiet oder in Stuttgart.

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Diese Strecken sind in keiner Weise mit jener vergleichbar, die jüngst negativ in den Schlagzeilen war. Da sollten Kälber ohne ausreichend Wasser und Futter über Tausende Kilometer nach Usbekistan gebracht werden.

Tierquälerei bei Tiertransport? - Fahrer laden die Wagen mit Tieren voll

Und dies mit der grundsätzlichen Genehmigung der Behörden. In Hessen sind solche Transporte seit zwei Jahren verboten (siehe Infokasten), nun ziehen einige andere Bundesländer nach.

„Um Tiere fahren zu dürfen, braucht man einen Sachkundenachweis. Unser großer Transporter hat Tränkanlage und Lüftung. Er ist für Langstreckentransporte ausgerüstet und auch entsprechend zertifiziert“, gibt der 41-Jährige einen Einblick in die Vorgaben. Dass diese nicht von all seinen Kollegen eingehalten werden, ist ihm durchaus bewusst:

„Manche Speditionen werden nach Stück bezahlt. Die laden den Wagen dann mit Tieren richtig voll.“ Diese Unternehmen hätten keinen finanziellen Schaden, falls ein Tier stirbt. Limpert: „Wenn bei uns ein Transportschaden entsteht, also ein Tier stirbt, dann sind das meine Kosten.“ Ein Lamm kostet ihn immerhin um die 120 Euro.

Transportfahrer sehen sich dem Vorwurf der Tierquälerei ausgesetzt

Kontrollen

Hessen: In Hessen wurden 2019 bei Rindertransporten 845 Kontrollen vorgenommen und dabei 25 Verstöße festgestellt, teilt das Landwirtschaftsministerium auf Anfrage mit. 1967 Schweinetransporte wurden kontrolliert – und dabei 18 Verstöße festgestellt. 148 Verstöße gab es bei 5743 Kontrollen von Geflügeltransporten. Die Hitliste der festgestellten Mängel wird angeführt von unzureichender Ladehöhe und unzureichender Transportfähigkeit der Tiere aufgrund von Krankheit und Verletzungen sowie Mängel bei den mitgeführten Papieren. Es folgen Überschreitung der zulässigen Höchsttemperatur sowie technische Mängel und unzureichende Ausstattung von Transportfahrzeugen.

Landkreis Fulda: Die Veterinärämter und die Polizei führen „regelmäßig und risikoorientiert“ Kontrollen durch, schreibt das Landratsamt Fulda. Am Schlachthof „finden solche Kontrollen arbeitstäglich statt“. „Am häufigsten werden Mängel in der Dokumentation beanstandet. Gelegentlich seien beispielsweise die Gruppen zu groß oder unverträgliche Tiere nicht ausreichend voneinander abgegrenzt. So „sollen horntragende Tiere nicht mit hornlosen zusammen transportiert werden, und Bullen nicht mit Kühen“. Vereinzelt würden Tiere transportiert, die nicht transportfähig seien.

Polizei Osthessen: „Jährlich werden mehrere Sonderkontrollen von Tiertransporten vorgenommen. Außerdem kontrollieren wir solche Fahrzeuge im Rahmen der normalen Kontrolltätigkeit. Die Veterinärämter nehmen teil oder sind abrufbar“, teilt Patrick Bug, Sprecher des Polizeipräsidiums Osthessen mit. Häufige Beanstandungen seien fehlende Dokumente, der Reinigungszustand, unzureichende Rückenfreiheit bei Rindertransporten oder es würden zu viele Tiere transportiert. Bug: „Verletzte oder nicht transportfähige Tiere wurden zuletzt nicht mehr festgestellt.“ 

Während behördliche Kontrollen Routine sind, möchte Limpert sich an das Verhalten mancher Passanten nicht gewöhnen: „Auf der Autobahn Richtung Stuttgart wurde neben mir gehupt. Als ich hinschaute, zeigte mir jemand den Mittelfinger. Vergangenen Sommer wurde ich nachts beim Tanken in Oberrombach von zwei Frauen als Tierquäler beschimpft. Auch an Raststätten wird man immer wieder blöd angesprochen.“ Mit freundlichen Leuten unterhalte er sich, „wenn sie aber frech werden, lasse ich sie stehen und fahre weiter“, sagt Limpert.

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Die Erfahrungen ähneln sich. Auch ein Fahrer der Landwirtschaftlichen Vieh- und Fleischvermarktung Hünfeld-Fulda (LVF) berichtet davon, dass er regelmäßig beschimpft werde oder einen Mittelfinger zu sehen bekomme. Daher will er auch nicht mit vollem Namen in der Zeitung genannt werden. Mit Lkw samt Anhänger bringt er 100 Schweine zum Schlachthof nach Fulda. Die jeweils knapp 120 Kilo schweren Tiere hat er zuvor bei sechs Landwirten im Schlitzerland, im Raum Eiterfeld und in der Rhön abgeholt.

Beruf als Tiertransport-Fahrer: Man sollte mit Tieren umgehen können

Beim Abladen wird deutlich, was Fahrer von Tiertransportern vor allem brauchen: Geduld. „Wenn man eine Aversion gegen Tiere hat, braucht man diesen Beruf nicht zu machen“, erzählt Thomas, der diesen Job seit fast 30 Jahren macht. „Man sollte ein bisschen mit Tieren umgehen können. Wenn sie nicht wollen, dann wollen sie nicht.“ Die Tiere werden lose über eine Rampe abgeladen und „so wie sie vom Bauer kommen in kleineren Gruppen“ in die Boxen des Stalles am Schlachthof gebracht.

Rechtlicher Rahmen für Tiertransporte

Verordnungen der EU, des Bundes und der Länder setzen mit Mindestanforderungen aus Sicht von Tierschutz und Tierseuchenschutz den Rahmen für Tiertransporte. Geregelt sind etwa Transportfähigkeit, Klimabedingungen oder die Besatzdichte und Transportdauer sowie die Versorgung der Tiere. So müssen zum Beispiel „Rinder nach spätestens 29 Stunden Fahrt in einem Transporter in speziellen Versorgungsstationen abgeladen, gefüttert und getränkt werden“. Die Temperatur beim Transport muss zwischen 5 und 30 Grad liegen.

Laut hessischem Landwirtschaftsministerium wurden in den Jahren „2018, 2019 und im ersten Halbjahr 2020 keine Exporte von Schlachttieren unmittelbar aus Hessen in Drittländer abgefertigt“. Dies schließe nicht aus, dass Tiere aus Hessen über Sammelstellen in anderen Bundesländern in den Export gelangen. „Diese Angaben müssen nicht an Hessen gemeldet werden.“

Im April 2019 hat Hessen einen Transportstopp in 17 Drittländer erlassen. „Grund dafür seien Hinweise und Informationen gewesen, dass auf Transportrouten in diese Länder erhebliche Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften zu befürchten sind“. Neben einigen nordafrikanischen Staaten und der Türkei handelt es sich vor allem um ehemalige Sowjetrepubliken im asiatischen Raum, aber auch um Süd- und Ostrussland. Auf Bundesebene setzt sich Hessen dafür ein, dass „innerstaatliche Transporte bei Außentemperaturen über 30 Grad auf deutlich unter acht Stunden begrenzt werden und für Transporte in Drittländer eine bundesweite Datenbank eingerichtet“ wird.

In den 1990er Jahren sei Schlachtvieh noch vorwiegend angebunden transportiert worden. Heutzutage sei es leichter: „Du brauchst die Tiere nicht mehr aus dem Stall rausziehen. Sie laufen mehr oder weniger allein. Auch die Schweine sind stressstabiler. Während der Fahrt legen sie sich, während das Großvieh nebeneinander steht.“

Lesen Sie hier: In einigen großen Schlachthöfen ist der Coronavirus ausgebrochen. Dass der Fuldaer Schlachthof ein Corona-Brennpunkt wird, ist laut Betreibern unwahrscheinlich. Der Fuldaer Schlachthof hat für die regionale Fleischbranche einen enormen Stellenwert. Außerdem: Legehennen vor der Schlachtbank retten: Projekt „Unser glückliches Huhn“ wächst. Im Landkreis Fulda sinkt die Zahl der Schlachtungen.

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