Immer mehr Menschen in Osthessen fallen auf Betrüger rein - Das sind die häufigsten Tricks

Immer mehr Menschen in der Region werden Opfer von Trickbetrügern. Die Täter gehen dabei geschickt vor, ihre Strategien sind erprobt. Eine Trickbetrugsexpertin warnt vor den fünf gefährlichsten Maschen.
Osthessen - Die häufigste Trickbetrugmasche ist der sogenannte Enkeltrick, sagt Sandra Hanke vom Polizeipräsidium Osthessen in Fulda. Am Telefon meldet sich jemand mit „Hallo Oma, rate mal, wer dran ist“. Noch wirkungsvoller sind Schockanrufe: Der Anrufer meldet sich aufgelöst mit „Hallo Opa, ich bin’s“ am Telefon, ohne selbst einen Namen zu nennen.
Häufig reagieren die angerufenen Personen in Aufruhr damit, ihr vermeintliches Familienmitglied beim Vornamen zu nennen („Anna, bist du’s?“) und spielen den Betrügern damit in die Hände.
Die Täter wissen nun, dass eine Enkelin namens Anna existiert und können darauf aufbauen: Anna könnte zum Beispiel einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht haben und nur gegen eine Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen werden oder gegen Schmerzensgeld einer Anklage durch die Angehörigen des Opfers entgehen. (Lesen Sie hier: Enkelin soll tödlichen Verkehrsunfall verursacht haben - Trickbetrüger bringen Seniorin um 50.000 Euro)
Fulda: Immer mehr Opfer von Betrug - Das sind die häufigsten Tricks
In manchen Fällen folgt ein zweiter Anruf eines falschen Polizeibeamten oder Anwalts, der die gefährliche Situation bestätigt. „Für die Übergabe von Bargeld werden häufig offizielle Stellen, wie zum Beispiel das Amtsgericht oder die Polizeistation, gewählt“, erklärt Hanke. Das steigere die Glaubhaftigkeit.
„Wenn Emotionen im Spiel sind, schaltet die Vernunft ab. Man muss sich daher nicht schämen, wenn man auf die professionellen Betrüger hereinfällt.“ Die Täter forderten meist Beträge ab 10.000 Euro. Im Jahr 2021 seien 18 Enkeltrick- und Schockanrufe mit Erfolg in Osthessen durchgeführt worden.
Ende 2021 hat die Polizei den Trick das erste Mal auch auf WhatsApp festgestellt. Die Betrüger schreiben dann Nachrichten wie „Hallo Opa, mein altes Handy ist kaputt und deswegen habe ich eine neue Nummer“ und bitten darum, Geld für unbezahlte Rechnungen vorzustrecken, bis das Online-Banking auf dem neuen Gerät funktioniere. „Die Täter brechen den Kontakt nicht direkt ab, wenn das Geld überwiesen wurde. Deswegen fliegt der Betrug oft erst viel später auf, und das Geld kann nicht mehr so einfach zurückgeholt werden“, schildert Hanke.
Eine weiter Masche, die seit 2015 sehr häufig vorkommt, ist der „falsche Polizeibeamte“. Dabei gibt sich jemand am Telefon als Polizist der örtlichen Dienststelle aus: „Wir haben zwei Einbrecher in Ihrer Nachbarschaft festgenommen, die zu einer Bande gehören. Bei ihrer Durchsuchung haben wir einen Zettel mit Ihrem Namen und Informationen, unter anderem zu Ihren Bankkonten, gefunden.“ (Lesen Sie auch: 47-Jährige durchschaut Trickbetrug durch falschen Polizeibeamten)
Bei dieser Masche machen die Täter ihre Opfer mürbe, indem sie Angst schüren: „Schließen Sie bitte alle Türen und Rollläden; legen Sie sich flach auf den Boden, es könnten Schüsse fallen.“ Dann bringen die falschen Polizeibeamten ihre Opfer mithilfe von Suggestivfragen dazu, Details über ihre Besitztümer zu verraten. Um diese vor der Bande zu „schützen“, sollen sie ausgehändigt werden.
Manchmal geben die falschen Polizeibeamten auch an, dass Bankangestellte Teil der Verbrecherbande sind: „Sie können uns dabei helfen, die Bande zu überführen. Sie heben Geld von Ihrem Bankkonto ab und händigen es der Polizei aus. Wir überprüfen dann, ob es sich um Falschgeld handelt, und geben Ihnen Ihr Geld zurück“, lautet ein solcher Vorwand. „Die Täter bestellen ihren Opfern für den Gang zur Bank oder die Geldübergabe sogar Taxis, wenn sie nicht mehr mobil sind“, berichtet die Pressesprecherin. Die Durchführung dieses Trickbetrugs könne Stunden, Tage oder Wochen andauern.
„Wenn Emotionen im Spiel sind, schaltet die Vernunft ab“
Oft führten die Betrüger stundenlange Telefonate in den Abendstunden, wenn die Menschen anfälliger für Furcht sind. „Dabei gibt es keinen persönlichen Kontakt, die Betrüger wickeln alles am Telefon ab. Kommt es zu einer Übergabe von Bargeld, ist ein Abholer involviert“, erklärt Hanke. Dabei handle es sich nie um dieselbe Person, wie am Telefon. „Im Jahr 2021 wurde dieser Trickbetrug sieben Mal erfolgreich durchgeführt.“ Oft verwendeten die Täter dabei über das Internet verschlüsselte Rufnummern – teilweise sogar Nummern der örtlichen Polizei.
Neben Polizeibeamten geben sich die Betrüger auch gerne als Mitarbeiter einer Computerfirma aus. „Sie haben ein Virus auf Ihrem Computer, dass Ihre persönlichen Daten und Ihr Online-Banking ausspioniert“, heißt es von dem falschen Mitarbeiter dann am Telefon. Er fragt nach vertraulichen Daten wie der IP-Adresse, die ihm einen Fernzugriff ermöglichen, um Ihr „Problem“ zu lösen. Dann sollen die Angerufenen ihr Online-Banking öffnen und mehrere TAN-Nummern generieren. Mit diesen können die Täter später mehrere Überweisungen von Ihrem Konto aus tätigen.
Prävention
Die Polizei empfiehlt: Seien Sie misstrauisch, wenn sich jemand am Telefon nicht mit Namen vorstellt oder als Polizeibeamter beziehungsweise Person der Justiz ausgibt, den Sie als solchen nicht erkennen. Grundsätzlich fragt die Polizei niemals am Telefon nach Vermögensverhältnissen.
Polizeibeamte weisen sich jederzeit gerne aus – prüfen Sie die Identität der Beamten sowohl in Person als auch am Telefon. Rufen Sie dazu im Polizeipräsidium an und erkundigen sich dort nach der Person, die Sie angerufen hat oder vor Ihrer Haustür steht.
Außerdem soll man sich immer rückversichern, wer am Telefon ist. Beenden Sie Telefonate von unbekannten Nummern und rufen Sie die Personen unter dem Ihnen bekannten Anschluss an.
Werden Sie bei Geldforderungen am Telefon hellhörig und legen den Telefonhörer auf, sobald Ihr Gesprächspartner Geld fordert. Stellen Sie viele, möglichst persönliche Fragen. Übergeben Sie nie Geld oder Wertsachen an Ihnen unbekannte Personen.
Die Polizei empfiehlt zudem, sich aus Telefonbüchern streichen zu lassen.
„Manchmal geht mehrere Tage vor dem Anruf bereits ein falscher Brief ein, der wegen einer Sicherheitslücke neue Zugangsdaten für das Online-Banking enthält. Im Telefonat knüpft der Täter dann an diesen Brief an“, sagt Sandra Hanke. 2021 habe es 84 derartige Fälle gegeben, von denen 36 erfolgreich waren. Dabei wurden der Betrugsexpertin zufolge Beträge im drei- bis fünfstelligen Bereich erbeutet.
Das „Urspungsdelikt“ des Trickbetrugs - das Gewinnspiel-Versprechen - kam früher per Post in den Briefkasten geflattert. Am Telefon sind es häufig Bandansagen und Anrufe, bei denen den Adressaten ein Gewinn in Aussicht gestellt wird. Um diesen freizuschalten, sollen sie einen geringen Betrag auf ein Bankkonto überweisen.
Video: Trickbetrug am Telefon: Mit diesen Tipps können Sie sich schützen
„Diese Masche bringt nicht viel Geld, aber die Täter testen damit, ob man für Trickbetrug empfänglich ist“, sagt Sandra Hanke. „Die Delikte vermischen sich. Es entstehen Schäden im hohen sechsstelligen Bereich. Wir sprechen hierbei von Existenzen, Versicherungen und Erbe – deshalb kommt es oft zum sozialen Rückzug der Opfer. Das Umfeld sollte daher mit Verständnis reagieren und keine Vorwürfe machen.“
Zuletzt gibt es noch den klassischen Trickbetrug an der Haustür. Dabei ist kein Telefon involviert. Ein angeblicher Mitarbeiter einer beliebigen Firma, zum Beispiel eines Netzwerkunternehmens oder der Strom- und Gasversorgung, klingelt und möchte einen Anschluss überprüfen. Der falsche Mitarbeiter verkauft seinen Opfern dann entweder überteuerte „Zusatzverträge“, die zum Beispiel die Qualität des Internetsignals verbessern sollen, oder er führt mangelhafte und überteuerte Reparaturen im Haus durch.
Diese Masche enthält zwar persönlichen Kontakt, fliegt aber nur selten auf: „Die Leute merken oftmals auch hinterher lange nicht, dass sie betrogen wurden. Sie ärgern sich über überteuerte Leistungen, die sie an die falsche Firma zahlen, aber nehmen es in Kauf.“ Daher gebe es kaum Zahlen zu diesem Delikt. Auch der Trickdiebstahl findet in Person statt: Der falsche Dienstleister lehnt die Haustür, nachdem er hinein gelassen wurde, nur an und lenkt die Bewohner ab. Hinter ihm schlüpft dann ein Komplize ins Haus, der Wertsachen sucht und mitgehen lässt.