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Chatverläufe im Raserprozess verlesen: Angeklagter bangte nach dem Unfall um das Opfer

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Von: Marcus Lotz

Die Polizei ermittelt zu einem Verkehrsunfall am Gallasiniring in Fulda.
Am 19. August soll der Angeklagte die 71-jährige Frau so schwer angefahren haben, dass diese später ihren Verletzungen erlag. © Fuldamedia

In dem Totschlagprozess um den 21-Jährigen, der im August eine 71-Jährige so schwer angefahren haben soll, dass diese ihren Verletzungen erlag, sind am Mittwoch Chatprotokolle verlesen worden. Darin zu lesen: Der Angeklagte bangte um das Leben seines Opfers.

Fulda - Er war auf der Flucht vor der Polizei, als der Angeklagte am 19. August in den Gallasiniring einbog und die 71-Jährige mit seinem BMW erfasste. Bis hierhin hatte der 21-Jährige das Geschehen bereits gestanden. Eine Zeugin hatte vor dem Landgericht Fulda jedoch ausgesagt, der Angeklagte habe die Frau nach der Kollision mehrfach zwischen Fahrzeug und einer nahen Mauer eingeklemmt, wohl bei dem Versuch, wieder freizukommen. Das hatte der Beschuldigte beim Prozessauftakt bestritten.

Fulda: Chatverläufe im Raserprozess verlesen - Angeklagter bangte um Opfer

Auch mehrere Angehörige der Polizei schilderten am Mittwoch vor Gericht, dass der Angeklagte diesen Teil des Tatvorwurfs in Verhören vehement bestritten hatte. So ließ das Gericht Vernehmungsprotokolle verlesen, in denen der 21-Jährige geäußert hatte: „Wenn man eine Oma anfährt und dann noch mal aufs Gas drückt, dann hat man sie ja nicht mehr alle!“ Außerdem hatte er argumentiert: „Das Auto war kaputt. Warum sollte ich da noch mal Gas geben?“ Auf Nachfrage der Polizei zeigte er sich zudem sicher, Gas und Bremse auf keinen Fall verwechselt zu haben.

Aufschlussreicher waren die Auswertungen der Chatverläufe zwischen dem Angeklagten und seiner Freundin. Aus diesen ging hervor, dass der 21-Jährige regelmäßig Cannabis konsumierte. Ein Bußgeldbescheid vom 12. April 2022 belegte zudem, dass er damals unter Einfluss von Cannabis und Kokain am Steuer gesessen hatte. Auch im August hatte der Angeklagter seiner Aussage vor Gericht zufolge Cannabis konsumiert und sich dadurch „schwächer und müder“ gefühlt.

Während der Verhandlung kamen dem 21-Jährigen (Zweiter von links) immer wieder Tränen.
Bereits beim Prozessauftakt Ende Januar waren dem 21-jährigen Angeklagten immer wieder Tränen gekommen. © Marcus Lotz

Am Tattag war der Angeklagte zudem ohne Führerschein unterwegs gewesen, da dieser zuvor eingezogen worden war. Per WhatsApp hatte seine Freundin bereits geklagt: „Na toll, jetzt habe ich einen Freund ohne Führerschein“, woraufhin dieser geantwortet hatte, das Auto habe er ja weiterhin, er könne trotzdem noch manchmal fahren.

Wenn sie nicht überlebt, werde ich mein Leben lang nicht mehr glücklich

WhatsApp-Nachricht des Angeklagten im Raserprozess

Auch direkt nach dem Unfall tauschte sich der Angeklagte im Krankenhaus über WhatsApp mit seiner Freundin aus. „Soll ich der Polizei sagen, wie es war, oder nur dem Anwalt?“, fragte er seine Freundin und äußerte die Sorge: „Ich will nicht in den Knast.“ Sein Reifen sei geplatzt, er habe nicht mehr lenken können und „die Omi“ angefahren. „Wenn sie nicht überlebt, werde ich mein Leben lang nicht mehr glücklich“, schrieb er an seine Freundin. Diese antwortete: „Du hast Mist gebaut. Jetzt bete für die Frau.“

Doch obwohl der Angeklagte betete, verstarb die Frau wenige Tage nach der Kollision an den Folgen eines schweren Schädel-Hirn-Traumas. Zuvor war sie mit einer Fraktur am Schädel, Hämatomen am und im Kopf, Einblutungen, die auf das Gehirn drückten, einem gebrochenen Nasenbein und gebrochenen Jochbögen, einem gebrochenen Halswirbelknochen – und Corona – ins Krankenhaus gekommen.

Eine Oberärztin berichtete, dass die Patientin, wie in einem solchen Fall üblich, in eine tiefe Narkose versetzt worden sei. Doch als die Narkosemittel schrittweise zurückgefahren und schließlich komplett abgesetzt wurden, habe die Patientin weiterhin nicht auf Ansprache reagiert. Als der Vorsitzende Richter Josef Richter aus der Akte verlas, dass die Patientin am 31. August um 6.58 Uhr „ohne Anzeichen von Schmerzen oder Stress“ verstarb, kamen dem Angeklagten die Tränen.

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