Das Bundesgesundheitsministerium betont auf Nachfrage unserer Zeitung, dass Überschüsse eine unvermeidbare Folge einer Strategie seien. Die EU-Kommission habe dies „nach Abwägung in Abstimmung mit allen Mitgliedstaaten in Kauf genommen, um eine schnelle Versorgung in der Akutphase der Pandemie sicherzustellen“. Die Dosen, die ablaufen, würden fachgerecht entsorgt werden. Eine Impfstoffspende von Vakzinen, die abgelaufen sind, sei nicht erlaubt. „Die Strategie der Impfstoffbeschaffung hat sich bewährt“, betont eine Sprecherin des Ministeriums.
Bereits im September 2021 hat Biontech die Haltbarkeitsdauer für gefrorene Durchstechflaschen von sechs auf neun Monate verlängert. Innerhalb dieser neun Monate können ungeöffnete Durchstechflaschen für zwei Wochen bei -25 Grad Celsius bis -15 Grad Celsius gelagert und transportiert werden. Danach ist eine erneute Aufbewahrung bei -90 bis -60 Grad möglich.
Auch die Haltbarkeit des Moderna-Impfstoffs Spikevax wurde um zwei Monate verlängert und beträgt nun neun Monate. Das erklärt das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Homepage.
Abgelaufener Impfstoff wurde in der Vergangenheit immer mal wieder wahrscheinlich versehentlich verimpft. Diese Impfpannen, etwa in Köln oder Oberbayern, machten dann bundesweit Schlagzeilen. Im Zuge dessen erklärte das Paul-Ehrlich-Institut der Zeitung „Morgenpost“, dass von abgelaufenen Impfstoffen keine gesundheitliche Gefahr ausgehe. Allerdings könne es Einbußen bei der Wirksamkeit geben. Das Institut geht jedoch nicht von einem Komplettverlust des Wirkstoffs aus.
Und zu dieser Strategie gehören weitere Bestellungen. Bisher befinden sich im zentralen Lager des Bundes Impfstoffe gegen den Wildtyp von Sars-CoV-2. Allerdings – so betont es die Sprecherin – habe die Bundesregierung sichergestellt, dass „die notwendigen Schritte zum zeitnahen Bezug von neu entwickelten, an die Omikron-Variante angepassten Impfstoffen in die Wege geleitet“ seien.
Vor September rechnet Gesundheitsminister Lauterbach jedoch nicht damit, dass ein Impfstoff gegen die Omikron-Variante verfügbar sein wird. Aber: Bestellt ist er offenbar. Und auch die Weichen für die Finanzierung wurden gelegt: Im Haushalt stehen 830 Millionen Euro zur Verfügung, um etwa bei Moderna einen Impfstoff zu kaufen, der sowohl gegen den Wildtyp als auch gegen Omikron schützt.
Wie hoch der Verlust sein wird, wenn abgelaufene Impfdosen nicht verimpft, sondern vernichtet werden müssen, darauf gibt das Ministerium auch auf Nachfrage keine konkrete Antwort. Man kann es nur erahnen: Im vergangenen Jahr, als es darum ging, dass die EU bis 2023 insgesamt 1,8 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff von der Mainzer Firma Biontech ordern werde, kursierte ein Preis von 19,50 Euro pro Dosis.
Der Landkreis Fulda, der derzeit noch Impfungen über den Impfbus anbietet, habe keinen Impfstoff gelagert, der demnächst abläuft. „Die Bestellungen werden aktuell geplant und ausgelöst“, erklärt Leoni Rehnert von der Kreisspressestelle.
Im Impfzentrum, das bis Ende September 2021 in Betrieb war, oder bei den mobilen Gruppen habe „nicht ein Stück“ aufgrund eines Ablaufdatums vernichtet werden müssen. Laut der aktuellen Statistik des Landes Hessen sind im Landkreis Fulda bisher knapp 500 000 Impfungen durchgeführt worden. Rund 174 000 davon sind Zweitimpfungen.
Corona-Impfungen werden außerdem noch durch das Klinikum, das DRK sowie von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten durchgeführt. Die Bereitstellung aller Impfstoffe erfolgt durch den Bund: Der benötigte Impfstoff wird bei den Apotheken bestellt und direkt vom Bund über den Pharmagroßhandel und die Apotheken ausgeliefert.
Vielleicht nimmt die Impfkampagne auch wieder an Fahrt auf. Die Bundesregierung will bis zum Herbst jedem und jeder ermöglichen, eine vierte Corona-Impfung zu bekommen. Derzeit sind nur etwa sechs Prozent der Deutschen vier Mal geimpft – die Ständige Impfkommission empfiehlt diesen zweiten Booster bislang nur Risikogruppen und Personen ab 70 Jahren. Lauterbach spricht sich schon jetzt für eine vierte Impfung für alle aus. Gegenüber dem ZDF sagte er: „Diejenigen, die den Sommer für sich selbst absichern wollen – da ist eine vierte Impfung auf jeden Fall eine gute Investition, weil sie wird für einige Monate das Risiko, sich zu infizieren reduzieren und vor schweren Verläufen schützen.“