Die Frage, wie gut die Versorgung mit Benzin und Diesel ist, ist in diesen Tagen mehr als berechtigt. Tatsächlich haben derzeit praktisch alle Tankstellen mit großen Nachschubproblem zu kämpfen. Da der Sommer so heiß und trocken ist, führen die Flüsse wenig Wasser. Dabei sind Rhein, Main und Donau die wichtigsten Transportwege für Benzin und Diesel. Bei den niedrigen Pegelständen können Frachter nicht voll beladen werden.
Für die Schifffahrt gehört der Abschnitt unterhalb des berühmt Loreley-Felsens bei Kaub in Rheinland-Pfalz bis heute zu den gefährlichsten Stellen auf dem Rhein. Mitte Juli lag der Pegelstand dort letztmals über einem Meter. Am Montag (8. August) lag er bei nur 55 Zentimetern. Er nähert sich langsam der 40-Zentimeter-Marke. Darunter ist Schifffahrt mit großen Warenmengen praktisch nicht mehr möglich. Das hat Folgen für die Versorgung der Tankstellen.
„Die Lage auf dem Markt ist sehr angespannt. Auf dem Rhein ist die Schifffahrt südlich der Stadt Kaub wegen Niedrigwassers fast unmöglich geworden“, sagt Ulrich von Keitz, Geschäftsführer des Fuldaer Unternehmens Knittel. Das Familienunternehmen versorgt 65 Tankstellen mit Nachschub. „Aktuell sind wir noch versorgt – auch deshalb, weil wir nicht auf Nachschub über den Wasserweg angewiesen sind“, sagt der Geschäftsführer.
Aber auch bei von Keitz steigt der Puls: „Die Lage ist durchweg angespannt. Der Horizont, in dem wir unseren Nachschub planen können, wird knapper. Wir blicken eher tageweise als wochenweise voraus“, äußert von Keitz. Dass die Situation so angespannt ist, hängt auch mit dem Krieg in der Ukraine zusammen. Vor allem in Deutschland werden derzeit große Kapazitäten für den Transport von Kohle benötigt, die zur Stromerzeugung gebraucht wird. Der Preis einer Tonne Ware per Schiff ist binnen weniger Monate von 20 bis 30 Euro auf zuletzt 180 Euro gestiegen.
Mit der Bahn und Lastwagen ließen sich die wegfallenden Schiffstransporte nur schwer ersetzen, sagt von Keitz. Selbst die Raffinerien in Karlsruhe und Ingolstadt, die ihren Nachschub per Pipeline von der Adria bekämen, hätten Probleme: Sie bekommen die Nebenprodukte, die bei der Spritproduktion entstehen, nicht abtransportiert.
In den Grenzregionen in Süddeutschland sei die Versorgungslage schon länger angespannt, weil viele Autofahrer aus Frankreich, der Schweiz und Österreich zum Tanken nach Deutschland kämen. Wegen des Tankrabatts sind die Preise hier niedriger.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schlägt Alarm. „Die deutsche Industrie sieht die Gefahr, dass die niedrigen Pegelstände die Kapazitäten in der bereits hoch ausgelasteten Binnenschifffahrt weiter verknappen. Die Lage kann sich rasch zuspitzen, auch wenn die Versorgung der Industrie über die Wasserstraßen aktuell noch sichergestellt ist“, erklärt der Verband. Erste Pegelstände im Rhein lägen bereits unter dem Niveau des Extremniedrigwasserjahrs 2018.
Die Binnenschifffahrt brauche für kommende Trockenperioden einen Krisenresilienzplan und für Niedrigwasser geeignete Schiffe, fordert der BDI. Die Bundesregierung müsse gemeinsam mit den Ländern, der Logistikwirtschaft und der Industrie den Umgang mit drohenden Engpässen auf den Wasserstraßen frühzeitig vorbereiten.