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Ärger um 282.000-Euro-Auftrag - Gemeinde Eichenzell vergaß europaweite Ausschreibung

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Von: Volker Nies

In Eichenzell gab es Ärger wegen eines Vergabe-Verfahrens.
In Eichenzell gab es Ärger wegen eines Vergabe-Verfahrens. © Daniela Petersen

Die Regeln sind klar: Wenn eine Gemeinde einen Auftrag über mehr als 214.000 Euro ausschreibt, dann muss sie europaweit ausschreiben. Die Gemeinde Eichenzell hat einen IT-Auftrag von 282.000 Euro vergeben – ohne Ausschreibung. Das macht der Landkreis öffentlich.

Eichenzell - 174 Seiten ist er dick, der Prüfungsbericht des Landkreises über die Eichenzeller Finanzen im Jahr 2020. Fünf Zeilen auf Seite 30 des Berichts haben es in sich: Darin schreibt der Kreis, bei der Vergabe eines IT-Auftrags seien „die vergaberechtlichen Vorschriften nicht eingehalten worden“. Details des Vorgangs nennt der Prüfungsbericht nicht.

In einem nicht öffentlichen Schreiben an den Gemeindevorstand nennt der Kreis Details: Es geht um einen Beschluss des Gemeindevorstands vom 17. Juni 2020. Da war der damals neue Bürgermeister Johannes Rothmund (CDU) gerade einmal zwei Wochen im Amt. Der Vorstand vergab einen Auftrag über die Auslagerung der IT der Gemeindeverwaltung an eine Firma im Landkreis Fulda.

Fulda: Zoff um 282.000 Euro - Auftragsvergabe in Eichenzell rechtswidrig?

Für die Dienstleistung über fünf Jahre zahlt die Gemeinde 282.000 Euro netto – mit Mehrwertsteuer also 335.000 Euro. Der Landkreis bewertet eindeutig: Eine EU-weite Ausschreibung wäre erforderlich gewesen. Die Revision beim Landkreis moniert auch, dass der Auftrag nur vom Stellvertreter des Bürgermeisters, dem Ersten Beigeordneten Peter Happ (CDU), unterschrieben wurde. Rechtsverbindlich sei die Auftragsvergabe aber nur dann, wenn ein weiterer Beigeordneter mit unterschreibt.

„Die Fehler in der Gemeindeverwaltung sind so massiv, dass man sich nur wundern kann“, sagte Joachim Weber, Chef der Bürgerliste, in der jüngsten Sitzung der Gemeindevertretung, in der über die Ausschreibung diskutiert wurde. „Für die Gemeinde sind öffentliche Ausschreibungen Tagesgeschäft. Wie kann man da eine Ausschreibung vergessen?“, kritisierte Weber.

Entlastung verweigert - Vorwürfe in Richtung Gemeindevorstand

Er kündigte an, seine Fraktion werde einen Akteneinsichtsausschuss beantragen. Darin können sich die Fraktionen alle Akten der Verwaltung zu dem Vorgang ansehen. „Ob kein Schaden entstanden ist, wie Haupt- und Finanzausschuss-Chef Peter Seufert annimmt, wissen wir nicht. Hunderte Firmen bieten die von uns gesuchte IT-Dienstleistung an.“

Die Bürgerliste und Teile der SPD verweigerten dem Gemeindevorstand wegen der Auftragsvergabe die Entlastung. Die Mehrheit stimmte jedoch dafür. SPD-Fraktionschef Lutz Köhler begründete: „Solch ein Fehler darf sich nicht wiederholen. Aber der Abschluss insgesamt ist in Ordnung.“

Ähnlich äußerte sich FDP-Fraktionschef Claus-Dieter Schad: „Wir sind für die Entlastung, aber ich erwarte, dass Konsequenzen gezogen werden.“ CDU-Fraktionschef Julian Rudolf nahm den Rathauschef in Schutz: „Die Auftragsvergabe war fehlerhaft, aber der Bürgermeister hat sich entschuldigt, und die Zahlen des Abschlusses sind außerordentlich gut.“ (Lesen Sie hier: Autobahnanschluss für Gersfeld? Gemeinde Eichenzell ist eher skeptisch)

Landkreis Fulda stellt Vergaberechtsverstoß fest

Bürgermeister Johannes Rothmund (CDU) räumt den Fehler ein: „Ja, es ist eindeutig: Wir hätten ausschreiben müssen.“ Er erklärt sein Vorgehen so: „Schon 2019 hat die Gemeinde den Grundsatzbeschluss getroffen, die IT an die Firma auszulagern. Schon da wurde fälschlicherweise nicht ausgeschrieben. Jetzt ging es um einen Servicevertrag. Das haben wir als Folgeauftrag gesehen, den eigentlich nur die Firma erbringen kann, bei der auch die Computer stehen.“

Die Gemeinde habe Konsequenzen gezogen: Die fehlende zweite Unterschrift wurde nachgeholt, der Servicevertrag wurde für den frühestmöglichen Zeitpunkt in fünf Jahren gekündigt, und bei Auftragsvergaben im Gemeindevorstand sitzt jetzt ein Fachjurist mit am Tisch. Ein Schaden sei der Gemeinde nicht entstanden, weil die Dienstleistung auch bei anderen Firmen bezahlt werden müsse.

Der Landkreis bestätigt auf Anfrage, dass er die Vergabe eines IT-Dienstleistungsvertrages geprüft und festgestellt hat, dass kein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchgeführt worden ist. „Das stellt einen Vergaberechtsverstoß dar. Da binnen sechs Monaten kein Antrag auf Nachprüfung erfolgte, ist die Vergabeentscheidung dennoch wirksam und der zugrundeliegende Vertrag wirksam“, sagt Kreissprecherin Leoni Rehnert. „Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten der Gemeinde sieht der Landkreis nicht.“

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