„Wir müssen auch alle arbeiten gehen, fahren mit dem Auto und haben Sorgen wie alle anderen Menschen auch“, sagt der 40-Jährige. Es sind auch keine Fantasten, die als Aussteiger in die Rhön und in den Kreis Fulda gekommen sind. Vielmehr sind viele von ihnen unternehmerisch aktiv und bemühen sich, ihre Firmen oder Jobs nachhaltig und sinnstiftend auszurichten. Die Liste der Branchen ist lang – von der Finanzexpertin, über Arzt, Apotheker, Lehrerin, Personalvermittler bis hin zur Projektmanagerin sind völlig unterschiedliche Unternehmungen dabei. Einer der Sonnerden-Genossen wurde sogar jüngst von der Zeitschrift „Capital“ unter „Deutschlands Top 40 unter 40“ gewählt.
Zwar ist in den vergangenen drei Jahren schon sehr viel auf dem Gelände passiert, es ist aber längst noch nicht alles so wie es einmal sein soll. „Wir waren ungefähr das erste halbe Jahr damit beschäftigt, das alte Inventar hier zu sortieren. Parallel haben wir einige Gebäude, die in einem guten Zustand waren, renoviert“, sagt von der Gathen, der sich mit seiner Frau und den Kindern den Traum vom Mehrgenerationenwohnen ursprünglich mit zwei bis drei weiteren Familien in einem Dreiseithof in der Rhön vorgestellt hatte. „Als dann aber das Dorf hier auf dem Markt war, haben wir schnell erkannt, welches Potenzial es bietet.“
Es braucht Zukunftsorte, an denen enkeltaugliche Formen des Wohnens, Lernens und Wirtschaftens erprobt werden können.
Mittlerweile leben 35 Menschen in Sonnerden. Auf dem Parkplatz liegen selbst gefällte Holzbalken, ein Outdoor-Pool wurde aufgebaut und seit kurzem läuft die Photovoltaikanlage auf dem Turnhallendach. Auch ein kleiner Seminarbetrieb ist entstanden, wo Gruppen Veranstaltungen durchführen können. Und neben Wohnungen wurden in der Zeit seit dem Start des Projekts auch einige Gemeinschaftsräume zurechtgemacht.
Denn auch wenn jede Familie in ihrer Wohnung ihren Rückzugsort findet, lebt das Projekt schon stärker vom Miteinander als das klassische Leben in der Neubausiedlung. „Trotzdem haben wir unser ursprüngliches Konzept schon an der einen oder anderen Stelle überarbeiten müssen“, sagt Miko Brockhaus. Ein Beispiel: War anfangs geplant, dass fünfmal pro Woche ein Mittagessen gekocht wird, wurde die Anzahl auf drei Mahlzeiten reduziert. „Wir haben festgestellt, dass es für die Familien wichtig ist, mehr Zeit füreinander zu haben“, sagt die gelernte Musiktherapeutin.
„Wir hatten erwartet, dass die Vorzüge des gemeinsamen Lebens schneller zum Tragen kommen“, ergänzt von der Gathen. „Da die meisten der Kinder in Loheland zur Schule oder in den Kindergarten gehen, dachten wir zum Beispiel, dass wir direkt Fahrgemeinschaften bilden können“, so der 40-Jährige. „Aber vor allem die kleineren Kinder mussten sich erst mal an die anderen Eltern gewöhnen.“ Doch die Synergien ergeben sich nun nach und nach.
Sehr wichtig ist den Sonnerdnern der Kontakt zu den Menschen in der Region. Aus diesem Grund bieten sie bereits kleinere Kulturveranstaltungen an.
Am Freitag, 28. April, findet in Sonnerden die dritte Auflage des Formats „Nachtgespräch“ statt. Ab 20.30 Uhr liest die Autorin und Aktivistin Claudine Nierth aus ihrem Buch „Die Demokratie braucht uns“. Vom 4. bis 6. August gibt es das DaSeins-Festival mit Kunst, Musik und einem kleinen Triathlon. Und am 14. Mai laden die Macher des Zukunftsdorfs von 10 bis 16 Uhr zum Flohmarkt auf das Gelände.
„Es braucht Zukunftsorte, an denen enkeltaugliche Formen des Wohnens, Lernens und Wirtschaftens erprobt werden können. Wo das gesunde Leben mit der Natur vom Wind urbaner Innovationen durchweht wird. Orte, die das Individuum als höchstes Gut begreifen und sich zugleich in Gemeinschaft üben“, sind die Bewohner des Zukunftsdorfs Sonnerden überzeugt. Und sie hoffen, dass sie mit dieser Vision auf Akzeptanz in der Bevölkerung rund um den Wachtküppel stoßen.
Denn auch vor mehr als 100 Jahren kamen starke Frauen in die Rhön, um an gleicher Stelle eine alternative Siedlungsform zu begründen. Die Begeisterung bei den Menschen in der Region hielt sich zunächst in Grenzen. „Aber es hat nicht lange gedauert, bis sich die Frauen in Schwarzerden den Respekt der übrigen Bevölkerung erarbeitet haben“, sagt Jonas von der Gathen. Und genau das haben die Sonnerdner auch vor.