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Heimatgefühl am Auto? Warum sich die Kreise Fulda und Vogelsberg gegen Altkreis-Kennzeichen sperren

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Von: Andreas Ungermann

Ein VW-Käfer mit altem HÜN-Kennzeichen beim Kreis-Jubiläum
Fahrzeuge mit HÜN-Kennzeichen sind eine Rarität – wie dieser VW-Käfer beim Kreis-Jubiläum. © Sabrina Mehler

Auto-Kennzeichen sind ein Ausdruck von regionaler Identität, darüber besteht Einigkeit. Aber braucht es dazu Altkreis-Kennzeichen wie „HÜN“, „LAT“ oder „ALS“? In den Kreisen Fulda und Vogelsberg sagen die Verwaltungen: Nein!

Fulda - Mit der Auflösung des Landkreises Hünfeld schickten die „Fulder Rucksäcke“ das Stoßgebet seltener als zuvor gen Himmel: „Herr übe Nachsicht“ – so lautete die Verballhornung des Kraftfahrzeugkennzeichens „HÜN“. Heute fahren auf Osthessens Straßen noch 456 Fahrzeuge mit diesem Nummernschild.

Gebietsreform: Keine „alten“ Kennzeichen in Kreisen Fulda und Vogelsberg 

Laut Leoni Rehnert, Pressesprecherin des Landkreises Fulda, dürfte es sich im Wesentlichen um landwirtschaftliche Fahrzeuge handeln. Sehr vereinzelt erreichten die Zulassungsstelle noch heute Nachfragen nach „HÜN“-Kennzeichen, die allerdings nicht mehr ausgegeben werden.

Wenn es nach der Stadt Hünfeld und Alt-Bürgermeister Eberhard Fennel (CDU) ginge, dann wären heute deutlich mehr Nummernschilder mit „HÜN“ auf den Straßen der Region unterwegs. Als 2012 die Kennzeichenliberalisierung diskutiert wurde, hatte Fennel betont, das Kürzel bedeute „für die Stadt Hünfeld und die Teilregionen des Altkreises Hünfeld eine wesentliche Hilfestellung im Stadt- und Standortmarketing“. (Lesen Sie auch: Kommunale Gebietsreform in den 1970er Jahren: Kritik bis heute nicht verstummt)

Seine damaligen Kollegen im früheren Kreis Hünfeld indes folgten dieser Argumentation nicht, die einer These des Heilbronner Professors für Wirtschaft und Tourismus-Management, Ralf Borchert, entsprach. Borchert sah in den Altkreis-Kennzeichen Chancen für Vermarktungspotenziale kleinerer Städte. Zwischen November 2012 und dem Jahr 2016 wurden laut ADAC mehr als 300 Alt-Kreiskennzeichen reaktiviert – auch in Nachbarkreisen wie Hersfeld-Rotenburg, Main-Kinzig und Schwalm-Eder.

Der Landkreis Fulda indes verzichtete auf die Wiedereinführung von „HÜN“ – ebenso der Vogelsbergkreis auf „LAT“ für Lauterbach, „ALS“ für Alsfeld und „BÜD“ für Büdingen. In beiden Landratsämtern argumentiert man gegen das Aufleben der Altkreis-Kennzeichen ähnlich.

Michael Otto neben seinem SLÜ-Kennzeichen
Lokalpatriot aus Schlüchtern-Elm: Michael Otto erhielt 2013 das erste wieder eingeführte SLÜ-Kennzeichen im Main-Kinzig-Kreis (Archivfoto). © Andreas Ungermann

Das Paradoxe daran: Die Begründungen entsprechend nahezu jenen der Befürworter der alten Nummernschilder: Auch die Ablehnung wird mit dem Standortmarketing sowie der regionalen Identität begründet. Die Definition von Region und Standort variiert jedoch.

Das Aufleben der alten Kennzeichen würde die Rivalität zwischen den aufgelösten Altkreisen Alsfeld, der auch seine Kreisstadt verlor, sowie Lauterbach begünstigen, befürchtet etwa der Vogelsberger Landrat Manfred Görig (SPD). Ein regionales Denken vom Vogelsbergkreis als Ganzes sei die Voraussetzung für regionales Handeln, „das benötigt wird, um die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen erfolgreich bewältigen zu können“, hieß es seinerzeit aus dem Lauterbacher Kreishaus.

Serie zur Gebietsreform in Hessen

Unter dem Motto „Neue Landkarten“ beleuchtet die Fuldaer Zeitung in einer Serie die Gebietsreform in Hessen vor 50 Jahren und ihre Folge. Dieser Artikel ist im Zuge der Serie zuerst in der Print-Ausgabe und im E-Paper erscheinen. Dort lesen Sie alle Teile. Online erscheint eine Auswahl.

„Wir sind in den 40 Jahren seit der Gebietsreform im Landkreis zur Einheit geworden. Es gibt eine starke Identifikation mit dem Kreis Fulda – auch im Hünfelder Land. Wieder ,HÜN‘ an Autos zu schrauben, wäre ein Rückschritt und würde die Reform zurückdrehen“, sagte Fuldas Landrat Bernd Woide (CDU) 2012 in der Debatte um die Kennzeichen.

Im Main-Kinzig-Kreis wurde dem Wunsch vieler Bürger hingegen stattgegeben. Im selben Jahr erklärte der damalige Kreisbeigeordnete Dr. André Kavai (SPD): „Wir müssen respektieren, dass ein großes Interesse nach den alten Kennzeichen besteht und diesen Wunsch wollen wir erfüllen.“

SLÜ und GN: Kennzeichen in Schlüchtern und Gelnhausen wieder verfügbar

In den ersten Tagen und Wochen verzeichnete der Main-Kinzig-Kreis denn auch 25 Prozent an „Umkennzeichnungen“. Dies habe sich mittlerweile jedoch verständlicherweise gelegt, wie Pressesprecher John K. Mewes berichtet. 35 SLÜ- und 105 GN-Nummernschilder wurden am 2. Januar 2013, dem ersten Tag, als dies möglich war, im Main-Kinzig-Kreis vergeben.

Das erste SLÜ-Kennzeichen erhielt damals Michael Otto aus dem Schlüchterner Stadtteil Elm. „Schon seit die alten Kennzeichen abgeschafft wurden, war für mich als Lokalpatriot klar: Sollten sie wiederkommen, werde ich umsteigen.“ Zu oft sei er auf MKK angesprochen worden – für was die Buchstaben stehen und wo der Landkreis liege. Verwechslungen mit dem Main-Taunus-Kreis waren eingeschlossen.

Video: Diese Auto-Kennzeichen sind verboten

In den umliegenden Landkreisen haben die Verwaltungen zunächst einen Hype und eine große Nachfrage nach den neuen alten Kennzeichen festgestellt. Die Altkreis-Kennzeichen waren unter Autofahrern offenbar beliebter als bei Politikern in der Debatte. Der Schwalm-Eder-Kreis und der Kreis Hersfeld-Rotenburg berichten gar von einem stetigen Anstieg.

Wenig überraschend würden die Altkreis-Nummernschilder in den entsprechenden einstigen Kreisen nachgefragt. Kennzeichen seien eben nicht nur Zahlen und Buchstaben, sondern mit Emotionen verbunden, heißt es etwa aus dem Landkreis Bad Kissingen.

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