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Ist das Besäufnis out? - Generation Z trinkt weniger Alkohol

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Von: Sophie Brosch

Ein Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt, Kölsch zum Karneval oder die Maß auf dem Oktoberfest: Alkohol ist ein fester Bestandteil der deutschen Kultur. Doch einer Umfrage zufolge entscheiden sich immer mehr junge Leute dafür, nicht zu trinken.

Fulda - Während zum Beispiel in vielen muslimisch geprägten Ländern der Verkauf und Konsum von Alkohol strikt verboten ist, ist Deutschland ein sogenanntes Hochkonsumland. Im Jahr 2019 nahm laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) jeder Deutsche ab 15 Jahren im Durchschnitt 10,6 Liter reinen Alkohol zu sich. Der Durchschnitt aller OECD-Länder betrug pro Kopf nur 8,9 Liter.

Besäufnis ist out: Generation Z trinkt weniger Alkohol 

Bier, Wein und Sekt erhalten Jugendliche hierzulande ab 16 Jahren, Spirituosen kann man mit 18 Jahren kaufen – und das nahezu rund um die Uhr und zu vergleichsweise günstigen Preisen. In Norwegen ist Alkohol nicht nur sehr teuer, sondern auch nur zu eingeschränkten Uhrzeiten und in ausgewählten Geschäften erhältlich. In den USA ist der Verkauf und Konsum alkoholischer Getränke erst ab 21 Jahren erlaubt.

Nun scheint die deutsche Trinkkultur aber einem Wandel zu unterliegen, wie eine Umfrage der BZgA zeigt. Die Fachbehörde erhebt seit 2004 das Rauschtrinken, also den Konsum von mindestens fünf Getränken bei einer Party. Demnach ist der Alkoholkonsum unter den 18- bis 25-Jährigen langfristig rückläufig.

Konsum in Zahlen

10,6 Liter reinen Alkohol nahm 2019 durchschnittlich jeder Deutsche ab 15 Jahren zu sich. 

9 Prozent der zwölf- bis 17-Jährigen gaben 2021 an, mindestens einmal pro Woche Alkohol zu trinken. 2004 waren es noch 21 Prozent.

32 Prozent der 18- bis 25-Jährigen tranken 2021 mindestens einmal pro Woche Alkohol. 2004 waren es noch 44 Prozent.

Zeichnet sich in der „Generation Z“ also ein neuer Trend zur Nüchternheit ab? Sebastian Ujma von der „Alten Schule“ in Fulda teilt diese Beobachtung: „Ich empfinde schon, dass Jugendliche teilweise weniger trinken. Aus eigenen Freundeskreisen kenne ich viele, die vor allem durch die Corona-Pandemie kaum bis gar nicht feiern gehen, sondern sich anderen Hobbys, wie zum Beispiel dem Sport, widmen.“ Auch exzessive Rauschzustände könne er auf Partys in der „Alten Schule“ nur sehr selten bezeugen.

Jochen Köhler, Inhaber der „Altstadt“ in Fulda, kann indes nicht bestätigen, dass junge Leute heute weniger trinken als früher. Er ist seit 1997 in der Gastronomie tätig, seit 15 Jahren betreibt er die Kneipe im Bermudadreieck. „Früher wurden vor allem Bier und Schaumweine getrunken – heute bestellen die Gäste mehr Schnaps, zum Beispiel Wodka, Bacardi und Gin“, schildert der Gastronom.

Alkohol
Bier, Wein und Sekt erhalten Jugendliche hierzulande ab 16 Jahren, Spirituosen kann man mit 18 Jahren kaufen – und das nahezu rund um die Uhr und zu vergleichsweise günstigen Preisen. © Silas Stein/dpa/Symbolbild

Dennoch sei das Angebot an alkoholfreien Getränken gewachsen, wie Jochen Köhler berichtet. „Mittlerweile gibt es wirklich gute alkoholfreie Alternativen zu Wodka und Gin, die wie das Original schmecken.“ Diese Getränke werden zwar in der „Altstadt“ angeboten, die Nachfrage sei dort aber geringer als zum Beispiel in der Speisegastronomie. Stattdessen bleiben Köhlers Gäste, die keinen Alkohol trinken möchten, meist bei Softgetränken und Wasser.

So auch Christina Post aus Bad Salzschlirf – zumindest vorerst. Bis Ostern verzichtet die 23-Jährige bewusst auf den Konsum von Alkohol. „Ich will meinem Körper nach der Fastnacht eine Pause gönnen“, erklärt Christina, die im örtlichen Karnevalverein aktiv ist. Obwohl sie gerne feiern gehe und auch die fünfte Jahreszeit genossen habe, falle ihr der vorübergehende Verzicht auf Alkohol nicht schwer. Ganz im Gegenteil: „Manchmal trinke ich aus Gruppenzwang. In der Fastenzeit fällt es mir leichter, konsequent ‚Nein‘ zu sagen und die anderen akzeptieren es auch eher“, sagt die 23-Jährige.

Statement

Sozialwissenschaftler Heino Stöver vom Institut für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences zufolge verbirgt sich hinter dem Trend zur Nüchternheit mehr als ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein: „Die Vermeidung von Kontrollverlust ist aus soziologischer Perspektive einer der wesentlichen Gründe.“

Kontrolle bestimme den Alltag der meisten Jugendlichen, besonders mit Blick auf das eigene Auftreten in sozialen Netzwerken, meint Stöver. Ein unangenehmer Auftritt unter Alkoholeinfluss sei für viele Zoomer gesellschaftlich schlichtweg zu riskant. Zudem lebten junge Menschen eben viel in der virtuellen Welt, sagt der Sozialwissenschaftler der Deutschen Presseagentur. Analoge Treffen und das damit assoziierte Feiern fänden weniger statt. Alkohol, das Rauschtrinken, das Besäufnis sei nicht mehr von zentraler Bedeutung.

Dass junge Menschen heute allgemein weniger trinken, kann Christina so nicht bestätigen. Sie glaubt dennoch, dass ihre Generation achtsamer mit dem eigenen Körper umgeht. In der Corona-Pandemie hätten viele Gleichaltrige aus ihrem Umfeld angefangen, Sport zu treiben und sich gesund zu ernähren. „Das verträgt sich nicht mit exzessivem Alkoholkonsum“, sagt Christina. Deshalb hätten auch ihre Freunde „manchmal keine Lust zu trinken“.

Übrigens unterscheidet sich der Alkoholkonsum zwischen Jugendlichen in der Stadt und auf dem Land, wie eine Studie im Auftrag des bayerischen Gesundheitsministeriums zeigt. Demnach trinken junge Leute im ländlichen Raum öfter und mehr Alkohol, während in den Städten Cannabis etwas beliebter ist.

Bei Verkehrskontrollen spielen Alkohol und Drogen aber noch immer eine Rolle. Beamte der Polizeistation Hilders kontrollierten in der Rhön zum Beispiel innerhalb von etwa 30 Stunden drei Fahrzeuge, deren Fahrern sie aufgrund des Verdachts von Alkohol- und Drogenkonsum die Weiterfahrt untersagen mussten.

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