Nur noch neun Pfarreien im Kreis Fulda? Bistum plant drastische Veränderungen

Im Bistum Fulda wird sich in nächster Zeit viel verändern. Weniger Priester, weniger Katholiken und schwindende Finanzkraft machen auch neue Strukturen notwendig. Für den Kreis Fulda rechnet das Generalvikariat mit noch neun Pfarreien.
Fulda - In den Gemeinden vor Ort wird der Prozess „Bistum Fulda 2030 – zusammen wachsen“ vor allem als eines wahrgenommen: als Strukturprozess. Dass er dies tatsächlich ist und Änderungen in der Pfarreienlandschaft die augenscheinlichsten Auswirkungen darstellen, steht außer Zweifel.
Diözesanbischof Dr. Michael Gerber will ihn aber nicht allein als solchen verstanden wissen, sondern auch als geistlichen Prozess. Es geht ihm um einen Perspektivenwechsel. Er fragt nicht: „Wie können wir möglichst viel vom Vorhandenen bewahren?“ Sondern er stellt die Frage: „Wie kommen Menschen in eine lebendige Christusbeziehung?“
Fulda: Drastische Fusionen von Pfarreien - Diese Pläne hat das Bistum
Konkret soll sich dieser Leitgedanke unter anderem darin äußern, dass das Bistum intensiv überlegt, wie Kirche zu den Menschen kommen kann. Denn, das belegen die Zahlen der Kirchenbesucher, allein mit dem Gottesdienst erreicht die Kirche die Menschen nicht mehr. In der Folge geht es darum, Wege zu finden, wie Kirche zu den Menschen kommen kann – in Präsenz oder wie in der Corona-Zeit häufig digital.
Im Herbst und Winter vergangenen Jahres waren Generalvikar Christof Steinert und Gabriele Beck, Leiterin der Stabsabteilung Strategie, im gesamten Bistum unterwegs, um Ideen und künftige Strukturen vorzustellen. Die Bistumsvertreter seien mit konkreten Vorstellungen in diese Runden mit Gremienmitgliedern in den Regionen gegangen, „denn ohne mögliche Lösungen eine solche Debatte anzustoßen, sorgt nur für Verunsicherung“.
Impulse – etwa Alternativvorschläge für die Pfarreizuschnitte – seien tatsächlich viele an Beck und Steinert herangetragen worden. Daraus habe sich ein Spagat eröffnet zwischen der Bereitschaft zur Veränderung und der Befürchtung, gewohnte Angebote und Strukturen zu verlieren. Beides gelte es nun, ernst zu nehmen und auch die unterschiedlichen Erfahrungen in den weiteren Prozess einzubinden. „Für die Zusammenschlüsse, an denen sich immer auch noch etwas ändern kann, wird es keinen festen Stichtag geben, das wird ein Weg sein“, erklärt der Generalvikar. (Lesen Sie hier: Bischöfe bei Reformen „nicht in allem einer Meinung“ - Kritik an Vatikan-Botschafter Eterovic)
Auf Ebene der Pfarrei soll in Zukunft dann die Arbeit in den Gemeinden geregelt werden. Laut Steinert sind dafür allerdings noch keine Satzungen geschrieben. Ziel müsse am Ende eine Professionalisierung von hauptamtlichen Mitarbeitern sein – etwa durch die Installation von Verwaltungsleitern, die dem seelsorgerischen Personal administrative Tätigkeiten abnimmt. Ergänzend soll „eine hohe Beteiligung“ des Ehrenamtes hinzu kommen. Dazu seien die Kompetenzen und Verantwortungen zu klären.
Langfristiger Prozess: Neue Strukturen im Bistum werden zum Spagat
Die geplanten Veränderungen sind gleichwohl drastisch. In der Fuldaer Stadtregion werden nach Planung vom Januar künftig zwei Großpfarreien bestehen; die westliche erstreckt sich von Kämmerzell über Maberzell, die Innenstadt und Haimbach bis Giesel, die östliche von Marbach über Lehnerz, Petersberg, Künzell und Bronnzell bis Johannesberg. Das Hünfelder Land mit den Kommunen Hünfeld, Burghaun, Eiterfeld, Rasdorf und Nüsttal wird zu einer Pfarrei zusammengefasst.
In der Rhön wird im ersten Schritt mit den vier aktuellen Pastoralverbünden Eichenzell-Hattenhof, Oberes Fuldatal und Lüttertal, Ulster- und Scheppenbachtal sowie Vorderrhön (inklusive Teilen von Petersberg, Künzell und Nüsttal) geplant. Im Süden werden die Pfarreien in Neuhof, Flieden Kalbach fusionieren. Im westlichen Landkreis Fulda erstreckt sich eine Großpfarrei von Hosenfeld über Großenlüder bis nach Bad Salzschlirf.
Größere Einheiten erfordern neue Strukturen. „Die neuen Pfarreien – gemeinsame Verantwortung“ ist ein Organigramm zur Pfarreientwicklung überschrieben. Demnach bildet die Pfarrei mit ihren Mitgliedern die übergeordnete Verwaltungseinheit. Gewählter Pfarreirat und Verwaltungsrat sollen in Zusammenarbeit mit dem Pfarrer und den Hauptberuflichen – darunter etwa mitarbeitende Priester, Gemeinde- und Pastoralreferenten – in der Seelsorge und der Verwaltungsleitung das große Ganze im Blick behalten.
Bestandsaufnahme
134 Priester waren im Jahr 2019 im Bistum Fulda tätig. Für 2029 rechnet das Bistum mit noch 124 Priestern, 2039 mit 95 – davon dann 31 unter 60 Jahren.
127 Gemeindereferentinnen und -referenten standen 2019 im Dienst des Bistums Fulda. 74 werden es laut Prognose 2039 noch sein.
34 Pastoralreferentinnen und -referenten versahen 2019 ihren Dienst im Bistum Fulda. Dieses geht davon aus, dass es 2039 insgesamt 49 sein werden.
42 Ständige Diakone sind im Haupt- oder mit Zivilberuf im Bistum Fulda tätig, 44 sollen es laut Prognose 2039 sein.
319.000 Katholiken werden 2030 voraussichtlich im Bistum Fulda leben. 1994 lag deren Zahl bei knapp 470.000.
12,36 Millionen Euro betrug das Jahresergebnis des Bistums Fulda 2018. Es wird voraussichtlich für lange Zeit das letzte positive Ergebnis der Diözese sein. Im Jahr 2020 lag das Defizit laut Finanzbericht bei 19,8 Millionen Euro.
„Unter dieser kirchenrechtlich geregelten Ebene besteht eine große Gestaltungsfreiheit“, erläutert Generalvikar Steinert. Auf den Ebenen der sogenannten Kirchorte setzt das Bistum auf die Mitarbeit von Ehrenamtlichen in Teams. In Satzungen sind die Gremien und Netzwerk-Strukturen indes noch nicht festgeschrieben.
Das Strukturdiagramm des Bistums zur Pfarreientwicklung sieht vor Ort einzelne Kirchenteams vor, die Netzwerke knüpfen und die „Erlebnisräume des Glaubens“ mit Leben füllen sollen. Weitere Arbeitskreise können sich thematisch etwa mit dem Nächstendienst, Gottesdienst, Verkündigung, Gemeinschaft oder der pastoralen Entwicklung befassen. (Lesen Sie hier: Weltsynode der katholischen Kirche: Wie kann ich im Bistum Fulda mitmachen?)
Gabriele Beck sagt dazu: „Es wird nicht nur das ehrenamtliche Engagement in Gremien und Verbänden geben. Die Menschen können sich auch projektbezogen einbringen. Und diesen Einsatz gilt es, nicht herabzuqualifizieren oder die Gremien und Verbandsarbeit dagegen auszuspielen.“ Ziel ist es, dass Tradition gewahrt, Innovation und Entwicklung vorangetrieben werden und für Gläubige eine Ansprechbarkeit besteht. Sie sollen Kirche und Glauben in „Erlebnisräumen“ wahrnehmen können.
Video: Start der Bischofskonferenz in Fulda
Mit der Überarbeitung von Pfarreistrukturen wird das Bistum Fulda unter anderem die Immobilien-Situation in den Blick nehmen müssen. Spätestens wenn größere Investitionen anstehen, wird das Thema akut. In die Überlegungen fließen etwa die gemeinsame Nutzung mit kirchlichen Verbänden und Organisationen wie der Caritas ein. Denkbar ist auch, dass sich verschiedene Konfessionen Pfarrzentren oder Gemeindehäuser teilen.
Derlei Überlegungen enden nicht im religiösen beziehungsweise konfessionellen Kontext: Auch Kooperationen mit Kommunen bei Liegenschaften, schließt Generalvikar Christof Steinert nicht aus, und er fügt hinzu: „Langfristig werden wir auch moderne Wohnformen thematisieren müssen.“ So stelle sich etwa die Frage, ob Pfarrer in mitunter großen und angesichts eines Sanierungsstaus unrentablen Pfarrhäusern leben müssten, oder ob nicht Wohnungen ausreichten.