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Finale eines Wirtschaftskrimis: German-Pellets-Gründer Peter Leibold vor Gericht

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Von: Bernd Loskant

Im Mai 2010 besuchte unsere Zeitung Peter H. Leibold in seinem German-Pellets-Stammwerk in Wismar.
Da war die Welt noch in Ordnung: Im Mai 2010 besuchte unsere Zeitung Peter H. Leibold in seinem German-Pellets-Stammwerk in Wismar. (Archivfoto) © Volker Feuerstein

Die Mühlen der Justiz mahlen manchmal langsam, aber sie mahlen: Sieben Jahre nach der Pleite von German Pellets, ehemals Weltmarktführer für Holzpellets, steht der aus Flieden stammende Ex-Geschäftsführer Peter H. Leibold (66) seit Donnerstag (2. März) in Schwerin vor Gericht. Die Vorwürfe wiegen schwer.

Schwerin/Fulda - Es ist eine der spektakulärsten Firmeninsolvenzen des vergangenen Jahrzehnts in Deutschland: Als Geschäftsführer Leibold, der aus Flieden im Kreis Fulda stammt, am 10. Februar 2016 gegenüber dem Amtsgericht Wismar Zahlungsunfähigkeit erklärt, sind nicht nur Hunderte Arbeitsplätze futsch, sondern auch Hunderte Millionen Euros und Dollar, die Anleger per Anleihen in das Unternehmen gesteckt haben.

German-Pellets-Pleite: Gründer Peter Leibold vor Gericht

Während sich die Zinsen damals bereits der Null näherten, versprach das Unternehmen, das weiter wachsen wollte, eine Rendite von sieben bis acht Prozent. 17.000 deutsche Anleger sowie US-Investoren, die German Pellets angesichts der Goldgräberstimmung bei erneuerbaren Energien 700 Millionen Euro anvertrauten, verlieren fast ihr komplettes Kapital. Und das ist noch nicht der ganze Schaden: Am Ende belaufen sich die angemeldeten Forderungen auf rund zwei Milliarden Euro.

Die Pleite wird zum Wirtschaftskrimi: Wie kann in relativ kurzer Zeit eine solche Summe Geld verbrannt werden? Ist bei den Investitionen der Anlegergelder alles mit rechten Dingen zugegangen? Warum hat sich die Familie von Firmenchef Peter Leibold kurz vor der Insolvenz noch einen Privatkredit über 4,5 Millionen Euro vom Unternehmen genehmigt (wie das „Handelsblatt“ unwidersprochen berichtet)? Und warum flog Geschäftsführer Leibold immer noch mit dem Privatjet kreuz und quer durch Europa, als Insolvenzverwalterin Bettina Schmudde nur noch 5000 Euro in den Konzernkassen vorfand?

Leibolds Erklärung für die Pleite: der Verfall des Ölpreises, durch den auch der Marktpreis für Holzpellets unter Druck geraten sei. Zudem seien die Umsätze von German Pellets wegen zweier warmer Winter eingebrochen. Auch habe sich die Übernahme des Ofenbauers Kago im Jahr 2010 als Fehlinvestition erwiesen.

Die Gläubiger sehen das anders, wittern Betrug und Insolvenzverschleppung. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) schreibt in ihrem Schwarzbuch für das Jahr 2016: „Der eigentliche Skandal bei German Pellets ist, dass Firmengründer Peter Leibold die Anleihegelder vor allem dazu verwendete, nahestehenden Firmen, darunter einer österreichischen Stiftung, sowie sich selbst und seiner Frau, Darlehen zu gewähren, anstatt die Gelder direkt in den Pellets-Markt zu investieren.“

Es hagelt Anzeigen, jahrelange Ermittlungen folgen. 2021 wird dann von der Staatsanwaltschaft Rostock Anklage erhoben. Darin ist von 87 Einzeltaten die Rede, die Leibold, seiner Tochter Kathrin W. (37) und Steffen H. (41) vorgeworfen werden. Es geht unter anderem um Betrug, auch in einem besonders schweren Fall, Steuerhinterziehung, Untreue und Verletzung der Insolvenzantragspflicht. Bei einer Verurteilung droht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren.

Finale eines Wirtschaftskrimis: Prozess gegen German-Pellets-Gründer startet

Dabei hatte alles so schön begonnen. Leibold, gelernter Industriekaufmann, dann Verlagsmanager bei Zeitungen (von 1981 bis 1991 auch Anzeigenchef und Verlagsleiter unserer Zeitung), wurde ab 2005 zum Shootingstar der Erneuerbare-Energien-Branche – und nach dem Crash am Neuen Markt Prophet von Geldanlagen, die nicht über Banken laufen, sondern bei denen Anleger ihre Summen direkt den Unternehmen für weiteres Wachstum geben, bei hohen Renditeversprechen.

Als die ersten Pellet-Heizungen aufkommen, riecht Leibold das Geschäft mit den aus Sägespänen und Holzresten gepressten Stiften, die als Brennmittel in Heizöfen verwendet werden. In der Hansestadt Wismar an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns gründet er German Pellets und baut das erste Werk auf. Doch die Vision des Mannes, der aus dem Fliedener Ortsteil Keutzelbuch stammt, ist global. Er richtet den Blick über den großen Teich nach Amerika, kauft auch dort Werke und macht bald Jahresumsätze von mehr als einer halben Milliarde Euro.

German Pellets steigt auf zum Global Player im Bereich Holzpellets, wird Weltmarktführer. Damit die Expansion weiter voranschreiten kann, braucht Leibold, der das Regiment bei German Pellets mit Familienmitgliedern führt, frisches Geld. Während Banken in diesen Fällen sehr genau in die Firmen hineinschauen und sich ein Bild von der Kreditwürdigkeit machen, sind Privatanleger und Investoren oft weniger kritisch und akribisch.

270 Millionen Euro sammelt Leibold von 17.000 deutschen Anlegern ein, als er verspricht: „Acht Prozent Zinsen mit Energie, die nachwächst.“ 226 Millionen kommen aus drei Anleihen, die er für 7,25 Prozent Zinsen in Aussicht stellt. Eine vierte Anlegergruppe investiert 44 Millionen in noch riskantere Genussrechte. Weitere 546 Millionen Dollar kommen von US-Investoren.

Die Anleihen, auf die die deutschen Anleger setzen, gehören zu einem Börsensegment, das erst seit 2010 existiert. Die scheinbare Verbindung zum Aktienhandel macht kaum einen Anleger misstrauisch. Doch durchschaubar ist die Firmenpolitik von German Pellets nicht: Am Ende ist Leibold Herr eines Geflechts aus etwa drei Dutzend Unternehmen, in denen die Anlegergelder, wie sich herausstellt, hin- und hergeschoben wurden. Dreh- und Angelpunkt ist die „Pele Privatstiftung“ in Wien, deren Begünstigte Leibolds Ehefrau ist und über die auch Anlegergelder für die Expansion in die USA transferiert wurden.

German-Pellets-Pleite: Anleger investierten 700 Millionen

Als klar wird, dass eine zum 1. April 2016 rückzahlbare Anleihe mit einem Volumen von 100 Millionen Euro, verzinst mit 7,25 Prozent, nicht zurückgezahlt werden kann, werden immer mehr Anleger unruhig – und schauen nun genauer hin. Der Insolvenz im Februar 2016 folgen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft – auch gegen einen Fuldaer Wirtschaftsprüfer. Dieser prüfte bei German Pellets nicht nur die Bilanzen, sondern war dort auch als Wirtschaftsberater und Steuerberater tätig sowie Vorstandsmitglied von Leibolds Pele-Stiftung. Im Juni 2018 stellt die Staatsanwaltschaft Rostock ihre Ermittlungen wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegen den Fuldaer ein. „Wir haben keinen Tatverdacht“, heißt es.

In dem jetzt startenden Prozess wird es vor allem darum gehen, die Rolle Leibolds und seiner Tochter zu beleuchten. Von Anlegern angestrengte Schadensersatzforderungen liefen bis jetzt in Leere. So wies das Landgericht Schwerin im Mai 2019 die Klage einer Frau ab, die sich darauf berief, dass es falsche Angaben im Verkaufsprospekt gegeben habe. Das Gericht gab der Frau zwar in der Sache Recht, jedoch waren die Ansprüche bereits verjährt.

Auf eine Anfrage unserer Zeitung wollte sich Leibold übrigens nicht zu den Vorwürfen äußern. Nach Informationen der Redaktion wollen seine Anwälte vor Prozessbeginn eine Erklärung abgeben. Leibold soll nach wie vor im Pellet-Geschäft tätig sein.

Auch ein Prozess um einen ermordeten Fuldaer beschäftigt die Region. Vor dem Prozessstart im Fall des getöteten Jörg Schnarr hat das Gericht in Südafrika einen Kautionsentscheid verschoben.

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