Im Edersee wird das Wasser knapp - zum vierten Mal in fünf Jahren
Aufgrund der Trockenheit der vergangenen Wochen ist der Wasserstand des Edersees derzeit extrem niedrig. Das hat Folgen für die Schifffahrt und den Tourismus.
Hessen - Wer derzeit im Edersee ein erfrischendes Bad nehmen möchte, der muss zunächst eine Sand- und Steinwüste überqueren, bevor er das kühle Nass erreicht. Denn die anhaltende Trockenheit lässt den Pegel des größten Stausees in Hessen immer weiter sinken und legt das Ufer frei. Aktuell ist das Gewässer nur noch zu einem Fünftel gefüllt. Manche Freizeitaktivitäten sind deshalb aktuell nicht mehr möglich - und das in den Sommerferien.
Trockenheit in Hessen: Im Edersee wird das Wasser knapp
„Die Surfschule hat vor ein paar Tagen geschlossen. Die Passagierschifffahrt ist nur noch eingeschränkt möglich. Gleiches gilt für den Bootsverleih“, sagt Claus Günther, Geschäftsführer der Edersee Marketing GmbH. Zwar gebe es bislang keine Stornierungswelle, aber die Anziehungskraft des Sees lasse spürbar nach. „Wir merken einen geringeren Zuspruch, vor allem bei Tagesgästen.“ Das wirke sich auch auf die umliegenden Freizeitangebote wie den Kletterpark und die Bergbahn aus.
Der Füllstand des Edersees liege bei rund 19 Prozent, sagt Jens Köhne vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Weser. Das Amt ist für die Bewirtschaftung der Edertalsperre im nordhessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg zuständig, die mit ihrer 48 Meter hohen Staumauer 200 Millionen Kubikmeter Wasser stauen kann. Daten des WSA zufolge waren es zuletzt nur noch gut 37 Millionen Kubikmeter Wasser.

Genutzt wird das Wasser des Edersees zur Regulierung der Weser und des Mittellandkanals. Normalerweise werden dazu 30 Kubikmeter Wasser pro Sekunde abgegeben. Rutscht der Pegel - wie derzeit - unter die Marke von 40 Millionen Kubikmeter, wird die Mindestabgabemenge auf sechs Kubikmeter pro Sekunde gedrosselt. Das hat Folgen für die Oberweser: „Dort ist aufgrund des niedrigen Pegels derzeit keine gewerbliche und Freizeitschifffahrt mehr möglich“, erklärt Köhne. (Lesen Sie hier: Wetterumschwung - Wann kommt der erhoffte Regen?)
Wegen der Trockenheit habe die Abgabe in diesem Sommer schon früh gedrosselt werden müssen, erläutert er. Um die Situation zu entspannen, brauche es viel und längeren Regen. Der sei aber nicht in Sicht. „Wenn kein Regen fällt, wird der Pegel weiter sinken“, prognostiziert Köhne. Wird die kritische Marke von 20 Millionen Kubikmeter Wasser erreicht, wird die Abgabe weiter reduziert. „Dann wird nur noch abgegeben, was zufließt“, erklärt Köhne. Das habe ökologische Gründe und diene etwa dem Schutz der Fische.
Der geringe Wasserstand macht nicht nur der Schifffahrt zu schaffen. Der Edersee ist ein Touristen-Magnet. Für die Anlieger ist das Niedrigwasser schon seit Jahren ein Problem. Aktuell sei die Stimmung auf dem Tiefpunkt angekommen, sagt Winfried Geisler vom Regionalverband Eder-Diemel (RVED), einer Interessensvertretung von Kommunen, Wassersportlern, Hoteliers und Gastronomen. Über das Niedrigwasser sagt er: „Das geschieht nach 2018, 2019 und 2020 in diesem Jahr bereits zum vierten Mal in den vergangenen fünf Jahren. Das ist einfach zu viel. Das kann die Region nicht verkraften.“
Im Wassersport-Bereich hagele es Stornierungen. Boote müssten an Land gebracht werden, damit sie nicht auf Grund laufen. Auch die Gastronomie leide. „Die Schäden gehen in die Millionen.“
„Der Klimawandel hat uns in den vergangenen Jahren schon voll erwischt“, sagt auch Claus Günther. „Früher war der Edersee das größte Schwimmbad Hessens. Das spiegelt sich nun nicht mehr wider.“ Gerade jetzt in der Hauptferienzeit sei das ein Problem und wirke sich auf den Tourismus aus. Schließlich kämen viele Gäste wegen des Edersees, von dem derzeit nicht mehr viel zu sehen sei.
Rhein-Schifffahrt: Pegel bei Kaub bei 32 Zentimetern
Der für die Schifffahrt auf dem Rhein wichtige Pegelstand bei Kaub zwischen Mainz und Koblenz ist weiter gefallen. Er lag nach Angaben der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) am Montagmorgen bei 32 Zentimetern und damit rund 5 Zentimeter niedriger als zum gleichen Zeitpunkt des Vortags. Einer Prognose der Behörde zufolge könnte der Pegelstand bis zum Freitag zwischen 31 und 33 Zentimetern pendeln.
Dieser zeigt nicht die tatsächliche Wassertiefe an, sondern die Differenz zwischen der Wasseroberfläche und dem sogenannten Pegelnullpunkt, der nicht am tiefsten Punkt der Flusssohle liegt.
WSV-Angaben vom Montag zufolge lag die Fahrrinnentiefe bei Kaub am Montagmorgen bei 1,43 Metern. Niedriger ist die Fahrrinnentiefe dem WSV zufolge an keinem anderen Abschnitt des Mittel- und Niederrheins .Sie ist entscheidend, wie viel Fracht Binnenschiffer zuladen können.
Vor allem Fracht- und Personenschiffe kämpfen seit Wochen mit Niedrigwasser. Binnenschiffer müssen bei ihrer Ladung den Tiefgang des Schiffes beachten. Bei niedrigen Wasserständen können sie weniger Fracht befördern - irgendwann wird der Transport unwirtschaftlich.
Eine weitere Begleiterscheinung des Niedrigwassers ist Attraktion und Warnsignal zugleich: Infolge der Trockenheit taucht das sogenannte „Edersee-Atlantis“ früher als gewöhnlich auf. Die Reste dreier aufgegebener Dörfer auf dem Seegrund seien normalerweise erst im September oder Oktober zu sehen gewesen, berichtet Günther. In diesem Jahr kämen bereits jetzt Bauwerke zum Vorschein, die sehr selten zu sehen sind - wie ein Minimodell der Edersee-Staumauer.
Der RVED fordert angesichts der angespannten Lage eine Änderung der Wasserwirtschaft. „Die Wasserentnahmen sollten vom 15. Juli bis zum 15. August eines Jahres auf die Mindestabgabemenge begrenzt werden, sofern die Marke von 125 Millionen Kubikmetern im Edersee dann unterschritten worden ist“, erläutert Geisler das sogenannte „Konzept Haltelinie 125“ des Verbandes.
Niedrigwasser am Edersee: Finanzielle Schäden für den Tourismus
Ziel sei es, im Einvernehmen mit der Schifffahrt Oberweser eine solche Maßnahme zu beschließen. Denn: „Ein Ignorieren der klimatischen Veränderungen und ein ‚weiter so‘ ist unakzeptabel, zumal ja auch zu erwarten ist, dass sich der klimatische Trend weiter fortsetzt“. Für 2022 sei zwar nichts mehr zu retten, sagt Geisler. „Umso wichtiger ist nun aber eine Perspektive für die nächsten Jahre.“ (Lesen Sie hier: Sorge um Grundwassermengen: Bürgermeister fordern „rote Ampel“)
Um die bemüht sich auch die Edersee Marketing GmbH. Man setze schon seit Jahren nicht mehr nur auf den See, sondern vermarkte die Region als Ganze, erklärt Günther. So laufe aktuell ein Zertifizierungsverfahren zur Qualitätswanderregion. Auch die Rad-Infrastruktur werde ausgebaut. Mit Erfolg: „In diesen Bereichen verzeichnen wir einen Zuwachs an Gästen.“ (dpa)