Als Strafe für seine Sünden muss der lange Hannes ruhelos seine Nächte verbringen. Nachtein, nachtaus wandert er von Petersberg bis zur Steinauer St. Nikolauskirche, weil er einst Geld unterschlagen hatte, das er vom Propst für die Armen und Kranken erhalten hatte. Er soll aber recht harmlos sein, wenn man ihm begegnet. (Lesen Sie hier: Das Runkelrübenfest ist zurück: Zahlreiche Besucher und ausgelassene Stimmung in Schlitz)
Vorsicht geboten ist hingegen an der Haune bei Hünhan. Nachts geht am Ufer ein Müllersmann auf und ab und lockt Vorbeikommende in den Fluss. Dass er in seinem Grab keine Ruhe findet, hat er einer unerhörten Freveltat zu verdanken: Seine Mühle in Hünhan war regelmäßig von den Fluten der Haune überspült worden. Von einem Fremden, mutmaßlich dem Teufel, erhielt er den Rat, seinen Sohn lebendig ins Wehr einzumauern. Die letzten Worte des armen Knaben vor seinem qualvollen Tod: „Vater, wir sehen uns wieder.“
Immer wieder in die Irre gelockt werden Wanderer auch im Gieseler Wald: Hier spukt der Seekaspar in der Tracht eines Landsknechts aus dem 30-jährigen Krieg. Er hatte seine Geliebte mit einem Schwertstreich getötet, zur Strafe bleibt er nun gefangen in der Welt der Untoten.
Sogar überregional bekannt sind die Moorjungfrauen, die immer wieder durch die Nebelschwaden über das Schwarze und Rote Moor flattern. Denn hier versanken einst ihre Heimatdörfer: Poppenrode im Roten und der Ort Moor im Schwarzen Moor. Vor den bildschönen Damen muss keiner Angst haben, manchmal besuchen sie in Wüstensachsen sogar Feste und schwingen das Tanzbein. Aber nur bis zur zwölften Stunde.
Ganz einsam ist die geheimnisvolle, weiß verschleierte Frau, die jede Nacht in der Grünen Delle zwischen Hünfeld und Malges schwebt. Sie ist die Ahnfrau von Buchenau, die zu Lebzeiten recht garstig war und von einem von ihr drangsalierten Bauern verflucht wurde.
Es spukt und geistert in der Region tatsächlich allerorten: Im Schloss in Neuhof erscheint noch heute die ruhelose Seele des früheren Amtsmanns, der stets nach Gutdünken geurteilt und nie das Recht im Auge hatte. Im Eichig bei Tiefengruben zeigt sich hin und wieder ein napoleonischer Reiter, wenn die Glocken zum Engel des Herrn läuten. Am Kreppelstein bei Eiterfeld, einem steinernen Kreuz, kämpfen heute noch in dunklen Nächten ein paar Knechte, die sich zu Lebzeiten wegen eines zu dunkel geratenen Kräppels in die Haare gekriegt und gegenseitig mit Sicheln erstochen hatten.
Die Nächte werden länger, Nebel hüllt die Landschaft in gespenstische Atmosphäre, und glühende Augen starren uns aus ausgehöhlten Kürbisköpfen entgegen – es ist Halloween. Der vom irischen All Hallows‘ Eve (Allerheiligen) abstammende Gruseltag wird in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November begangen. Die keltischen Druiden feierten damit das Sommerende. Nach heidnischer Vorstellung suchen die Toten die Lebenden, um deren Körper in Besitz zu nehmen. Zur Abschreckung der bösen Geister verkleideten sich die Menschen und spukten selbst durch die Nacht.
Quellenangaben:
Sagen und Märchen aus der Rhön. Gundula Hubrich-Messow. Husum. 2013.
Tann im Ulstertal. Eine Stadt und ihre Geschichte(n). Hrsg: Ulrike Hofmann. Hofmann und Heine.
Rudolf Christl/Festausschuss Eiterfeld: 1150 Jahre Eiterfeld. 1995.
Am Fuße der Milseburg tanzen die Hexen, und zwischen Lütter und Schmalnau fährt alle Nacht ein Wagen, in dem ein Mann sitzt, der von seiner Geliebten verflucht worden war, weil er sie schwanger hatte sitzen lassen. Und in Petersberg wurde vor Jahrhunderten ein sittenloser Propst bestraft und muss seitdem nachts im Advent kopflos in einem Wagen mit ebenso kopflosem Rappen fahren, der von einem feurigäugigen Hund gefolgt wird.
Dass es hierzulande so viele schaurige Geschichten gibt, ist kaum verwunderlich, hatte die Region doch häufig unter Hungersnöten, gefährlichen Raubrittern und durchziehenden Söldner-Truppen zu leiden. Der Aberglaube wucherte, und in den nebelverhangenen Bergen der Rhön fühlen sich die Geister offenbar wohl. Ob es sie wirklich gibt? Wer weiß – steckt nicht in jeder Sage auch ein Fünkchen Wahrheit? Ein bisschen Vorsicht – wenigstens in der Halloween-Nacht – schadet ja nicht.