„Auf einmal standen wir mitten in den Flammen“ - Hitzesommer bringt Feuerwehren an Grenzen

Brennende Felder, Flammen im Wald - für die Freiwilligen Feuerwehren in Hessen ist der Sommer 2022 eine Aneinanderreihung von anstrengenden Einsätzen. Dabei können die Brandschützer an ihre Grenzen geraten.
Hofbieber - Seit mehr als 25 Jahren engagiert sich Heiko Kremer bei der Freiwilligen Feuerwehr und trotzdem sagt er: „Sowas habe ich nicht, sowas hat keine Einsatzkraft bislang erlebt.“ Anfang Juli standen im osthessischen Burghaun im 20 Hektar Feld in Flammen. Der Wind drehte sich immer wieder, fachte das Feuer neu an und zwang den Gemeindebrandinspektor aus dem etwa 20 Kilometer entfernten Hofbieber und seine Einsatzkräfte dazu, sich ständig neu zu positionieren: „Auf einmal standen wir mitten in den Flammen.“
Hitzesommer in Hessen: Enorme Belastung für Freiwillige Feuerwehren
Es ist eine anstrengende Zeit für die Feuerwehren - nicht nur im Kreis Fulda. In der trockenen Landschaft genügt ein kleiner Funke, um Brände auszulösen. Mindestens 180 Mal mussten die Brandschützer laut Hessischem Umweltministerium in diesem Jahr zu Wald- und Flächenbränden ausrücken. Zuletzt brannte in der Region ein Feld zwischen Landenhausen und Müs. Im Jahr 2021 gab es 29 Brände dieser Art in Hessen, 2020 waren es 103, zeigt die Waldbrandstatistik der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.
Bis zu vier Mal in der Woche geht bei Heiko Kremer im Sommer der Pieper los - der Beginn eines jeden Einsatzes für den Gemeindebrandinspektor. Dabei setzt das Feuer nicht nur der Natur zu, sondern auch den Menschen, die es löschen wollen.
Zusätzliche Sommerhitze tut ihr Übriges. „Nach 20 bis 30 Minuten im Einsatz bei 30 bis 40 Grad fühlt man sich, als wäre man einen Marathon gelaufen“, schildert Kremer. Die Einsatzleitung müsse dann entscheiden, ob sie die Helfer ein zweites Mal in die Flammen schickt oder andere nachalarmiert.

Dabei sind die Einsatzkräfte immer Gefahren ausgesetzt, sei es durch das Feuer selbst, Rauchgas oder einen Kreislaufkollaps. So liegt die Unfallquote unter Freiwilligen Feuerwehrleuten in einigen Bundesländern über dem generellen Durchschnitt, in Hessen gibt es laut Unfallkasse Hessen keine signifikanten Veränderungen der Unfallzahlen unter Feuerwehrleuten.
Zum Schutz derer hat der Landkreis Fulda, in dem Heiko Kremer löscht, eine Einheit aus speziell geschulten Ehrenamtlichen formiert. Sie wird bei großen Einsätzen alarmiert. Die Freiwilligen untersuchen die Feuerwehrleute vor Ort und stabilisieren notfalls ihren Kreislauf.
Klimawandel: Landesfeuerwehrverband erwartet mehr Einsätze
Solche Einsätze in Hitze und trockenem, mitunter unwegsamem Gelände, bei denen die Anstrengung der Feuerwehrleute in Schutzkleidung und mit Atemschutz „über das Normalmaß“ hinausgeht, fordern mehr Personal, wie Harald Popp, Geschäftsführer des Landesfeuerwehrverbands Hessen, erläutert. Zum einen könnten die Freiwilligen nicht so oft eingesetzt werden, zum anderen „werden solche Einsätze in Zukunft wegen des Klimawandels mehr“, sagt er.
Deshalb müsse man mit dem Personal zukünftig anders umgehen, beispielsweise brauche es häufiger Hilfe aus benachbarten Landkreisen. Auch Kremer musste in diesem Sommer schon mehrfach mit seinen Feuerwehrleuten aus Hofbieber in Nachbargemeinden ausrücken.
Gerade bei Feldbränden sei das Zusammenspiel mit Landwirten immer wichtiger: Sie pflügen den Acker um und dämmen so das Feuer ein.
Derlei Aufgaben kann die Feuerwehr nicht übernehmen: „Dafür haben wir gar keine Gerätschaften“, macht Popp deutlich. Man könne die Einsatzkräfte schließlich nicht mit Spaten losschicken. Anstrengendere, größere Einsätze, die in Zukunft wohl häufiger werden, schrecken die Ehrenamtlichen aber nicht von ihrem Engagement ab. Popp beobachtet in Hessen und Kremer in Hofbieber eine stabile Zahl an Freiwilligen.
Im südhessischen Taunusstein bemerkt Stadtbrandinspektor Martin Zywitza ebenfalls, dass Brände in den trockenen Monaten des Jahres immer häufiger werden. Vor allem brennender Waldboden lasse seine Einsatzkräfte ausrücken. Seit 2019 bekommt er dabei Hilfe von einer eigenen Drohneneinheit. Speziell ausgebildete Feuerwehrkräfte lassen Kameras über Wälder fliegen und kundschaften so die Brandstelle aus.
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Laut Zywitza wird diese Technik in ganz Deutschland immer beliebter. Stehen seine Einsatzkräfte einem großen Feuer gegenüber, können sie über die Leitstelle Löschhubschrauber von der Bundes- oder Landespolizei anfordern. In Hessen stehen dafür laut Innenministerium in Egelsbach zwei und in Fuldatal ein Helikopter zur Verfügung. Passende Behälter für Löschwasser gebe es darüber hinaus in Darmstadt, Lauterbach, Wetzlar und Wolfhagen.
Gerade im Sommer werden die Freiwilligen Feuerwehrleute in Hessen laut Heiko Kremer sehr stark beansprucht. Da freut es ihn, dass seiner Meinung nach die Anerkennung für das Ehrenamt in der Gesellschaft hoch ist. Was die Belastung seiner Mitstreiter bei der Feuerwehr aber angeht, warnt er: „Es ist ein schmaler Grat, wir dürfen den Bogen nicht überspannen.“ (dpa)