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Folgen des Klimawandels - Verband sieht große Herausforderungen für Waldbesitzer in Hessen

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Von: Hartmut Zimmermann

Michael Freiherr von der Tann (links) und sein Nachfolger im Amt des Präsidenten des Hessischen Waldbesitzerverbands, Prinz Carl Anton zu Waldeck und Pyrmont.
Michael Freiherr von der Tann (links) und sein Nachfolger im Amt des Präsidenten des Hessischen Waldbesitzerverbands, Prinz Carl Anton zu Waldeck und Pyrmont. © Hartmut Zimmermann

Hessens Waldbesitzer sehen große Herausforderungen auf dem Weg zum klimastabilen Mischwald der Zukunft. Bei einem Gespräch mit unserer Zeitung erklären Michael von der Tann, ehemaliger Präsident des Hessischen Waldbesitzerverbandes und sein Nachfolger Prinz Carl Anton zu Waldeck und Pyrmont, wie Hessens Wälder zukunftsfähig werden können.

Wartenberg/Tann - 23 Jahre lang war Michael von der Tann Präsident des Hessischen Waldbesitzerverbandes (Fulda). Bei seiner jüngsten Versammlung wählte der Zusammenschluss der privaten und kommunalen Waldbesitzer Prinz Carl Anton zu Waldeck und Pyrmont zum Nachfolger. Ein Rück- und Ausblick. (Lesen Sie hier: Forstamtsleiter Jörg Winter geht in den Ruhestand - „Ein begnadetes Stückchen Erde“)

Hessen: Große Herausforderungen für Waldbesitzer - Weg zum klimastabilen Mischwald

Ist es in der Satzung des Hessischen Waldbesitzerverbandes festgeschrieben, dass die Vorsitzenden aus Adelsfamilien kommen?

Michael von der Tann (lacht): Nein, das ist reiner Zufall. Nein, keineswegs. Es liegt aber auch daran, dass viele adlige Familien Wald in Hessen haben.

Beim Wald denkt man in langen Zeiträumen – offenbar nicht nur bei den Bäumen: Sie waren mehr als zwei Jahrzehnte Waldbesitzer-Präsident, ihr Vorgänger ähnlich lange. Wie stellen Sie sich den Wald im Jahr 2052 vor?

Prinz Waldeck: Es wird Wald geben im Jahr 2052. Aber wir müssen uns klar sein, dass er ganz anders aussehen wird als heute. Denn die Folgen des Klimawandels sind ja jetzt schon fast überall präsent. Weil nahezu alle heimischen Baumarten davon betroffen sind, wird es dann längst viel kleingliedrigere, mit unterschiedlichen Baumarten durchmischte Waldflächen geben.

Das streben wir an, um so eine Absicherung gegen verschiedene Klimaszenarien zu erreichen. So verhindern wir, dass, wie gerade beispielsweise bei der Fichte, große Waldstücke ausfallen und dann riesige Freiflächen entstehen: In gemischten Beständen können die weniger betroffenen Baumarten den Wald in der Fläche erhalten.

Von der Tann: Das ist der Blick in die große Glaskugel – Vorhersagen sind da schwierig. Die Klimabedingungen werden nicht einfacher. Es wird ein Herantasten an eine neue Situation – mit Baumarten, die wir zwar kennen, aber bisher nicht in dem Maße angepflanzt haben, ob es die Weißtanne ist, die Amerikanische Eiche, die deutsche Eiche sowieso und die Douglasie.

Die große Schwierigkeit liegt allerdings darin, dass sich nicht nur das Bild von einförmigen, großen, von einer Art geprägten Waldflächen ändert, sondern dass mit der Vielfalt der Baumarten das Bewirtschaften viel schwieriger und aufwändiger wird. Denn zum Beispiel wird Maschineneinsatz künftig viel diffiziler. Das macht die Arbeiten und damit letztlich auch das Holz wesentlich teurer.

Herr von der Tann, haben Sie, als sie vor 23 Jahren ins Amt kamen, den nun entstandenen Veränderungsdruck kommen sehen?

Ganz und gar nicht. Es gibt zwei Ebenen mit enormen Veränderungen. Die eine wird, wie schon angesprochen, durch die Klimaveränderung gesteuert. Hinzu kommt aber auch eine vollkommene Umkehr bei der Betreuung der Wälder: Die war damals, schaut an auf die kommunalen Flächen, automatisch bei den Forstämtern des Landes angesiedelt.

Auch bei vielen kleineren und mittleren privaten Betrieben war das Land ein willkommener Dienstleister für die Betreuung. Da hat sich der Staat auch aufgrund von Gerichtsbeschlüssen extrem zurückziehen müssen. Wir haben jahrelang eine Öffnung für die Betreuung der Betriebe angemahnt. Nun ist das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und keiner ist so recht darauf vorbereitet.

Vom Freiherrn zum Prinzen

Der Hessische Waldbesitzerverband hat einen neuen Vorsitzenden: Prinz Carl Anton zu Waldeck und Pyrmont heißt der neue Präsident. Der 30-Jährige ist Nachfolger von Michael Freiherr von der Tann (72), der 23 Jahre lang an der Spitze der hessischen Privatwaldbesitzer gestanden hatte und nicht mehr kandidierte.

In dem Verband sind rund 60.000 private, kommunale und gemeinschaftliche Waldbesitzer organisiert. Der neue Präsident tritt in die Fußstapfen seines Vaters: Fürst Wittekind zu Waldeck und Pyrmont hatte das Präsidentenamt vor von der Tann für zwei Jahrzehnte inne.

Für das Land Hessen hatte Staatsminister Axel Wintermeyer (CDU) von der Tann für seinen Einsatz gedankt: Sein Name sei untrennbar mit der nachhaltigen Waldwirtschaft verbunden: „Sie haben Forstwirtschaft und Naturschutz in Hessen und im Bund vorangebracht“, lobte Wintermeyer den Freiherrn.

Dürre und Borkenkäferbefall haben in vielen Bereichen große Waldflächen zerstört. Erwarten Sie, dass es daher künftig einen schrumpfenden Waldanteil und, zumal in Osthessen, dadurch mehr „offene Fernen“ geben wird?

Von der Tann: Es wird und es muss wieder Wald auf diesen Flächen geben. Und wenn man der Natur auf lange Sicht freien Lauf ließe, würden wir noch mehr Wald bekommen. Denn dass wir so viele Freiflächen haben, ist ja ein menschengemachtes Kunstprodukt. Die Erhaltung dieses Stücks Kulturlandschaft in der Rhön wird ja massiv unterstützt, beispielsweise mit Geld der EU.

An den Wald werden unterschiedliche Ansprüche gestellt: Er dient der Holzproduktion, ist zugleich Erholungsraum und Freizeit-Areal, aber zunehmend auch fast eine „Wunderwaffe“ im Klimawandel, wenn es gilt, große Mengen an CO2 zubinden. Welche Aufgaben messen Sie dem Wald vorrangig bei?

Von der Tann: Die ganz große Frage wird sein, wie man mit der Funktion des Waldes als „Klimasenke“ umgehen wird. Denn die Kernfrage, was der Waldbesitzer dafür bekommt, dass er seinen Wald als großen C0₂-Speicher zur Verfügung stellt, ist bislang ungelöst. Bislang wird das automatisch „mitgenommen“. Aber wir Waldbesitzer befinden uns in einer wirtschaftlichen Situation, in der das nicht mehr möglich ist. Wir sind sehr dafür, dass der Wald offen ist und für jeden zugänglich bleibt. Aber die Öffentlichkeit muss auch sehen, dass das nicht automatisch geht, sondern dass der Waldbesitzer dafür auch seinen Teil bekommt. 

Sollen dann die Waldbesitzer, wie in Teilen der Landwirtschaft jetzt schon üblich, einen Teil ihres Einkommens damit erzielen, dass sie Naturschutzleistungen erbringen?

Prinz Waldeck: Ich hoffe nicht! Nein, da wollen wir auf keinen Fall hin. Uns geht es darum, dass der Waldbesitzer, also beispielsweise eine Gemeinde oder Stadt, die durch das Aufforsten entstehende CO₂-Senkenleistung am Markt verkaufen kann. Das setzt voraus, dass der CO₂-Markt geöffnet wird und dann deutschlandweit oder den Unternehmen in der Region diese Klimaschutz-Leistung verkauft werden kann. Wir wollen da keine Subventionsstruktur entwickeln, sondern eine Art „Markt für CO₂-Speicher“. Mit dem „Klimafonds“ der Bundesregierung wird ja derzeit schon die Senkenleistung des kommunal- und Privatwalds mit verkauft, ohne dass wir etwas davon bekommen.

Video: Waldinventur soll Aufschluss über Dürreschäden bringen

Wie stellt sich denn in diesem Umfeld die wirtschaftliche Situation der Waldbesitzer dar?

Prinz Waldeck: Als sehr herausfordernd! Gerade für die kleinen Privatwaldbesitzer muss ja erst einmal eine Motivation geschaffen werden, die durch Dürre und Käferfraß weggefallenen Flächen wieder aufzuforsten: Das kostet Arbeit, oft eigene – und dazu viel Geld, von dem man bestenfalls erst in Jahrzehnten wieder etwas hat. Ein durchschnittlicher Privatwaldbesitzer hat zwei, drei Hektar Waldbesitz – und wenn man die aufforsten muss, dann sind rasch mal 30 000 bis 40 000 Euro fällig. Diese Investition stemmt man aber nur, wenn man auch eine Perspektive hat. Das ist nicht zuletzt auch für die heimische Säge- und Holzindustrie wichtig.

Bringen die bereits genannten „Zukunftsarten“ von der Weißtanne über die Douglasie bis zur Amerikanischen Eiche ökologische Unwägbarkeiten mit oder sind sie hinreichend bekannt?

Von der Tann: Wir kennen sie alle. Die Douglasie gibt es hier seit rund 150 Jahren – und im Gegensatz zur Fichte mit ihren flachen Tellerwurzeln gründet die Douglasie sehr tief. Deswegen ist sie prädestiniert – wie die anderen genannten Arten auch. Aber bis dann Bestände entstehen, bedarf es sehr intensiver Arbeit.

Prinz Waldeck: Die Eschen und Buchen, aber auch die Fichte und selbst der Ahorn, die wir hier sehen, sind vom Klimawandel mittel bis stark bedroht. Wir pflanzen aber jetzt, wenn wir an Nadelholz denken, das Holz, das wir in rund 80 Jahren ernten, bei Eichen können es auch 200 Jahre sein. Ob wir dann beim Klimawandel bei 1,5 oder bei 4 Grad landen, wissen wir doch gar nicht. Daher brauchen wir bei der Sortenauswahl eine große Bandbreite. Denn die ermöglicht es uns, in der Zwischenzeit nicht genügend angepasste Arten zu entnehmen und so weiter zu steuern.

Sinkt die klimabedingte Gefährung für Ahorn, Esche, Buche & Co., wenn es künftig eher gemischte Bestände gibt?

Prinz Waldeck: In gewissem Grad ja: Es ist nachgewiesen, dass Mischbestände stabiler sind. Der Hauptvorteil jedoch liegt darin, dass der Ausfall einer Baumart eben nicht den Verlust ganzer Flächen bedeutet, weil die verbleibenden Arten die Lücken auffüllen können.

Wald in Hessen: Vernünftiger Ausgleich zwischen Forst und Jagd

Douglasie und Weißtanne, die Sie als Zukunftsarten sehen, sind besonders durch Wildverbiss gefährdet. Wird aus diesem Grund die Spannung zwischen Forst und Jagd weiter wachsen, weil Sie immer höhere Abschussquoten gerade beim Rehwild einfordern?

Von der Tann: Es liegt an beiden Seiten, für einen vernünftigen Ausgleich zu sorgen. Dazu gehört es, die Jäger darauf hinzuweisen, gerade an solchen Aufforstungsflächen intensiv zu jagen. Wenn da keine Einsicht ist, dann hat dieser Jäger keinen Platz mehr in dem entsprechenden Revier. Nach meinen Erfahrungen gibt es da aber inzwischen viel Erkenntnis bei den Jägern.

Welche Entwicklung erwarten sie bei den Holzpreisen?

Von der Tann: In den Dürrejahren waren die Preise katastrophal – sie haben gerade mal die Rückekosten gedeckt. Jetzt haben sich die Preise zum Glück kräftig erholt. Aber da in die Zukunft zu gucken, ist eigentlich unmöglich.

Prinz Waldeck: Für den ländlichen Raum wird das Holz auch weiterhin für die Wärmegewinnung eine große Rolle spielen – und dafür fällt bei den üblichen Arbeiten im Wald auch immer genug an. Beim Thema Bauen werden die staatlichen Vorgaben sich auswirken: Wenn wir deutlich mehr Laubholz bekommen, dann wird das klassische Bauholz, das ja fast immer Nadelholz ist, im Preis steigen.

Auch der Holzmarkt ist ein Weltmarkt. Wohin verkaufen die hessischen Waldbesitzer ihre Produkte?

Prinz Waldeck: China war ein „Puffermarkt“ in Zeiten, als die heimischen Säger geradezu mit Ware überschwemmt wurden. Da haben die Chinesen eben auch Fichtenholz gekauft. Wenn der Preis nicht stark abfällt, ist das aber für China nicht wirklich interessant.

Von der Tann: Bei Buchenholz hingegen ist China für die hessischen Waldbesitzer ein traditioneller Markt: Weißbuche ist dort sehr gefragt, obwohl China enorme Flächen aufforstet – auch mit großer hessischer Beratungshilfe Ende vergangenen Jahrhunderts. 

Was erwarten die privaten Waldbesitzer vom Land Hessen als Partner?

Prinz Waldeck: Weiterhin eine gute Partnerschaft mit dem Landesbetrieb Hessen Forst, der ja auch viele unserer Mitglieder gut beförstert. Vom Land selbst erwarten wir Unterstützung beim Anschub für die Wiederbewaldung. Ministerpräsident Boris Rhein hat ja in seiner Regierungserklärung vom „größten Waldaufbauprogramm in der Geschichte des Landes Hessen“ gesprochen – da sind wir sehr gespannt, was auf uns zukommt.

Wir haben im Privat- und Kommunalwald Hessens derzeit rund 50.000 Hektar Kahlflächen. Wenn davon auch nur die Hälfte wieder aufgeforstet werden soll, reden wir von Investitionen von rund 375 Millionen Euro. Denn das Pflanzen und Pflegen der gewünschten Mischwälder ist mit deutlich erhöhtem Aufwand verbunden. Das ist für viele ohne „Anschub“ nicht leistbar.

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