Sexualisierte Gewalt gegen Kinder: Polizei durchsucht Wohnungen - auch in Osthessen

Im Kampf gegen Kindesmissbrauch hat die Polizei in der vergangenen Woche zahlreiche Wohnungen in Hessen durchsucht. Auch in den Landkreisen Fulda und Main-Kinzig waren die Ermittler aktiv.
Wiesbaden/Fulda - Eine spezielle Organisation der Polizei - die sogenannte BAO FOKUS (siehe Infokasten) - führt auch im dritten Jahr ihres Bestehens die Bekämpfung von sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen fort: Vergangene Woche wurden zwischen Montag und Freitag (21. Oktober) unter der Leitung des Hessischen Landeskriminalamts insgesamt 62 Wohnungen und Häuser in Hessen durchsucht. Das teilt das Landeskriminalamt (LKA) in einer Pressenotiz mit.
Hessen: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder - Polizei durchsucht 62 Wohnungen
Den 62 Beschuldigten werden Herstellung, Besitz und Verbreitung von Kinder- beziehungsweise Jugendpornografie oder sexueller Missbrauch von unter 18-Jährigen zur Last gelegt. Zehn Beschuldigte wurden vernommen, ein Haftbefehl wurde vollstreckt. Nach jetzigem Stand der Ermittlungen stünden die Beschuldigten - 58 Männer und vier Frauen - untereinander weder im Austausch, noch würden sie sich kennen.
Die Durchsuchungen fanden in den Städten Wiesbaden, Frankfurt am Main, Offenbach am Main, Darmstadt, Hanau und Kassel statt, außerdem in den Landkreisen Groß-Gerau, Offenbach, Odenwald, Schwalm-Eder, Main-Kinzig, Wetterau, Marburg-Biedenkopf, Lahn-Dill, Gießen, Fulda, Hochtaunus, Main-Taunus, Darmstadt-Dieburg und Bergstraße.
Bei den Durchsuchungen waren 218 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz. Sie stellten 508 deliktsspezifische Gegenstände - darunter sind Speichermedien aller Art zu verstehen - sicher. Diese werden nun ausgewertet, wie das LKA mitteilt.
Spezialeinheit der hessischen Polizei ermittelt gegen Sexualstraftäter
Die BAO FOKUS wurde bei der hessischen Polizei vor über zwei Jahren gegründet, um unter Ausschöpfung aller taktischen und rechtlichen Mittel gegen Sexualstraftäter und den Besitz von Kinderp*rnografie vorzugehen. Inzwischen wurden über 800 Beschuldigte vernommen und bei Durchsuchungen mehrere zehntausend Speichermedien sichergestellt. Während sich manch ein Verdacht nicht bestätigte, erhärteten sich andere. (Lesen Sie auch: Meldungen in Messenger-Gruppen besorgen Eltern: Sprechen unbekannte Männer aktuell Kinder an?)
Etwa wurde nach intensiven Ermittlungen der BAO FOKUS vor wenigen Wochen an einem hessischen Landgericht ein 47-Jähriger zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte zwischen 2002 und 2007 sowie im Sommer 2021 drei Jungen sexuell missbraucht habe, teilweise schwer und über einen längeren Zeitraum hinweg. Die Kinder waren zum Zeitpunkt der vom Gericht angenommenen Taten zwischen acht und zehn Jahre alt. Der Angeklagte legte während des Prozesses ein Teilgeständnis ab.
Der Verteidiger des Mannes hat angekündigt, Revision einlegen zu wollen; das Urteil ist demnach zunächst nicht rechtskräftig geworden. Dennoch sehen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BAO FOKUS in ihrer Arbeit bestätigt. „Auch wenn das unvorstellbare Leid der Kinder dadurch nicht ungeschehen gemacht wird, haben die Ermittlerinnen und Ermittler einen Teil dazu beigetragen, ihnen ein kleines Stück ihrer geraubten Würde zurückzugeben. Der Fall zeigt darüber hinaus einmal mehr, wie wichtig es ist, auch ersten Verdachtsmomenten entsprechend professionell nachzugehen“, sagt Kriminaloberrat Peter Becker, Leiter der BAO FOKUS.
Hintergrund BAO FOKUS
Die BAO FOKUS (Besondere Aufbauorganisation für fallübergreifende Organisationsstruktur gegen Kinderp*rnografie und sexuellen Missbrauch von Kindern) hat aufgrund steigender Fallzahlen im Bereich der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ihre Arbeit im Oktober 2020 aufgenommen. In der BAO arbeiten hessenweit über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon sind rund 190 Ermittlerinnen und Ermittler. Die BAO ist organisatorisch im Hessischen Landeskriminalamt angesiedelt. Über den dortigen Führungsstab wird eine landesweite Koordination der fortlaufend stattfindenden Einsatzmaßnahmen gewährleistet. In jedem der sieben hessischen Polizeipräsidien wurde ein Regionalabschnitt gebildet.
Der Beschuldigte und spätere Angeklagte war vergangenes Jahr in den Blickpunkt der Ermittlerinnen und Ermittler geraten, nachdem er zwei Mädchen zu sich in die Wohnung gelockt hatte. Eines der Kinder hörte seine Mutter draußen rufen, beide Kinder verließen daraufhin die Wohnung des Mannes wieder. Da der Mutter des Mädchens der Vorfall merkwürdig erschien, informierte sie die Polizei. Die eingesetzten Beamtinnen und Beamten teilten die Auffassung der Frau, gingen der Sache sofort weiter nach und befragten den späteren Beschuldigten noch an Ort und Stelle. Obgleich es zu keinem sexuellen Übergriff gekommen war, wurde die Wohnung des Mannes mit dessen Zustimmung durchsucht und dabei belastende Videos und Fotos sichergestellt. Der Mann musste in Untersuchungshaft, wo er sich auch aktuell noch befindet. (Lesen Sie auch: Gefahrgutkontrollen bei Bad Hersfeld: Polizei zieht mehrere Lkw aus dem Verkehr)
Hätte die aufmerksame Mutter nicht die Polizei informiert, wäre wohl erst sehr viel später, womöglich aber auch gar nicht gegen den Mann ermittelt worden. Peter Becker bittet Bürgerinnen und Bürger: „Wenn Ihnen ein Vorfall oder eine Wahrnehmung merkwürdig vorkommt, informieren Sie umgehend die Polizei.“ (sob)