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„Der ganze Ort ist abgesoffen“ - Gebürtiger Fuldaer von Flutkatastrophe betroffen

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Von: Leon Weiser

Viele Menschen haben durch die Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands alles verloren. Raphael Rill, der in der Burg Blessem (Rhein-Erft-Kreis) wohnte, ist einer der Betroffenen. Er floh aus der Wohnung, lebt nun in Notunterkünften und bei seinen Eltern in Fulda.

Fulda/Blessem - „Mir geht es körperlich so weit ganz gut“, sagt Rill trotz seiner Lage. Er hat seine Wohnung an das Hochwasser verloren. Etwa zehn Prozent seiner Wertgegenstände habe er in Sicherheit bringen können. Die Wohnung in der Burg bezieht er zwar nur als Mieter. „Ich habe trotzdem Kosten für Möbel und andere Gegenstände von 30.000 bis 50.000 Euro. Da muss ich noch sehen, wie ich das stemmen kann“, sagt er.

Aktuell wohnt der 31-Jährige in verschiedenen Notunterkünften und in seiner Heimat Fulda bei seinen Eltern. Er befindet sich jetzt auf Wohnungssuche, jedoch sei dies durch die aktuelle Situation nicht leicht. Dazu kommt, dass Rill zwei Hunde besitzt, die auch in der neuen Wohnung leben sollen. „Im Moment suchen alle, weil der ganze Ort abgesoffen ist. Es ist ein toter Ort. Da kann man nicht mehr richtig wohnen.“

Hochwasser bei Köln: Gebürtiger Fuldaer von Flutkatastrophe betroffen

Er war selbst in der Wohnung, als es Mitte Juli angefangen hat, so stark zu regnen. Das Wasser sei immer höher angestiegen. „Ich hatte mir erst nicht so viel Schlimmes dabei gedacht, bis das Wasser dann hüfthoch stand. „Um das Wasser abzuhalten, habe ich anfangs einen fünf Zentimeter hohen Damm aus Säcken mit Blumenerde gebaut. Ich habe gedacht, das wird reichen. Wenn ich jetzt an den Tag zurückdenke, muss ich manchmal lachen.“

Irgendwann habe er seine Hunde gepackt und sei zum Auto gerannt, beschreibt er seine Flucht aus der Wohnung. Er ist anschließend noch zweimal reingegangen, um seinen Koffer und Geld zu holen. Den Koffer hatte er bereits gepackt, weil er ursprünglich in den Urlaub fahren wollte. (Lesen Sie auch hier: Nach Flutkatastrophe: Fahrschul-Lkw fährt 120 Heuballen ins Krisengebiet)

Gebürtiger Fuldaer flüchtet vor Flut und sucht nun eine Wohnung

Ihm gingen zwei Gedanken durch den Kopf, als er im Auto saß: „Wie weit steigt das Wasser noch?“ und: „Ich übertreibe doch.“ Er habe sich sofort bei seinem Chef von der Arbeit abgemeldet. Als Rill in Fulda ankam, sei ihm das Ausmaß der Katastrophe erst bewusst geworden, als er Bilder und Videos im Fernseher und in der Zeitung gesehen habe. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe er gewusst, dass er mit seiner schnellen Flucht und der Absage an der Arbeit nicht übertrieben hatte. „Als ich später wieder in die Wohnung wollte, habe ich an den Flecken gesehen, dass das Wasser im Erdgeschoss bis zur Decke stand. Ich konnte die Wohnung eineinhalb Wochen nicht betreten.“

Als sich die Lage ein wenig verbessert hatte, durfte der 31-Jährige für 30 Minuten in die Wohnung. Einen längeren Aufenthalt erlaubten die Behörden aufgrund der Einsturzgefahr nicht. Darum durfte er sie nicht alleine betreten, sondern nur in Begleitung der Rettungskräfte vor Ort. „Durch das Wasser hat sich an den Wänden viel Schimmel gebildet. Es gibt keinen Strom, kein Wasser und die Kanalisation funktioniert nicht“, berichtet Rill.

Der Fuldaer hofft nun, übergangsweise in einem Wohnwagen unterzukommen. „Dann könnte ich ohne Druck eine Wohnung suchen. Aber bislang habe ich nur Absagen bekommen.“ Für ihn sei ärgerlich, dass viele Autohersteller damit werben, Menschen unterzubringen, er aber keine Hilfe von ihnen bekomme. (Lesen Sie hier: Familie aus dem Ahrtal verliert bei Flut alles - und findet Hilfe im Vogelsberg)

Folgen der Hochwasserkatastrophe spürbar - „Überall Müllberge in den Straßen“

Die Folgen der Hochwasserkatastrophe sind auch jetzt, einen Monat später, für die Menschen nicht ganz greifbar. Michael Kramer, ein Freund des 31-Jährigen, war nur wenige Tage vor der Katastrophe in der Burg Blessem zu Besuch. „Wir waren noch mit den Hunden spazieren und nur ein paar Tage später gibt es diese Wege nicht mehr. Stattdessen liegen überall Müllberge in den Straßen“, berichtet Kramer. Er sei jetzt noch in ständigem Kontakt mit seinem Freund. Er habe ihn besucht, um beim Aufräumen zu helfen. „Ich will ihn nicht alleine lassen, wenn man fast alles verliert“, erläutert Kramer.

Hochwasser in Blessm: Der gebürtige Fuldaer Raphael Rill ist von den Flutschäden betroffen.
Der gebürtige Fuldaer Raphael Rill, der in der Burg Blessem (Rhein-Erft-Kreis) wohnte, ist von der Hochwasserkatastrophe betroffen. © Fuldamedia

Weil die Wohnung nicht betreten werden durfte, haben sich die beiden erkundigt, wer sonst noch Hilfe braucht. „Wir haben uns bei einer Station gemeldet, die Helfer vermittelt. Dann wurden wir zu einer Familie geschickt.“ Die Menschen vor Ort seien dankbar für die Unterstützung gewesen.

Die Hilfsbereitschaft unter den Einwohnern ist nach wie vor groß – genauso wie die entstandenen Schäden.

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