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Hausärzte sind Mangelware: Suche nach Medizinern in Fulda wird immer schwerer

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Von: Andreas Ungermann

Ein Sprechzimmer in einer Hausarztpraxis
Die Suche nach Hausärzten wird in Fulda immer schwerer. (Symbolbild) © Monika Skolimowska/dpa

Am Wochenanfang blieb die Hausarztpraxis von Anastasiya Franz in Fulda geschlossen. Ihre Patienten müssen sich nun neue Mediziner suchen. Das ist kein einfaches Unterfangen – obwohl Fulda von der Kassenärztlichen Vereinigung als „überdurchschnittlich versorgt“ betrachtet wird.

Fulda - „Es ist illusorisch, dass alle Patienten von Frau Franz unterkommen“, stellt Ralph-Michael Hönscher, Vorsitzender des Gesundheitsnetzes Osthessen fest. In seiner Arztpraxis gingen täglich zwischen 10 und 15 Anrufe von Patienten ein, die einen neuen Hausarzt benötigen. Die Engpässe in der allgemeinmedizinischen Versorgung seien nicht erst durch die Corona-Pandemie entstanden.

„In den nächsten Jahren werden viele Kollegen in den Ruhestand gehen und es fehlt an Nachwuchs“, erklärt Hönscher, „wir Ärzte können immer nur einen Patienten behandeln.“ Er fährt fort: „Der Hausarzt steht für ein gutes Vertrauensverhältnis und individuelle Betreuung – das kann nicht mehr gewährleistet werden.“

Tatsächlich zeigt die Statistik der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KV), dass in Fulda zwar 59 Hausärzte auf 53,45 Sitze kommen und die Region damit als überdurchschnittlich, aber noch nicht überversorgt gilt. Jedoch sind im „Mittelbereich Fulda“ mehr als 60 Prozent der Ärzte über 50 Jahre. In der Stadt sind es gar fast 70 Prozent.

Fulda: Hausärzte sind Mangelware - Suche nach Medizinern immer schwerer

Fulda stünde dank des gut vernetzten Gesundheitssystems noch recht gut da; die wichtige Versorgung der chronisch Kranken habe allerdings Rost angesetzt, meint Hönscher. „Eine Massenabfertigung in Polikliniken ist nicht im Interesse der Patienten. Sie können die individuelle Betreuung und das langfristig aufgebaute Vertrauensverhältnis nicht leisten“, betont er. Die Patienten seien schnelle Erreichbarkeit gewohnt, doch mittlerweile warte man auf Hausarzttermine ähnlich lange wie beim Facharzt.

Daher sei wünschenswert, dass auch die Patienten sich für verbesserte Berufsbedingungen des medizinischen Fachpersonals einsetzten. „Wir müssen die Politik gemeinsam wachrütteln, damit endlich ein Umdenken stattfindet“, appelliert der Vorsitzende des GNO. Qualitative Medizin benötige entsprechende personelle und zeitliche Ressourcen. Man müsse die Attraktivität des Berufes steigern, um den Versorgungsstatus aufrechterhalten zu können. Einige seiner früheren Kollegen haben sich aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Bedingungen bereits von der Kassenmedizin abgewendet.

Hönscher betreut in seiner eigenen Praxis über 3500 Patienten. Je nach Dringlichkeit warteten diese zwischen zwei und vier Wochen auf einen Termin. Akute Fälle versuche er immer spätestens am Folgetag zu behandeln. „Unsere Schultern sind in den letzten Wochen nicht breiter geworden“, bemerkt er. (Lesen Sie hier: Bundestag debattiert über Corona-Impfpflicht - Ärzte in der Region sind geteilter Meinung)

Der Hausarzt führte seine Patientengespräche dieser Tage selbst trotz Erkrankung telefonisch von zu Hause aus. „Seit zwei Jahren lebe ich nur, um zu arbeiten“, sagt er. Dennoch hält er seine Kollegen dazu an, nach dem Motto „Augen zu und durch“ weitere Patienten aufzunehmen, damit möglichst viele von diesen unterkämen.

Thomas Sitte betreut in der Praxis seiner Frau hauptsächlich Patienten in Pflegeeinrichtungen. „Die Belastung für das medizinische Fachpersonal wird immer höher, da zu wenig Hausärzte vorhanden sind“, berichtet der Palliativmediziner. Dies betreffe vor allem neue Patienten in den entsprechenden Einrichtungen, die von ihrem vorherigen Hausarzt nicht weiter betreut werden sowie die Versorgung „nach Feierabend“. „Abends, nachts, an Wochenenden und Feiertagen erreicht man kaum noch einen Hausarzt, der die Patienten versorgen kann“, so Sitte.

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Auch in der Praxis seiner Frau übersteige die Nachfrage das Angebot. „Es entstehen viele Probleme, wenn ein Hausarzt wegfällt. Jahrzehntelanges Wissen über einen Patienten kann man als Vertretungsarzt nicht so eben einer Akte entnehmen.“ Seine Frau und er seien beide in einem gewissen Alter, in welchem man bei neuen Patienten überlege, wie lange man diese überhaupt noch betreuen könne. „Das wird alles noch viel schlimmer werden“, prophezeit Sitte. Solange keine attraktiven Rahmenbedingungen für den Beruf geschaffen würden, werde sich der Versorgungsengpass weiter verschlimmern.

Bereits jetzt käme es durchaus vor, dass Patientinnen und Patienten im Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) davon berichten, dass sie keinen Hausarzt haben und deshalb in die Bereitschaftsdienstzentrale kommen. „Das entspricht natürlich nicht dem eigentlichen Sinn des ÄBD, denn dieser ist kein Hausarztersatz, sondern für die Versorgung von Patientinnen und Patienten vorgesehen, die außerhalb der Praxisöffnungszeiten medizinische Hilfe benötigen“, sagt Alexander Kowalski, Kommunikationsreferent bei der KV. (von Sophie Brosch und Andreas Ungermann)

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