Hinzu komme, dass derzeit vermehrt Tiere abgegeben werden, die sich besonders aggressiv verhalten. „So weit wir uns umhören, ist dieser Trend in allen Tierheimen zu sehen“, verrät Niggemann-Ziehe. „Wobei nicht nur Aggression selbst dazu führt, dass man mit dem Hund nicht zurecht kommt. Er kann vielleicht nicht allein bleiben und bellt dauernd, er zerstört, weil er unterfordert ist, er ist ängstlich, und so weiter. Auch dies erfordert alles Training und Geduld und wird oft als zu schwierig angesehen.“
Auch in anderen Tierheimen in Deutschland sieht es nach Angaben des Deutschen Tierschutzbunds ähnlich aus. „Die vielen Tiere in Betreuung bringen das Personal an seine Grenzen“, sagt Präsident Thomas Schröder. Vor allem, weil viele der Hunde schwierig im Umgang seien und viel Betreuung bräuchten. Im Berliner Tierheim seien im vergangenen Jahr auffällig viele junge Hunde größerer und anspruchsvollerer Rassen abgegeben worden, sagte Pressesprecherin Beate Kaminski.
„Da hatten sich die Leute vermutlich unbedarft im Zuge des Corona-Haustierbooms kleine Welpen ins Haus geholt, aber nicht die notwendige Erziehungsarbeit geleistet. Spätestens mit dem Beginn der Pubertät waren sie dann völlig überfordert mit dem Junghund“, meint sie. Das Tierheim hat inzwischen einen Aufnahmestopp verhängt. Auf der Warteliste stehen allein mehr als 80 Hunde, die die Besitzerinnen und Besitzer gerne abgeben möchten.
Auch im Saarbrücker Tierheim sitzen zurzeit nicht nur sehr viele Hunde, sondern auch besonders viele junge. Sonst würden eher ältere Tiere abgegeben, sagt Frederick Guldner. Viele der Hunde verhielten sich auffällig. „Sie wissen nicht, wie sie kommunizieren sollen. Sie reagieren aggressiv und bellen bei Unbekannten.“ Andere hätten Erkrankungen an den Muskeln und am Skelett. „Das macht es schwierig, die Tiere zu vermitteln“, sagt Guldner. „Niemand nimmt einen Schäferhund, der mit einem Jahr schon Hüftprobleme hat.“
Dass die Corona-Zeit Spuren bei jungen Hunden hinterlassen hat, stellt auch Udo Kopernik vom Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) fest. „Die Hunde haben schon ein Defizit. Sie sind in eine Zeit reingewachsen, wo man sich in einem Kokon bewegt hat“, sagt er.
Sie seien daran gewöhnt worden, rund um die Uhr betreut zu werden und hatten wenig Kontakt zu anderen Hunden und Menschen. Als die Besitzerinnen und Besitzer nach Monaten im Homeoffice wieder zur Arbeit mussten, seien die Probleme aufgetaucht, weil sie den Hund nicht mitnehmen konnten, dieser aber nicht allein sein oder von anderen betreut werden wollte. Diese Problematik lässt sich auch im Tierheim in Gelnhausen beobachten.
Ein weiteres Problem ist der illegale Welpenhandel, den die große Nachfrage nach Hunden in der Corona-Krise aufblühen lassen hat. Allein im Nürnberger Tierheim landeten vergangenes Jahr 170 Hundebabys, die die Polizei aus illegalen Transporten befreit hatte. Viele der Welpen seien viel zu jung, um von ihrer Mutter und den Geschwistern getrennt zu werden, sagt Kopernik. „Im Welpenalter fällt nicht auf, dass ihnen ein entscheidender Schritt in der Sozialisierung fehlt. Das tritt mit dem Erreichen der Pubertät aber zutage. Die Hunde werden aggressiv, es kommt zu Beißvorfällen in der Familie.“
Auch die Erkrankungen bei jungen Hunden, von denen das Saarbrücker Tierheim berichtet, können Kopernik zufolge auf unseriöse Züchter zurückgehen, die keine vernünftigen Gesundheitsprüfungen bei den Elterntieren machten. „Da geht es einfach um Masse und darum, schnell Geld zu verdienen.“
Die Tierheime finden für solche Hunde oft nur schwer ein neues Zuhause – vor allem jetzt, wo der Corona-Haustierboom abgeebbt ist. „Im Moment gibt es kaum Anfragen für unsere Tiere. Vielleicht liegt es daran, dass die Leute jetzt keine Tiere mehr haben möchten“, heißt es vom Tierheim im niedersächsischen Salzgitter.