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Erkältungswelle haut momentan viele um - Experten nennen Gründe

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Erkältung
Derzeit scheinen viele Menschen in Deutschland zu kränkeln. (Symbolbild) © Susann Prautsch/dpa

Es ist zurzeit eines der häufigsten Gesprächsthemen: Viele Leute im eigenen Umfeld sind angeschlagen oder krank. Erkältungen gehen rum in Deutschland – und das mitten im Sommer. Ein Blick auf die Lage.

Berlin/Fulda - Freundinnen und Freunde sagen mit belegter Stimme ab. Kollegen fallen mit Fieber und Schwächegefühl aus. Halb Deutschland scheint derzeit flach zu liegen – so zumindest der subjektive Eindruck. Ganz so dramatisch ist es zwar nicht, aber Daten und Einschätzungen von Ärzten und Apothekern zeigen: Es gibt für die Jahreszeit ungewöhnlich viele Atemwegsinfekte in Deutschland – mit Folgen für das Gesundheitssystem und Unternehmen.

Erster Ansprechpartner bei einem Infekt sind in der Regel die Hausärzte. Sie bekommen die derzeitige Situation unmittelbar zu spüren. „Die Hausarztpraxen sind seit Jahren stark gefordert. Aktuell ist das Patientenaufkommen jedoch noch einmal besonders hoch“, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt.

Sommer-Grippe: Erkältungswelle haut momentan viele um - Das sind die Gründe

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) berichtet von „etwas mehr Infekten als zur gleichen Zeit in den Jahren vor Corona“. Einen ähnlichen Eindruck hat man bei der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda): „Apotheken berichten über eine Zunahmen von Erkältungserkrankungen in der letzten Zeit“, schrieb ein Sprecher.

In der Region Fulda ist die Lage entspannter: „Ich würde nicht sagen, dass wir eine riesige Sommer-Grippewelle mit überdurchschnittlich vielen Patienten haben. Es sind etwas mehr als vorher, aber als gravierend würde ich es nicht bezeichnen“, sagt Ralph-Michael Hönscher, Vorsitzender des Gesundheitsnetz Osthessen.

Das Immunsystem sei durch die Coronaschutzmaßnahmen wie Maske tragen oder Hände desinfizieren nicht mehr „im Training“. „Wenn die Menschen wieder mehr Veranstaltungen besuchen oder zu privaten Feiern gehen, sind sie anfälliger für normale Infekte“, erklärt Hönscher. Vor allem Patienten mit Nasen-Nebenhöhlen-Entzündungen, Bronchitis oder Mandelentzündungen würden in die Praxen kommen.

„In den letzten Wochen hatten wir auch vermehrt Magen-Darm-Infekte, womöglich weil beim Grillen das ein oder andere Gericht zu lange in der Sonne stand.“ Wenn Menschen mit Erkältungssymptomen in die Arztpraxen kommen, würden sie gebeten werden, einen Corona-Selbsttest durchzuführen. „Leider stellen wir fest, dass viele Tests im Selbsttest erst einmal negativ sind, weil sie nicht richtig durchgeführt werden.“

„Wenn die Menschen wieder mehr Veranstaltungen besuchen, sind sie anfälliger“

Im Main-Kinzig-Kreis ist die Situation offenkundig angespannter: „Die Corona-Zahlen steigen momentan exorbitant hoch. Aber auch die Zahl an Erkältungen nimmt deutlich zu“, sagt Dr. Patricius Pilz, Facharzt für Innere Medizin in der Arztpraxis Lebensbaum in Sinntal. Ein möglicher Grund dafür könnte der Wegfall der Maskenpflicht sein. „Man trifft sich wieder ganz normal. In unserer Praxis gilt noch Maskenpflicht. Da sind die Menschen überrascht, weil sie oft ohne Maske vor der Tür stehen“, sagt Pilz.

Seitdem die Maske nicht mehr Pflicht ist, habe die Zahl der Erkältungen und die der Corona-Infektionen zugenommen. Auch Patienten mit Magen-Darm-Problemen treten in der Praxis Lebensbaum momentan häufig auf. Und das, obwohl momentan eigentlich gar keine Erkältungszeit ist. „Es ist auffällig, dass es in dieser Jahreszeit vermehrt solche Fälle gibt. Normalerweise ist das Frühjahr oder Herbst so“, hebt der 50-Jährige hervor, der von der Erkältungswelle überrascht ist. Angefangen habe es im Mai – mit dem Ende der Maskenpflicht.

Neben Corona und Magen-Darm gebe es einige, die über Hals- und Ohrenschmerzen sowie Husten und Fieber klagen. Influenza sei nicht dabei. Allerdings steige die Belastung in der Praxis noch weiter an. „Es gibt immer wieder Wellen. Es ist schwer zu schaffen“, sagt der Facharzt. (Lesen Sie hier: Vierte Corona-Impfung: Ja oder Nein? Das raten Stiko und Experten)

Diese Angaben lassen sich mit Daten untermauern: So ging das Robert Koch-Institut (RKI) zuletzt von 4,5 Millionen akuten respiratorischen Erkrankungen (ARE) in Deutschland binnen einer Woche aus (bezogen auf den Zeitraum 27. Juni bis 3. Juli). Das entspricht etwa einer Erkrankung auf 18,5 Einwohner. In den Vorjahren – sowohl während als auch vor der Corona-Pandemie – lagen die Werte deutlich darunter. Eine ARE liegt vor, wenn ein Patient eine Atemwegserkrankung mit Fieber, Husten oder Halsschmerzen hat.

Video: Erkältung und Grippe: Darum sind zurzeit so viele Menschen krank

Die Zahl der Arztbesuche wegen akuter Atemwegserkrankungen gibt das RKI mit 1,2 Millionen binnen einer Woche an. Bei den Erwachsenen gebe es bis zu drei Mal mehr solcher Arztbesuche als in den Jahren vor der Corona-Pandemie zu dieser Zeit. Dazu könnte neben vermehrten Ansteckungen aber auch beitragen, dass Menschen bereits bei einer milden Symptomatik zum Arzt gehen, weil sie durch die Pandemie sensibilisierter sind.

Den RKI-Angaben zufolge ist für die hohe Zahl an Erkrankungen bei Erwachsenen hauptsächlich das Coronavirus Sars-CoV-2 verantwortlich. Anders als 2020 und 2021 gibt es durch die ansteckendere Omikron-Variante derzeit eine Corona-Sommerwelle. Bei Kindern kursierten insbesondere Rhino- und Parainfluenzaviren. Auch Influenzaviren spielten weiterhin eine Rolle.

Es kämen Patientinnen und Patienten mit positivem Corona-Schnelltest und den typischen Symptomen wie Hals-, Glieder und Kopfschmerzen sowie Verlust des Geruchs- und Geschmacksinns in die Praxen, sagte Hausärzte-Verbandschef Weigeldt. „Glücklicherweise sind die Verläufe, insbesondere bei Geimpften, in aller Regel mild.“ Es gebe aber auch viele Patienten, die zwar klassische Erkältungssymptomen hätten, aber deren Corona-Test zunächst nicht anschlagen würden. Bei einem Teil sei der Test dann später positiv, andere hätten grippale Infekte. (dan, lwe, dpa)

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