Abwasser als Wärmequelle: RhönEnergie setzt auf innovatives Konzept für Löhertor-Quartier

Die RhönEnergie hat ein innovatives Energie-Konzept für das Löhertor-Quartier in Fulda umgesetzt. Dabei wird Energie aus Abwasser gewonnen und zur Wärme- und Kälteversorgung der Gebäude genutzt.
Fulda - Wie die RhönEnergie Fulda-Gruppe mitteilt, gilt die Maßnahme als Leuchtturm-Projekt für die sogenannte Dekarbonisierung des Wärmesektors. Durch die Einsparung von klimaschädlichem CO2 trage das Konzept zur Erreichung der Klimaziele Deutschlands bei.
Innovatives Konzept: RhönEnergie Fulda gewinnt Energie aus Abwasser
„Die Grundidee ist ganz einfach“, erklärt die RhönEnergie: „Häusliches und gewerbliches Abwasser enthält Wärme. Nutzt man diese zur Wärmeversorgung eines Gebäudekomplexes oder Wohnquartiers, verringert sich der Bedarf an anderen Energieträgern zur Wärmegewinnung.“ Ebenso könne die Kühlung eines Gebäudes mit Abwasser als „Wärmesenke“ realisiert werden.
Das weitgehend fertiggestellte Löhertor-Quartier umfasst die Zentrale der RhönEnergie Fulda, ein Hotel, den Neubau des Finanzamts sowie gerade entstehenden Wohngebäuden. Es habe nach Angaben des Unternehmens eine Nutzfläche von rund 30.000 Quadratmetern, auf der viele Hundert Menschen arbeiten und wohnen. „Entsprechend hoch ist hier der Bedarf an Strom und Energie zum Heizen und Kühlen“, so die RhönEnergie. Zur Deckung dieses Bedarfs habe die RhönEnergie Effizienz + Service GmbH (RES) eine zukunftsweisende Gesamtlösung entwickelt. Die Nutzung von Abwasser als Energiequelle sei dabei ein zentraler Baustein.
Zugute kam den Planern der RES, dass unter der Straße „Am Rosengarten“, direkt an einer Außenseite des Quartiers, eine aus Richtung Frankfurter Straße kommende große Abwasser-Rohrleitung des Abwasserverbands Fulda (AVF) verläuft. „In Abstimmung mit dem AVF darf diese Leitung angezapft, um die im Abwasser enthaltene Energie nutzbar zu machen“, heißt es.
RhönEnergie installiert große Schachtsiebanlage am Löhertor-Areal
Zu dem Zweck wurde im Sommer 2022 vor dem Gebäude des heutigen Finanzamts ein 6 Meter hoher und 2,5 Meter breiter Schacht in den Untergrund gebaut. Darin ist eine Schachtsiebanlage installiert, die das ankommende Abwasser grob filtert, bevor rund 100 Kubikmeter pro Stunde einem Wärmetauscher im Keller des Gebäudes zugeführt werden.
„Der Wärmetauscher entzieht dem, auch im Winter durchschnittlich acht bis 11 Grad warmen Abwasser, Energie und erwärmt damit eine Soleflüssigkeit“, erklärt die RhönEnergie. Deren Temperatur wird anschließend durch eine Wärmepumpe auf 48 bis 58 Grad angehoben und hat am Ende die für Heizzwecke nötige Vorlauftemperatur. Den für diesen Prozess benötigten Strom liefere eine Photvoltaikanlage auf dem Dach. Für den Notfall oder bei Revisionsarbeiten an der Abwasseranlage, bestehe über eine Wärmetrasse die Möglichkeit, Wärme aus den anderen Gebäuden zu der Energiezentrale Finanzamt umzuleiten.
In warmen Monaten, wenn das Abwasser etwa 16 bis 18 Grad aufweist, funktioniert das System auch anders herum. Dann lässt sich die gewonnene Energie zum Kühlen der Gebäude verwenden. Die Anlage könne mit bis zu 600 Kilowatt (kW) Leistung heizen und mit rund 400 kW Leistung kühlen. Mit dieser Leistung könnten laut RhönEnergie 90 bis 100 Einfamilienhäuser beheizt werden.
„Die im Dezember 2022 in Betrieb genommene Anlage hat sich bereits sehr bewährt, auch an den wenigen sehr kalten Tagen“, wird Ludwig Montag, Planer und Prokurist bei der RES, in der Mitteilung zitiert. „Ein entscheidender Vorteil für uns ist, dass uns unser Rohstoff Abwasser kontinuierlich in großer Menge zu Verfügung steht.“
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Auch der Strom für das Löhertor-Quartier werde unter Ausschöpfung aller technischen Möglichkeiten erzeugt: durch ein mit Bio-Methan betriebenes Blockheizkraftwerk sowie durch mehrere PV-Anlagen auf den Dächern der Gebäude. Das verwendete Bio-Methan werde im Wesentlich von der zur RhönEnergie Fulda-Gruppe gehörenden Biothan-Anlage auf dem Finkenberg aus biogenen Reststoffen erzeugt.
Nach vollständiger Fertigstellung ergebe sich für das Quartier Löhertor ein Primärenergie-Faktor von 0,00. Dieser Faktor drückt das Verhältnis von eingesetzter Energie zu gegebener Endenergie aus. „Das bedeutet: Sämtliche benötigte Energie zum Heizen und Kühlen wird CO2-neutral bereitgestellt und das über die gesamte Lieferkette“, erklärt die RhönEnergie. Dem Gebäudekomplex müsse also keine Energie aus fossilen Quellen zugeführt werden.
„Das Gesamtprojekt Energieversorgung Löhertor basiert auf einer vorausgegangenen Machbarkeitsstudie und war in der Umsetzung durchaus sehr herausfordernd“, resümiert Jörg Brandes, Anlagenplaner bei der RES. „Da ist nichts von der Stange und in vielen Details betreten wir Neuland. Doch wir haben die in der Region einmalige Anlage, mit der Unterstützung aller am Projekt beteiligten Firmen, erfolgreich zum Laufen gebracht.“
Für den Eigentümer und Entwickler des Löhertor-Areals, die Hamburger Unternehmensgruppe Prof. Dr. Greve, sei das realisierte Konzept ein weiteres Beispiel für die auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Strategie des langfristig agierenden Immobilien-Bestandshalters. Die Unternehmensgruppe realisiere schon seit Jahrzehnten energieeffiziente und nachhaltige Immobilienprojekte in ganz Deutschland. (lio)