Begonnen hatte alles in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Udos Großvater Otto hatte den Leuten in Lahrbach (Kreis Fulda) nebenher die Haare geschnitten. Die Lahrbacher waren mit ihm scheinbar zufrieden, denn es kamen immer mehr Leute zum Haareschneiden. Deshalb meldete er im Februar 1944 das Handwerk an. Seitdem war er offiziell Friseur. Ende der 1960er Jahre übernahm sein Sohn Reimer das Geschäft. Doch da er keinen Meistertitel hatte und krank wurde, löste ihn Sohn Udo 1974 ab und leitete den Salon seit 1976, als er Meister wurde.
Der 68-Jährige war im Friseurgeschäft groß geworden. Er sah schon als kleiner Bub, wie die Kunden ein und aus gingen oder warteten, bis sie an der Reihe waren. Dabei bekam er viele interessante Gespräche mit. „Das war alles sehr spannend“, erinnert er sich. Deshalb wollte er auch Friseur werden und begann 1968 seine Lehre in Hilders. 1976 machte er seinen Meister. (Lesen Sie hier: Der „Renner“ war die Currywurst - Marita Ritz schließt ihren „Grilltreff“)
Wenig später lernte er beim Tanz seine Frau Elisabeth kennen. Sie war kaufmännische Angestellte, doch auch sie fand den Beruf so interessant, dass sie nach einer Lehre Mitte der 1980er Jahre in den Friseursalon eingestiegen ist. Seitdem haben die beiden zusammengearbeitet. „Bis vor Kurzem haben wir jedes Jahr nur eine Woche Urlaub gemacht. Ansonsten war durchgängig offen“, erzählt Elisabeth Nüdling, die aus Dammersbach stammt.
Die beiden haben viele Trends miterlebt: Anfangs kamen die Einwohner sogar noch nach dem Gottesdienst zum Rasieren, erzählt Udo Nüdling. „Vor den Feiertagen war immer viel los. Da war der Salon voll. Die Frauen haben sich Dauerwelle machen lassen, damit sie gut aussehen“, berichtet die 64-Jährige. Sie kann sich noch an einen Heiligabend erinnern, als sie um 14 Uhr die letzte Kundin bedient hat.
Als die Zeit der langen Haare bei den jungen Männern war, so Mitte der 70er Jahre, machte sich dies auch im Salon Nüdling bemerkbar. Immer weniger junge männliche Kundschaft kam. Wenn doch, dann ließen sie sich die langen Haare nur waschen oder föhnen, erinnert sich der Friseurmeister. Bei den Frauen kam der Afro-Look auf, danach spielten Farbe und Strähnen eine große Rolle. „Wir waren regelmäßig auf den Messen, damit wir auf dem neuesten Stand waren“, sagt Elisabeth Nüdling.
Die beste Zeit war wohl von Mitte der 1980er bis Mitte der 1990er Jahre. „Da haben wir sogar vom Fremdenverkehr profitiert. Urlauber haben sich die Haare schneiden lassen. Aber auch die Wiedervereinigung brachte zusätzliche Kunden aus Thüringen, die den kurzen Weg nach Lahrbach gerne nahmen, um sich modern frisieren zu lassen“, erzählen die beiden. (Lesen Sie auch: Nach 88 Jahren ist Schluss: Hünfelds letzte Backstube macht dicht)
„Es hat Spaß gemacht, es war interessant, vor allem weil immer der Kundenkontakt vorhanden war. Wir haben viel mitbekommen“, sind sich die beiden einig. Die Gespräche gehören zum Friseurbesuch dazu. Da werden die Neuigkeiten ausgetauscht. „Aber wir haben nichts weitergegeben. Die Inhalte der Gespräche haben wir gewahrt wie ein Beichtgeheimnis“, sagt Udo Nüdling lächelnd. Den Friseuren oder Friseurinnen vertraut man. Deshalb sind die Nüdlings auch auf die vielen Stammkunden stolz. Einer kommt schon seit 75 Jahren. Er wird sich jetzt einen neuen Friseur suchen müssen. Denn sie haben keine Nachfolger. Das Haus wird verkauft. Das Ehepaar zieht nach Hünfeld.