Die Menschen, die den Tiergarten künftig besuchen, können also lernen, wie sie ganz ohne Tütenfutter eine Verbindung zu den Tieren aufbauen können.
Das ist ein wichtiger Punkt in dem Konzept, das Reith im Tiergarten umsetzen will. Unterstützt wird sie dabei von ehrenamtlichen Rangern, die sich im Tiergarten bereits vor der Öffnung für den Publikumsverkehr um die Tiere kümmern und sie kennenlernen. Wenn der Tiergarten dann zur Landesgartenschau seine Türen öffnet, werden die 50 Ranger, die einen Qualifizierungskurs durchlaufen, auf dem Gelände unterwegs sein und den Besuchern zeigen, wie sie richtig mit den Tieren umgehen. Zum Beispiel: nicht von oben oder von hinten auf die Tiere zugehen. „Wir Menschen mögen ja auch nicht, wenn uns plötzlich jemand auf den Po haut oder ins Gesicht fasst“, erklärt Reith. (Lesen Sie auch: „Wo die Kuh übers Gesicht leckt“ - hr zeigt Reportage über Heimattiergarten in Fulda)
Außerdem sollen die Besucher behutsam auf die Tiere zugehen und nur dann Kontakt zu ihnen aufnehmen, wenn sie es gestatten. „Wir wollen im Tiergarten eine Brücke zwischen Mensch und Tier bauen“, erklärt Reith, die weiß, dass sich Besucher attraktive alternative Angebote wünschen, wenn sie die Tiere nicht mehr füttern dürfen. „Während der Landesgartenschau werden unsere Ranger und Rangerinnen den Besuchern Wissenswertes und Interessantes über die Tiere erzählen und ihnen zeigen, wo die Tiere gern gestreichelt werden wollen, wenn sie an den Zaun kommen“, sagt Reith. Eselstute Schneeflocke hat es zum Beispiel gern, wenn man sie im Ohr krault, demonstriert die Tiergarten-Leiterin.
Für die 53-Jährige ist die Arbeit mit den Tieren nicht wirklich mit Arbeit im herkömmlichen Sinne gleichzusetzen. Ihr ist es wichtig, dass es den Vierbeinern an nichts fehlt – für sie ist es ganz klar, dass sie jedes der Tiere mit Namen ansprechen kann. Damit das auch die Besucher können, ist man im Tiergarten gerade damit beschäftigt, Steckbriefe zu erstellen, die an den Gehegen hängen und den Besuchern den Zugang zu Esel, Meerschweinchen, Rind und Co. erleichtern sollen. Für die Zeit nach der Landesgartenschau sind buchbare Begegnungsangebote mit Tieren geplant, die so konzipiert sind, dass sie Menschen und Tieren gleichermaßen Spaß machen.
Hier im Tiergarten ein neues Konzept zu etablieren, ist Reith wichtig, seitdem sie 2016 zum ersten Mal mit dem Tiergarten zu tun hatte. „Der Zustand war damals so, dass es so auf keinen Fall weitergehen konnte.“ Die Gehege auf den damals zwei Hektar waren zu klein, veraltet und für viele Tiere nicht mehr artgerecht.
Mit der Landesgartenschau 2023, die ab April in Fulda stattfindet, eröffneten sich für sie, das Team um sie herum und die kleinen und großen Tiere ganz neue Möglichkeiten. Der Tiergarten wuchs von zwei auf vier Hektar, und es standen nun finanzielle Mittel zur Verfügung, um zum Beispiel einen Paddock Trail zu bauen, auf dem Ponys und Esel quasi auf eine Wanderung gehen können. Mit dem Trail ist es möglich, Huftiere gesund und naturnah zu halten.
Dass die Tiere im Tiergarten außerdem glücklich und zufrieden sind, ist alles in allem das Ziel, das Reith mit ihrem Konzept verfolgt, das von den Mensch-Tier-Begegnungshöfen der Stiftung Bündnis Mensch und Tier übernommen wurde. Die Stiftung begleitet und unterstützt die Entwicklungen im Tiergarten seit 2018 beratend. „Das Konzept des Streichelzoos liegt hinter uns. Da lernen die Menschen nichts über Tiere, ihre Bedürfnisse und ihr Sozialverhalten“, sagt Reith. Stattdessen sollen die Tiere für die Besucher „erlebbar“ werden, die Menschen sollen erfahren, wie sie – auch ohne Futter – auf die Tiere zugehen können und wie die Begegnung für beide Seiten erfüllend wird.
Die Landesgartenschau ist ein Großereignis, das dem Tiergarten die Chance bietet, das neue Konzept einem großen Publikum vorzustellen. Viele Menschen bedeuten aber auch Stress für die Tiere. Um ihnen genügend Erholungszeit zu bieten und sie nicht zu überfordern, wird der Tiergarten auch während der Landesgartenschau bereits um 18 Uhr für den Besucherverkehr schließen. (Lesen Sie auch: Schlossgarten bleibt Baustelle: Park wird nicht pünktlich zur Landesgartenschau fertig)
Dass man Besuchern erklären muss, warum sie die Tiere nicht mehr füttern dürfen, ist Reith bewusst. „Von allein geht‘s nicht. Die meisten Besucher reagieren aber absolut verständnisvoll, wenn man mit ihnen ins Gespräch kommt“ so Reith. „Denn sie wollen den Tieren ja nicht schaden. Außerdem schätzen und genießen sie die ganz andere Begegnungsqualität, die entsteht, wenn kein Lockfutter im Spiel ist.“ Ein Zurück zur Futtertüte gebe es jedenfalls nicht, denn an erster Stelle stehen für die 53-Jährige die Tiere und deren Gesundheit.