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Kraftakt für die Landkreise: Umstellung von Hartz IV auf Bürgergeld muss in Rekordtempo erfolgen

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Von: Volker Nies

9250 Hartz-IV-Empfänger im Landkreis Fulda werden sich auf den Jahreswechsel freuen: Mit der Umstellung auf das Bürgergeld bekommen sie 11,5 Prozent mehr Geld. Für die Kreisverwaltungen in Fulda – und überall in Deutschland – sind die Änderungen allerdings kaum zu bewältigen.

Fulda - Die Mitarbeiter des Kreisjobcenters haben schon bisher alle Hände voll zu tun. Denn seit 1. Juni sind sie für die größte Gruppe an Geflüchteten zuständig, die Menschen aus der Ukraine. Vom Kreisjobcenter des Landkreises Fulda bekommen die Menschen aus der Ukraine Hartz IV. Unter den 5300 nichtdeutschen Hartz-IV-Empfängern stellen sie den Löwenanteil.

Fulda: Umstellung von Hartz IV auf Bürgergeld erfolgt im Rekordtempo

„Schon die sprachliche Verständigung ist mühsam. Selbst für einfache Fragen brauchen wir viel mehr Zeit als bei einem Gegenüber, der gut Deutsch spricht“, sagt Jürgen Stock, Fachbereichsleiter Arbeit und Soziales. Weil das Kreisjobcenter Übersetzer im Einsatz hat, kommen die Ukrainer auch mit anderen Anliegen, die mit dem Hartz-IV-Bezug nichts zu tun haben. Viel Arbeit machen den Mitarbeitern auch die steigenden Energiekosten, die zu höheren Zahlungen an die Empfänger führten.

Auf diese hohe, mit den steigenden Flüchtlingszahlen und höheren Abschlägen für Energie noch wachsende Grundbelastung der Mitarbeiter kommt jetzt eine Menge Arbeit obendrauf: Das Bürgergeld bedeutet für die Mitarbeiter des Kreisjobcenters vor allem eines: viel Arbeit. „Wir müssen uns jeden Fall einzeln ansehen. Denn es ändert sich ja nicht nur die Höhe der monatliche Zahlung – auf jetzt 502 Euro für einen Erwachsenen“, erklärt Stock. Das Kindergeld und der Unterhaltsvorschuss erhöhen sich, die Düsseldorfer Tabelle, die den Kindesunterhalt regelt, ändert sich – und viele, viele andere Regelungen auch.

Kreisjobcenter Fulda
Für das Kreisjobcenter des Landkreises bedeutet die Umstellung von Hartz-IV auf das Bürgergeld einen großen Aufwand. © Volker Nies

„Allein die Arbeitshilfe für die Mitarbeiter, die die nötigen Umstellungen erläutert, umfasst acht Seiten“, erklärt Stock. „Und dabei wussten wir Anfang Dezember noch gar nicht, welche Änderungen genau kommen.“ Das Kreisjobcenter ist nicht nur für 9250 (arbeitsfähige) Hartz-IV-Empfänger zuständig, sondern auch für 2950 Empfänger von Grundsicherung. Diese sind entweder voll erwerbsgemindert oder erhalten Rente. (Lesen Sie hier: „Ehrenamt ist tragende Säule unserer Gesellschaft“: Land Hessen ehrt Fuldaer für soziales Engagement)

Landrat Bernd Woide (CDU) blickt mit Unverständnis auf Bundestag und Bundesregierung: „Der Gesetzgeber hat kein Gefühl mehr, welchen Aufwand seine Änderungen in den Verwaltungen an der Basis produzieren. Binnen weniger Tage sollen wir Änderungen umsetzen, für die man sonst Monate braucht.“ Der Landrat fragt sich, wie andere Landkreise die Änderungen pünktlich umsetzen. „Wir im Landkreis Fulda bekommen das hin. Aber das ist ein Kraftakt für die 48 Mitarbeiter des Kreisjobcenters.“

Fachbereichsleiter Stock erklärt: „Ein Drittel der Fälle sind leicht umgestellt. Bei den anderen zwei Dritteln muss man sich einiges ansehen. Das dauert, wenn man schnell ist, pro Familie mindestens eine halbe Stunde.“ Um die volle Kraft in die Umstellung stecken zu können, gab es für die Mitarbeiter eine Urlaubssperre, und an zwei Tagen pro Woche ist das Kreisjobcenter telefonisch nicht zu erreichen. Stock: „Wir kriegen die Änderungen pünktlich hin. Aber das gelingt nur dank eines unglaublichen Engagements der Mitarbeiter.“

Kreisjobcenter Fulda: Über 9000 Hartz-IV-Empfänger im Landkreis

Vor einem bundesweiten Kollaps der Kreisjobcenter warnt der Sprecherrat des Bundesnetzwerks Jobcenter. In den vergangenen Jahren hätten die Jobcenter neben ihrer Kernaufgabe auch zur Bewältigung akuter Krisen wie des vermehrten Zuzugs von Flüchtlingen oder der Existenzsicherung während der Corona-Pandemie beigetragen, schreibt der Sprecherrat. Jetzt sei zu befürchten, dass die Center ihre Arbeit nicht mehr erledigen könnten.

Im Landratsamt in Fulda stört den Fachbereichsleiter und den Landrat der Ton, in dem die Ampel in Berlin die Diskussion um Hartz IV und Bürgergeld geführt hat. Woide: „Hartz IV wird schlechtgeredet. Bis 2005 hatten wir ein Parallelsystem aus Sozialhilfe bei den Landkreisen und Arbeitslosengeld bei den Arbeitsämtern. Durch die Zusammenführung wurden Fördern und Fordern verbunden. Der Staat gibt nicht nur Geld, sondern er hilft auch, zurück in den Arbeitsmarkt zu finden. Dass die Ampel dieses erfolgreiche System jetzt ändert, ist ein Misstrauensvotum gegen die Jobcenter.“

Jürgen Stock ergänzt: „Hartz IV ist eine Erfolgsgeschichte. Im Mai 2023 hatten wir so wenige Arbeitslose wie noch nie.“ Und noch etwas ärgert den Landrat: „Die Regierung redet viel über die Menschen, die Geld vom Staat erhalten. Wir sollten genauso intensiv auf die Menschen blicken, die arbeiten gehen und das System finanzieren.“

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