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Messerattacke im Schlossgarten: Angeklagter hatte wohl Drogen- und Alkoholprobleme

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Von: Sabrina Mehler

Cannabis
Der Angeklagte soll bereits als Jugendlicher mit dem Cannabis-Konsum begonnen haben. (Symbolbild) © Fabian Sommer/dpa

Was muss im Leben eines jungen Mannes passiert sein, um so verzweifelt und wütend zu sein, dass er auf einen früheren Freund einsticht und ihn in Lebensgefahr bringt? Die Spurensuche im Messerstecher-Prozess wurde am Mittwoch am Landgericht Fulda fortgesetzt.

Fulda - Der 19 Jahre alte Beschuldigte sitzt seit fast fünf Monaten in Untersuchungshaft. Er soll im September des vergangenen Jahres einen 18-Jährigen im Schlossgarten Fulda erst in die Schulter und dann in den Rücken gestochen haben. Angeklagt ist er wegen versuchten Totschlags. Schon am ersten Verhandlungstag hatte der Fuldaer umfangreich ausgesagt und die Tat gestanden – aber beteuert, er habe seinen früheren Freund, mit dem er offenbar wegen einer Ex-Freundin einen Streit hatte, nur verletzen und nicht töten wollen.

Auch während des heutigen Prozesstags gab er einen ausführlichen Einblick in sein Leben – und berichtete von Drogenkonsum und Alkoholabhängigkeit. Demnach führten wohl mehrere Faktoren dazu, dass der Angeklagte, der im Alter von 15 Jahren zum ersten Mal Cannabis konsumierte, auf die Drogenlaufbahn geriet: In der Schule, einem für ihn „schrecklichen Ort“, lief es nicht gut, von Lehrern habe er sich oft „bloßgestellt“ gefühlt.

Fulda: Messerattacke im Schlossgarten - Psychiater trägt Gutachten vor

Die Folge: Statt dem Unterricht zu folgen, hielt er sich immer öfter im Schlossgarten auf. Mit 17 fand er einen neuen Freundeskreis; der Konsum von Cannabis und anderer Drogen war seitdem an der Tagesordnung.

Die Schule habe er alsbald abgebrochen: „Ich habe dem Druck nicht mehr standgehalten.“ Trotzdem bemühte er sich um ein geordnetes Leben, er begann nämlich ein Freies Soziales Jahr. Das machte ihm Spaß, aber dann begann auch schon die Corona-Pandemie. Obendrein verlor er wegen der Kifferei den Führerschein. Hinzu kamen familiäre Probleme, das Ende der Beziehung mit seiner Freundin und „Stress“ mit seinem Kumpel, dem späteren Opfer.

Allerdings waren ihm seine Drogen- und insbesondere Alkoholabhängigkeit bewusst: Eine Woche vor der Tat wurde der 19-Jährige im Klinikum Fulda vorstellig, um einen Entzug zu beginnen. Doch dort sei er abgewiesen worden, berichtete er: „Da war ich noch mehr frustriert, und dann kam’s zur Tat.“ (Lesen Sie hier: Messerattacke im Schlossgarten: Zeugen geben Einblicke in Persönlichkeit des Angeklagten (19))

Vor Gericht wurde gestern außerdem eine Ärztin per Skype-Konferenz von Richter Joachim Becker befragt. Sie hatte den Angeklagten damals behandelt und im Klinikum aufgenommen, da er nach der Bluttat versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Er sei angespannt, emotional instabil, teilweise verbal aggressiv gewesen, habe zwischendurch geweint. Zudem habe er Bedauern geäußert, die Tat begangen zu haben, erzählte sie.

Psychiater wertet Tat in Fulda als „spontanen Entschluss“

Nach einer Aussage eines Vertreters der Jugendgerichtshilfe, der von der guten Führung des Angeklagten in der JVA Wiesbaden berichtete und die Anwendung des Jugendstrafrechts für den Heranwachsenden empfahl, trug Dr. Helge Laubinger, Psychiater aus Kassel, sein psychologisches Gutachten vor. Auch er ging auf den Drogenkonsum des Mannes ein: Zum Tatzeitpunkt sei er alkoholabhängig, aber nicht verwahrlost, sondern noch in „geordnete Strukturen“ eingebunden gewesen. Als er an jenem Septembertag seinen früheren Freund im Schlossgarten gesehen habe, „wurde bei ihm ein Schalter umgelegt“.

Er habe vermutlich trotz eines Alkoholwerts von 2,3 Promille nur einen „leichten Rausch“ gehabt. Die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten in die Tat sei nicht und seine Steuerungsfähigkeit höchstens minimal eingeschränkt gewesen. Laubinger gab für den 19-Jährigen zudem eine positive Sozialprognose ab: Schon vor der Tat habe er sich um eine Behandlung bemüht, und auch in der JVA habe er an einer Drogenberatung teilgenommen. Dass er auf seinen Freund eingestochen hat, wertete Laubinger als einen „spontanen Entschluss“.

Am Mittwoch, 23. Februar, um 10 Uhr werden Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung ihre Plädoyers halten.

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