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Rekordbelastung in der Notaufnahme: Nie zuvor so viele Patienten im Klinikum Fulda

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Von: Volker Nies

Eine Notfallsanitäterin schiebt ein Krankenbett in ein Krankenhaus.
Im Mai gab es in der Notaufnahme des Klinikums Fulda so viele Patienten wie noch nie zuvor in einem Monat. (Symbolbild) © Boris Roessler/dpa

Immer mehr Menschen nutzen die Notaufnahme des Klinikums. Die Abteilung hat im Mai so viele Patienten behandelt wie noch nie zuvor in einem Monat. Klinikum-Chef Dr. Thomas Menzel (59) sieht die Zahlen mit Sorge – auch deshalb, weil es nicht die Zahl schwerer Fälle ist, die steigt.

Fulda - Ein Fall vor ein paar Wochen macht die Not der Notaufnahme deutlich: Nachts um drei kam ein junger Mann mit Schmerzen im Fuß. Die Ursache: Ein Fußnagel war eingewachsen. „Das war kaum ein Fall für die Notaufnahme“, sagt Menzel. Am Ende beschwerte sich der Patient, weil er so lange auf den Arzt warten musste. Behandelt wird aber erst der Fall, in dem es auf jede Minute ankommt.

Es sind die leichten Fälle, die die Behandlungszahlen im Klinikum Fulda explodieren lassen. Seit 2013 wächst die Zahl. Die Corona-Pandemie brachte der Notaufnahme eine Atempause, doch seit Monaten wachsen die Zahlen wieder – deutlich höher als vor der Pandemie. Schon der März und der April brachten Patientenzahlen, die so hoch waren wie noch nie im Frühjahr. Im Mai folgte die höchste monatliche Patientenzahl seit Bestehen der Notaufnahme – 4339.

Fulda: Rekordbelastung in der Notaufnahme - Nie zuvor so viele Patienten

„Davon waren zwölf Prozent echte Notfälle, die zwingend und schnell in einem Krankenhaus behandelt werden mussten“, sagt Notfall-Manager Dittmar Happel (60). Er leitet die ZNA (Zentrale Notaufnahme) mit der ärztlichen Leiterin Sabrina Sauthoff (42). Rechnet man die Zahlen der bisherigen Monate hoch, schießen die Behandlungzahlen für 2022 durch die Decke.

Der Dienstag vergangener Woche brachte einen weiteren Rekord. „Wir haben 75 Patienten zeitgleich behandelt. Das gab es nie zuvor“, sagt Happel. Die 60 ZNA-Mitarbeiter, darunter zehn Ärztinnen und Ärzte, bewältigten den Ansturm, weil sie von Medizinern aus den Fachkliniken unterstützt wurden. (Lesen Sie hier: Corona hat Krankenhäuser und Pflegeheime weiter im Griff: Diese Regeln gelten im Gesundheitsbereich)

Früher kamen montags besonders viele Patienten. Der Ansturm hat sich mittlerweile auf alle Wochentage verteilt. Auch am Wochenende liegen die Zahlen kaum niedriger. Jeder dritte Patient wird von der Notaufnahme zur stationären Behandlungen auf eine Station verlegt. Der Anteil sinkt, weil die Krankenkassen die Kriterien für stationäre Aufnahmen verschärft haben.

Wie kommt es zu dem Anstieg? „Von Patienten hören wir mehrere Erklärungen“, berichtet Menzel. „Sie haben keinen Hausarzt, und beim Facharzt bekommen sie keinen Termin – oder erst in einigen Monaten. Zugleich bekommen die Patienten bei uns Diagnosen und Behandlungen auf höchstem Niveau, die sie woanders kaum bekämen“, sagt Menzel. Zudem sei es einfach, die Leistungen der Notaufnahme zu nutzen.

Hinzu komme, dass Menschen durch eigene Internetrecherchen sensibler geworden seien und schneller als früher einen Arzt aufsuchten. Ein weiterer Faktor sei, dass es für manche Migranten normal sei, im Fall medizinischer Probleme Hilfe erst einmal in einem Krankenhaus zu suchen, sagt Menzel. Kaum Auswirkungen hatte es hingegen, dass die Bereitschaftsdienstzentrale der niedergelassenen Ärzte im Klinikum-Komplex seit Oktober 2021 von Montag bis Donnerstags nachts geschlossen ist.

Wartezeit in der Notaufnahme im Schnitt vier Stunden

„Vier Minuten beträgt die Wartezeit“, sagt Notaufnahme-Manager Happel. Was er meint: Vier Minuten dauert es, bis ein Koordinator den Patienten gesehen und die weitere Diagnose oder Behandlung festgelegt hat. „Das ist sensationell gut“, lobt Menzel.

Patienten sehen hingegen nicht die Zeit bis zur ersten Einschätzung als Wartezeit, sondern die Zeit, die sie bis zur Diagnose oder Behandlung warten müssen. Diese Zeit liegt bei etwas über vier Stunden. „Die Zeit ist stabil geblieben, ob die Zahl der Patienten stark wächst“, erklärt Happel.

An einer schlechten Organisation der Abläufe liegen die Wartezeiten jedenfalls nicht. Das Klinikum war 2005 eines der ersten Krankenhäuser in Deutschland, das die Behandlung nach Dringlichkeit einführte. Die Organisation wurde ständig verbessert. Sie gilt heute als so gut, dass sich regelmäßig Delegationen deutscher Unikliniken ansehen, wie Fulda die Notaufnahme organisiert.

Vor der Corona-Pandemie waren bundesweit die Notfallambulanzen fast aller großen Kliniken überlaufen. Ob das jetzt wieder so ist, kann nur vermutet werden. Doch auch in der Notaufnahme des Herz-Jesu-Krankenhauses (HJK) in Fulda wachsen die Patientenzahlen deutlich an. „Der Patientenzustrom hat in unserer Notaufnahme stark zugenommen. Rund 2000 Patienten sind allein im Mai 2022 hier behandelt worden“, berichtet HJK-Sprecherin Viktoria Schmitt.

Video: Zwischen Leben und Tod - eine Nacht in der Notaufnahme

Das Klinikum arbeitet seit Jahren an Lösungen, um der steigenden Patientenzahlen Herr zu werden. Ein Instrument ist die noch engere Kooperation mit Haus- und Facharztpraxen. Das Klinikum arbeitet mit 15 niedergelassenen Partner-Praxen zusammen, denen die Notaufnahme Kranke zuweisen kann.

„Patienten sind aber selten glücklich, wenn sie aus der Notaufnahme überwiesen werden“, berichtet Menzel. „Wir wollen niemanden wegschicken. Aber ein Patient, der nicht zwingend eine Krankenhaus-Behandlung braucht, bindet Kapazitäten, die wir für die schweren Fälle brauchen.“ (Lesen Sie auch: Fuldaer DRK im Fernsehen: Neue RTL 2-Serie „Nachtschicht: Einsatz für die Lebensretter“)

Um die Notaufnahme zu entlasten, wünscht sich der Klinikum-Chef die Schaffung integrierter Notfallzentren, in denen niedergelassene Ärzte und Klinik-Mediziner eintreffende Patienten gemeinsam begutachten und dann entscheiden, wer ein Fall fürs Krankenhaus ist – und wer nicht. Menzel warnt: „Die Frage ist sehr komplex. Klar ist: Wir brauchen eine Reform der Notfallversorgung. So wie jetzt kann es jedenfalls nicht weitergehen.“

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