Wie kommt es zu dem Anstieg? „Von Patienten hören wir mehrere Erklärungen“, berichtet Menzel. „Sie haben keinen Hausarzt, und beim Facharzt bekommen sie keinen Termin – oder erst in einigen Monaten. Zugleich bekommen die Patienten bei uns Diagnosen und Behandlungen auf höchstem Niveau, die sie woanders kaum bekämen“, sagt Menzel. Zudem sei es einfach, die Leistungen der Notaufnahme zu nutzen.
Hinzu komme, dass Menschen durch eigene Internetrecherchen sensibler geworden seien und schneller als früher einen Arzt aufsuchten. Ein weiterer Faktor sei, dass es für manche Migranten normal sei, im Fall medizinischer Probleme Hilfe erst einmal in einem Krankenhaus zu suchen, sagt Menzel. Kaum Auswirkungen hatte es hingegen, dass die Bereitschaftsdienstzentrale der niedergelassenen Ärzte im Klinikum-Komplex seit Oktober 2021 von Montag bis Donnerstags nachts geschlossen ist.
„Vier Minuten beträgt die Wartezeit“, sagt Notaufnahme-Manager Happel. Was er meint: Vier Minuten dauert es, bis ein Koordinator den Patienten gesehen und die weitere Diagnose oder Behandlung festgelegt hat. „Das ist sensationell gut“, lobt Menzel.
Patienten sehen hingegen nicht die Zeit bis zur ersten Einschätzung als Wartezeit, sondern die Zeit, die sie bis zur Diagnose oder Behandlung warten müssen. Diese Zeit liegt bei etwas über vier Stunden. „Die Zeit ist stabil geblieben, ob die Zahl der Patienten stark wächst“, erklärt Happel.
An einer schlechten Organisation der Abläufe liegen die Wartezeiten jedenfalls nicht. Das Klinikum war 2005 eines der ersten Krankenhäuser in Deutschland, das die Behandlung nach Dringlichkeit einführte. Die Organisation wurde ständig verbessert. Sie gilt heute als so gut, dass sich regelmäßig Delegationen deutscher Unikliniken ansehen, wie Fulda die Notaufnahme organisiert.
Vor der Corona-Pandemie waren bundesweit die Notfallambulanzen fast aller großen Kliniken überlaufen. Ob das jetzt wieder so ist, kann nur vermutet werden. Doch auch in der Notaufnahme des Herz-Jesu-Krankenhauses (HJK) in Fulda wachsen die Patientenzahlen deutlich an. „Der Patientenzustrom hat in unserer Notaufnahme stark zugenommen. Rund 2000 Patienten sind allein im Mai 2022 hier behandelt worden“, berichtet HJK-Sprecherin Viktoria Schmitt.
Das Klinikum arbeitet seit Jahren an Lösungen, um der steigenden Patientenzahlen Herr zu werden. Ein Instrument ist die noch engere Kooperation mit Haus- und Facharztpraxen. Das Klinikum arbeitet mit 15 niedergelassenen Partner-Praxen zusammen, denen die Notaufnahme Kranke zuweisen kann.
„Patienten sind aber selten glücklich, wenn sie aus der Notaufnahme überwiesen werden“, berichtet Menzel. „Wir wollen niemanden wegschicken. Aber ein Patient, der nicht zwingend eine Krankenhaus-Behandlung braucht, bindet Kapazitäten, die wir für die schweren Fälle brauchen.“ (Lesen Sie auch: Fuldaer DRK im Fernsehen: Neue RTL 2-Serie „Nachtschicht: Einsatz für die Lebensretter“)
Um die Notaufnahme zu entlasten, wünscht sich der Klinikum-Chef die Schaffung integrierter Notfallzentren, in denen niedergelassene Ärzte und Klinik-Mediziner eintreffende Patienten gemeinsam begutachten und dann entscheiden, wer ein Fall fürs Krankenhaus ist – und wer nicht. Menzel warnt: „Die Frage ist sehr komplex. Klar ist: Wir brauchen eine Reform der Notfallversorgung. So wie jetzt kann es jedenfalls nicht weitergehen.“