Betreuung für ukrainische Flüchtlingskinder: Welches Problem sich aus dem Gute-Kita-Gesetz ergibt

Fast 2000 Ukraine-Flüchtlinge sind bereits im Landkreis Fulda angekommen. Darunter sind auch 250 Jungen und Mädchen im Alter bis sechs Jahre. Doch vielerorts sind die Kitas bereits voll – und es gibt ein Problem mit dem Gute-Kita-Gesetz.
Fulda - Wie sollen die Kommunen die Kinder aus der Ukraine betreuen? Brigitte Kram, CDU-Bürgermeisterin in Ebersburg (Landkreis Fulda), vermisst eine klare Ansage des Landes. In der Gemeindevertretersitzung machte sie ihrem Ärger Luft: „Wenn Bund und Land keine Entscheidung treffen, können wir keine ukrainischen Kinder aufnehmen.“
„Oder wir müssen Ebersburger Kinder heimschicken.“ Hintergrund sind nicht unbedingt fehlende Räumlichkeiten. „Notfalls eröffnen wir Not-Gruppen in den Bürgerhäusern“, sagt die Bürgermeisterin. „Das entspricht nicht dem Standard einer Kita, ist aber besser als nichts.“ Sie sieht das größere Problem in dem Betreuungsschlüssel, den das Gute-Kita-Gesetz vorgibt.
Fulda: Betreuung für ukrainische Flüchtlingskinder - Problem mit Gute-Kita-Gesetz
Erzieherinnen und Erzieher sind Mangelware. In Ebersburg ist die Lage angespannt, weil laut Kram im Winter vier Erzieherinnen der Gemeinde den Rücken gekehrt haben: drei sind in andere Kommunen abgewandert, und eine Person hat den Beruf aufgegeben. „Wir können uns das Personal nicht schnitzen. Wie sollen wir das vor Ort lösen? Bund und Land müssen da jetzt in die Gänge kommen.“
Auch Heiko Stolz, Vorsitzender der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Landkreis Fulda und Rathauschef in Neuhof, sieht da ein Problem auf die Gemeinden und Städte zukommen. Bislang gebe es – so habe er es von seinen Bürgermeisterkollegen gehört – vereinzelte Nachfragen von ukrainischen Eltern, die ihre Kinder in einer Kita betreut wissen möchten. Neuhof habe bislang zwei Anfragen.
„Wir müssen schauen, dass wir maximal pragmatisch damit umgehen können“, sagt er. Denn wenn die Kita-Betreuung der ukrainischen Flüchtlingskinder zu Lasten der Betreuung der Kinder der eigenen Kommune gehe, könne sich das negativ auf die Akzeptanz der Flüchtlinge auswirken (lesen Sie auch hier: Weitere Warnstreiks in Kitas in Hessen - Nach Fulda nun Main-Kinzig-Kreis betroffen).
„Wir müssen beides gebacken kriegen – wir müssen die Kinder der eigenen Gemeinde aufnehmen und die ukrainischen Flüchtlingskinder.“ Das gehe allerdings nur – auch weil Kita-Personal nicht verfügbar sei – indem mehr Kinder pro Erzieher zugelassen würden und größere Gruppen gebildet werden könnten.
„Besondere Zeiten bedürfen besonderer Maßnahmen“, sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Markus Meysner. „Die vielen Flüchtlinge aus der Ukraine, insbesondere Frauen mit kleinen Kindern, bedürfen unserer besonderen Fürsorge. Das Land Hessen hat, ähnlich wie in der Corona-Zeit, Sonderregelungen abgesprochen.“
Angedacht sei in Absprache mit dem Jugendamt, zwei Kinder zusätzlich in eine Gruppe mit aufzunehmen. „Darüber hinaus sollen Personen ohne spezifische Ausbildung zur Mitarbeit in den Gruppen hinzugezogen werden können“, erklärte Meysner. „Dies soll vorerst für sechs Monate möglich sein. Wichtig ist, dass es bei allen Maßnahmen die Zustimmung des zuständigen Jugendamtes bedarf.“
Ukraine-Flüchtlinge: Das Land Hessen äußert sich zurückhaltend zur Kita-Frage
Das Land jedoch äußerte sich auf Nachfrage der Fuldaer Zeitung sehr zurückhaltend. „Der personelle Mindestbedarf pro betreutem Kind sowie die zur Anerkennung als Fachkraft erforderlichen Qualifikationen sind gesetzlich geregelt“, stellt das Sozialministerium klar und mahnt an, dass die Einhaltung dieser Regelungen die Voraussetzung für die Betriebserlaubnis sind. „So soll sichergestellt werden, dass das Wohl der Kinder in der Kindertageseinrichtung gewährleistet ist.“
Eine Option jedoch gibt das Ministerium den Kommunen an die Hand – und spielt gleichzeitig den Jugendämtern vor Ort den Ball zu: „Die örtlich zuständigen Jugendämter können im Einzelfall zeitlich begrenzt Abweichungen vom personellen Mindeststandard in den Kitas zulassen.“ Heißt konkret: Die Jugendämter beim Kreis Fulda und bei der Stadt Fulda können über Ausnahmeregelungen entscheiden. Das Ministerium rät, damit „sehr behutsam umzugehen“.
Die Stadt Fulda rechnet je nach Kriegsverlauf frühestens ab Ende Mai/Anfang Juni verstärkt mit der Nachfrage nach Kinderbetreuungsplätzen, erklärt Magistratspressesprecher Johannes Heller. Dennoch bereite man sich mit den Trägern von Kitas in Fulda bereits darauf vor (lesen Sie auch hier: Beste Kita in Deutschland um U3-Bereich erweitert - Landrat Stolz zeigt Anerkennung mit 10.000 Euro).
Der Sprecher betont, dass das Personal in den Kitas aktuell ohnehin aufgrund von Corona-bedingten Ausfällen ausgedünnt und die Situation durch den bestehenden Fachkraftmangel belastet sei. Aktuell gebe es kaum freie Plätze in den Kitas. „Die wohl leichteste Möglichkeit ist, die Gruppen um bis zu zwei Kinder aufzustocken“, sagt Heller.
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Weitere Optionen seien sogenanntes „Platzsharing“ oder Halbtagsgruppen: „Das heißt, die vorhandenen Plätze werden von mehreren Kindern zeitversetzt genutzt.“ Zudem könnten Mehrzweckräume zu Gruppenräumen umfunktioniert werden. Außerdem, so Heller, sei auf Landesebene angeregt worden, bei der Aufnahme von Kindern mit Behinderungen die Pflicht zur Platzreduzierung vorübergehend auszusetzen. Eine Entscheidung des Landes hierzu stehe noch aus.
Auch Hünfeld beschäftigt sich indes mit dem Thema. Die Stadt befinde sich im ständigen Austausch mit den Einrichtungen, obwohl sie nicht die Trägerin von Kindergärten ist, wie Pressesprecher Helmut Käsmann betont. Die Betreuung der Kinder könne – abgesehen von der Corona-Problematik – gegenwärtig sichergestellt werden. Die Situation werde sehr intensiv beobachtet, um bei weiter steigendem Bedarf sehr schnell ein ergänzende Betreuungsangebote schaffen zu können.