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Debatte um Jogginghosen-Verbot: So stehen die Schulen in Osthessen zum „Schlabberlook“

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Von: Max Wenisch, Marah Naumann, Hanns-Georg Szczepanek, Anne Burkard, Tim Bachmann

Jogginghosen werden seit einiger Zeit auch im Alltag getragen. Eine Schule in Wermelskirchen in Nordrhein-Westfalen (NRW) hat nun ein Jogginghosen-Verbot ausgesprochen. Ziehen die Schulen in Osthessen nach oder spielt das Thema eher eine untergeordnete Rolle?

Osthessen - Die Schulen im Kreis Fulda sind sich beim Thema Jogginghosen weitgehend einig: Kein Verbot, kein Nachhauseschicken und kein Umziehen, dafür aber ein Dialog mit den Schülerinnen und Schülern, um ein Bewusstsein für angemessene Kleidung zu schaffen. Außerdem gebe es einen Unterschied zwischen schickeren Jogginghosen und Hosen im Schlafanzug-Stil.

Jogginghosen-Verbot: So stehen Schulen in Fulda zum „Schlabberlook“

Für Michael Krönung, Schulleiter der Geschwister-Scholl-Schule (Grund- und Hauptschule) in Fulda, gibt es Wichtigeres: „Wenn sich die Schüler wohlfühlen und Leistung bringen, ist es mir egal, was sie tragen.“ An der Fuldaer Rabanus-Maurus-Schule wird das Tragen von Jogginghosen auch nicht als Problem wahrgenommen. Schulleiter Sven Müller erklärt: „Meist hat es einen Grund. Gerade bei unserer Schule mit sportlichem Schwerpunkt kommt das schonmal häufiger vor.“ Wichtig sei eine gemeinsame Haltung von Schülern und Lehrern. „Auch, wenn man keine Jogginghose trägt, kann man sich respektlos gegenüber anderen verhalten“, stellt Müller klar.

Am Marianum in Fulda (Realschule und gymnasiale Oberstufe) ist das Thema Kleiderordnung immer wieder in Schulgremien im Gespräch. „Sich angemessen zu kleiden, ist selbstverständlich. Kleidung ist immer auch ein Statement“, macht Schulleiter Steffen Flicker deutlich. „Ein wertschätzender Umgang ist Teil unseres Schulprogramms. Das schaffen wir vor allem durch Gespräche untereinander, um ein Bewusstsein zu schaffen“, erklärt der Schulleiter.

Ein anderes Argument bringt Karin Schneider, Schulleiterin der Neuhofer Johannes-Kepler-Schule (Gesamtschule), ins Spiel: „Man muss auch berücksichtigen: Manchen Schülern fehlt das Geld. Wenn die dreckige Jeans in der Wäsche ist, muss man eben die saubere Jogginghose tragen.“ Auch sie setzt auf Gespräche mit den Schülern, sagt aber mit einem Augenzwinkern: „Gegen die Mode kommt man schlecht an.“

Statement von Modedesignerin

Sylvia Franc-Kotsch, Maßschneidermeisterin, Modedesignerin und Inhaberin von Mode Atelier Franc, ist kein Fan der Schlabberhosen im Alltag: „Jogginghosen gehören in die Freizeit, nicht in Schulen.“ Jeder sollte tragen, was er oder sie möchte, Franc-Kotsch lege allerdings auf „ordentliche und saubere“ Kleidung wert. „Viele, auch hochpreisige, Designer greifen den Jogginghosen-Trend auf. Sie suchen immer wieder etwas neues. Das Rad kann man nicht neu erfinden.“

Eine mögliche Lösung könnte laut der Modedesignerin eine Schuluniform sein. „In England kennen die Schüler das nicht anders. In Deutschland wird es schwierig sein, vorhandene Strukturen zu durchbrechen.“

An der Jahnschule in Hünfeld (Haupt- und Realschule) gibt es keine feste Kleiderordnung: „Schüler tragen seit ein paar Jahren schon mehr Jogginghosen. Wir haben es aber noch nicht als Problem definiert und sehen keinen Grund, einzuschreiten“, erklärt der Schulleiter Hubertus Reith. „In ihrer Freizeit tragen viele Jogginghosen. Vielleicht schwappt das langsam auf die Schulen über.“

Thorsten Retzlaff, Schulleiter der Heinrich-von-Bibra-Schule in Fulda (Realschule), merkt an: „Das ist, als ob man eine Lawine aufhalten will.“ Ab und zu reißt er auch einen Witz: „Manchmal frage ich die Schüler auch, ob sie gerade vom Sport kommen.“ Trotzdem weise die Schule ab der achten Klasse in Vorbereitung auf den Berufseinsteig langsam darauf hin, wie wichtig angemessene Kleidung ist.

Jogginghosen auch an Schulen im Kinzigtal kein großes Thema

Und wie sieht die Lage im Kinzigtal aus? Auch wenn er Schulleitungen, die auf eine Kleiderordnung zu achten hätten, verstehe, gibt es eine solche an der Kinzig-Schule in Schlüchtern nicht. Auch nicht im Hinblick auf freizügigere Kleidung im Sommer, erläutert Schulleiter Karsten Günder auf Anfrage. Er würde sich zwar wünschen, dass wieder mehr auf ein ordentliches Erscheinungsbild Wert gelegt würde, allerdings betreue seine Schule als „Schule der Sekundarstufe II junge Erwachsene, die alt genug sind, das für sich selbst zu entscheiden“.

Ein „Jogginghosen-Verbot“ wie in Wermelskirchen gibt es an der Hans-Elm-Schule in Altengronau nicht, wohl aber „eine ausgeprägte Vorliebe für Jogginghosen. Das führt gelegentlich zu Diskussionen bei Eltern und Lehrkräften“, berichtet Schulleiter Tim Kubalek. Sicher wünschten sich alle Lehrkräfte und Eltern eine angemessene Kleidung bei den Schülern, allerdings „sind wir uns wohl bewusst, wo die Grenzen einer Schulordnung liegen“. Anderweitige Verbote oder Richtlinien für die Kleidung der Schülerinnen und Schüler gebe es in Altengronau nicht.

Ich sehe eine Schule nochmal etwas anders als zum Beispiel eine Bank, in der es ja schon eine Art Uniform gibt.

Guido Seib, Leiter der Brüder-Grimm-Schule in Steinau

Gleiches gilt für die Brüder-Grimm-Schule in Steinau. Schulleiter Guido Seib unterstreicht auf Nachfrage unserer Zeitung zu einem Jogginghosen-Verbot: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein solches Verbot rechtssicher ist. Es gibt ja schließlich keine Schuluniform.“ Ohnedies gebe es in Sachen Kleidung an der Steinauer Schule kaum Diskussionsbedarf, sagt Seib.

Nur im Sommer kämen hin und wieder Debatten auf. Anlass sei dann meist eine recht freizügige Kleiderwahl mancher Schülerinnen: „Auf der einen Seite steht der Ausdruck von Individualität der Schülerinnen und Schüler, auf der anderen Seite aber natürlich die Angemessenheit von Kleidung“, führt Seib aus. Der Schulleiter stellt jedoch fest: „Ich sehe eine Schule nochmal etwas anders als zum Beispiel eine Bank, in der es ja schon eine Art Uniform gibt.“

Lange galt sie als Mode-Sünde, doch bereits vor der Corona-Pandemie wurde die Jogginghose immer mehr zur Alltagskleidung.
Lange galt sie als Mode-Sünde, doch bereits vor der Corona-Pandemie wurde die Jogginghose immer mehr zur Alltagskleidung. © Jan-Philipp Strobel/dpa

Der stellvertretende Schulleiter des Ulrich-von-Hutten-Gymnasiums in Schlüchtern, Andreas Schneider, kann die Debatte zwar nachvollziehen, sieht an seiner Schule aber keine Probleme: „Komischerweise sehen wir immer mal wieder Schüler in Jogginghosen, wenn das schriftliche Abitur ansteht. Klar ist das bequem, vor allem wenn man sechs Stunden sitzen muss“, aber gern gesehen wird der Schlabberlook am Hutten-Gymnasium nicht. Darauf dürften die Lehrer ihre Schüler auch ansprechen, meint Schneider. Zu große Freizügigkeit in der Kleiderwahl sei im normalen Schulalltag bislang kein großes Thema gewesen. So würden die Lehrkräfte ihre Schüler zu Schuljahresbeginn mit Blick auf den Sportunterricht darauf hinweisen, bei der Wahl der Sportkleidung „eine gewisse Etikette“ zu wahren.

Kniffliger sei die Situation vor gut zehn Jahren gewesen, als einige Schüler Oberbekleidung einer Marke getragen hätten, die häufiger im rechten Milieu vorkommt, berichtet Schneider. Unter einer hierzu offen getragenen Bomberjacke war dann ein Schriftzug zu lesen, der – wohl nicht zufällig – an die Abkürzung von Adolf Hitlers faschistischer Partei NSDAP erinnerte.

Eine Debatte um Kleiderordnung wurde kürzlich auch durch ein „Oben Ohne“-Gesetz für Berliner Schwimmbäder entfacht. Auch zu diesem Thema hatten wir Meinungen eingeholt.

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