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Eine Region im Ausnahmezustand: Als das Olympische Feuer nach Osthessen kam

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Von: Rainer Ickler

Hammerwerfer Manfred Weinkath aus Flieden bringt die Flamme unter dem tosenden Applaus Tausender in den Fuldaer Schlosspark.
„Es war eine Ehre.“ Hammerwerfer Manfred Weinkath aus Flieden bringt die Flamme unter dem tosenden Applaus Tausender in den Fuldaer Schlosspark. © Hubert Weber

Heute vor 50 Jahren begannen die Olympischen Spiele in München. Kurz vor der offiziellen Eröffnung wurde das Olympische Feuer von gut einem Dutzend Fackelläuferinnen und -läufern sowie einem Reiter durch den Landkreis Fulda getragen.

Fulda - Tausende säumten die Straßen von Motten bis nach Burghaun, um bei diesem besonderen Ereignis dabei zu sein. Der damalige Vorsitzende des Sportkreises Hünfeld, Heinrich Schnabel, sprach von „einem einmaligen Erlebnis in diesem Jahrhundert“. Denn es waren die ersten Olympischen Spiele nach dem Zweiten Weltkrieg auf deutschem Boden.

Olympia 1972 in München: Wie das Olympische Feuer nach Osthessen kam

Es sollten besondere Spiele werden. Deutschland war in einer Aufbruchstimmung und wollte sich weltoffen zeigen. Die Erwartungshaltung der Bevölkerung war auch in unserer Region riesig und die Vorfreude groß. Mehrere Tausend Menschen waren bei der offiziellen Zeremonie des olympischen Fackellaufs im Kreis Fulda, im Schlosspark, dabei. Selbst in Hünfeld kamen mehr als 1000 Leute vor dem Rathaus zusammen, um die Fackelläufer mit dem Olympischen Feuer zu sehen.

Alle Läuferinnen und Läufer empfanden ihren Part als eine Besonderheit des Augenblicks, als Anerkennung ihrer sportlichen Leistungen. „Es war ein Ehre, dass ich die Fackel in den Schlosspark tragen durfte“, sagt Manfred Weinkath aus Flieden. Der Hammerwerfer war damals 28 Jahre alt und einer der besten Leichtathleten im Kreis Fulda.

Eine unüberschaubare Menschenmenge hatte sich im Schlosspark versammelt, um beim offiziellen Teil dabei sein zu dürfen. „Ich hatte eine Gänsehaut, als ich durch das Spalier der Menschen lief“, erinnert er sich. Sportler der FT Fulda hissten die Olympiaflagge, Musikkapellen spielten, und es gab verschiedene Vorführungen von Sportvereinen.

Der damalige OB Dr. Wolfgang Hamberger (CDU) erinnert sich, dass die Straßen mit Leuten gesäumt und der Schlossgarten voll war. „Die Menschen waren froh, stolz und voller Vorfreude. Mit dem Fackellauf von München nach Kiel schrieb Fulda am olympischen Kapitel der Stadtgeschichte weiter. Denn Fulda ist die Heimat von Karl Storch, dem Silbermedaillengewinner der Spiele von Helsinki im Hammerwurf, der bei der Fackelübergabe auf der Terrasse der Orangerie auch dabei war. Fulda trug damit zu dem anderen Deutschlandbild bei, das die Spiele von 1972 in die Welt tragen sollten.“

Der Zeitplan war genau festgelegt, damit das Olympische Feuer pünktlich von München aus bis nach Kiel kommt, wo die Segelwettkämpfe stattgefunden haben. Knapp 1000 Kilometer war die Strecke. 1300 Läufer, 90 Radfahrer und 30 Reiter sowie ein Achter sollten die Flamme nach Kiel bringen.

Die Fackel durfte nicht jeder tragen, für jede Sportart wurden von den Vereinen erfolgreiche Sportler aus der Region vorgeschlagen. Die Auswahl übernahmen dann die beiden Sportkreise Fulda und Hünfeld.

50 Jahre nach dem olympischen Fackellauf: Reinhard Schwab, Manfred Weinkath und Jürgen Schuck.
50 Jahre nach dem olympischen Fackellauf tauschen Reinhard Schwab, Manfred Weinkath und Jürgen Schuck ihre Erinnerungen an das besondere Ereignis im Fuldaer Stadion aus. ©  Rainer Ickler

In Fulda dabei waren unter anderem der damals 17-jährige Weit- und Dreispringer der LG Fulda-Rhön, Jürgen Schuck, der ebenso alte Schwimmer und Wasserballer Reinhard Schwab, der Reiter Jürgen Bunk, der Borussen-Handballer Ernst Heumüller, die Skiläuferin Resi Schäfer, die vor zwei Jahren verstarb, und der Hammerwerfer Manfred Weinkath. Er sollte, in Erinnerung an den einzigen Fuldaer Medaillengewinner bei Olympischen Spielen, Karl Storch, die Flamme in den Schlosspark tragen. (Lesen Sie hier: Kugelstoßerin Sara Gambetta aus dem Vogelsberg wird bei Olympia 2021 Achte - mit neuer Bestleistung)

„Es war ein tolles Erlebnis, weil die Leute, die entlang der Strecke gestanden haben, geklatscht und uns angefeuert haben“, erinnern sich Reinhard Schwab und Jürgen Schuck. Nicht nur im Schlosspark herrschte eine tolle Stimmung, sondern auch entlang der Strecke säumten Menschenmassen die abgesperrten Straßen. „Das war schon ein einmaliges Erlebnis, das vergisst man nicht“, sagt Schuck.

Der heute 68-Jährige übernahm bei der Winfriedschule das Feuer vom Reiter Bunk, der hoch zu Ross auf seinem Pferd Pascha die Flamme getragen hatte. Schuck lief die Leipziger Straße bis in Höhe des Hotels Lenz. „Für mich als Weit- und Dreispringer war das ganz schön anstrengend, denn die Organisatoren hatten beim vorherigen Zusammentreffen immer gesagt haben, dass der Zeitplan eingehalten werden müsse und wir schnell laufen mussten.“

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Schuck übergab an Reinhard Schwab. Der Brustschwimmer und Wasserballer musste nicht so weit laufen. Ab Lehnerz durfte er mit der brennenden Fackel in einen Cabrio steigen und wurde bis nach Marbach gefahren. Unterwegs jubelten ihm die Leute am Straßenrand und von den Brücken zu. Von Marbach trug Maria Neuenfeld, begleitet von Dutzenden von Läufern, das Olympische Feuer nach Hünfeld. Dort fand eine Feier vor dem Rathaus statt, ehe das Feuer nach Burghaun gebracht wurde.

Die Fackel aus Edelstahl mit der Aufschrift Olympische Spiele haben natürlich alle Fackelläufer noch als Erinnerung an dieses besondere Ereignis und präsentieren sie mit Stolz. Bei Schwab hat sie einen Ehrenplatz in seinem Arbeitszimmer und Jürgen Schuck, der pensionierte Lehrer, hat damit sogar bei den Schülern für Aufsehen gesorgt, als er sie ihnen gezeigt hat. „Oh, dürfen wir die auch mal in die Hand nehmen“, fragten sie.

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