Tatsächlich hatte auch der Heertor-Apotheker das Gefühl, dass die Praxis-Aufgabe einer „regelrechten Flucht“ gleichgekommen sei, auch wenn er schon Vorahnungen gehabt habe. So habe eine Mitarbeiterin angedeutet, dass sie sich einen neuen Arbeitgeber suchen müsse. Auf eine Nachfrage seitens des Apothekers habe Franz jedoch jüngst noch verneint, dass sie sich mit dem Gedanken trage aufzuhören.
Tätig waren laut Mölleney zuletzt in der Praxis außerdem der Ehemann – fachfremd im Praxismanagement – und ein Sohn aus früherer Ehe. Über den Verbleib weiteren Personals ist nichts in Erfahrung zu bringen. Letzte bekannte Aktivitäten in der Praxis gab es am Freitag. „Da ist ein Auto mit Anhänger vorgefahren. In diesen wurden ein EKG-Gerät und ein paar Stühle eingeladen – und das war es. Ansonsten dürfte die Praxis noch möbliert sein“, begründet Mölleney seine Eindrücke.
Unwissend zeigt sich ebenfalls die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KV): Ihr liegen laut Kommunikationsreferent Alexander Kowalski keine Hinweise auf eine Schließung vor. „Weder hat die Ärztin Kontakt zu uns aufgenommen, noch gibt es irgendwelche Hinweise aus der Region“, schreibt Kowalski auf Anfrage. Grundsätzlich sei es bei einer Praxis-Aufgabe gängig, die KV über die Pläne zu informieren – idealer- und üblicherweise mehrere Monate im Voraus.
Die Motive, warum Franz in Fulda den Kittel an den Nagel hängt, sind indes unklar. Eine Anfrage dazu – gerichtet an die auf dem Zettel angegebene E-Mail-Adresse – bleibt am gestrigen Montag unbeantwortet.
Was passiert nun mit den Akten der Patientinnen und Patienten von Anastasiya Franz? „Die Ärztin ist nach Paragraf 10 der Berufsordnung verpflichtet, die Patientendokumentation selbstständig aufzubewahren. Sollte dies nicht möglich sein, besteht die Möglichkeit, die Patientendokumentation einem anderen Arzt anzuvertrauen, der diese im Rahmen eines Zwei-Schrank-Modells verwahrt“, erklärt die Kassenärztliche Vereinigung Hessen, an die sich Patientinnen und Patienten per E-Mail wenden können.
Auch die Ärzte-Kollegen in Fulda wussten nicht Bescheid: „Wir haben im Kollegenkreis erst am Montagmorgen per E-Mail erfahren, dass Anastasiya Franz ihre Praxis aufgibt“, sagt Ralph-Michael Hönscher, Vorstandsvorsitzender des Gesundheitsnetzes Osthessen. Für die Patienten könne es nun schwer werden, einen neuen Arzt zu finden. „Wir haben ein großes Versorgungsproblem in Fulda. Die Heimpatienten von Frau Franz können vielleicht noch betreut werden. Aber die niedergelassenen Praxen sind voll, die können vielleicht vereinzelt jemanden aufnehmen“, sagt Hönscher. (Lesen Sie auch: Fulda: So kämpft der Landkreis gegen Ärzte-Mangel auf dem Land)
Zusätzlich verschärft worden sei die Situation in Fulda dadurch, dass sich Dr. Jürgen Hofmann zur Ruhe gesetzt hat. Hinzu komme die ohnehin schon angespannte und durch Corona noch einmal schlimmer gewordene Personalsituation im medizinischen Sektor. (von Sophie Brosch und Andreas Ungermann)